Erschienen in:
01.01.2016 | Leitthema
Gewalt und Gesundheit
Symptome, Folgen und Behandlung betroffener Patientinnen und Patienten
verfasst von:
Prof. Dr. Ute Habel, Lisa Wagels, Sinika Ellendt, Maryse Scheller, Aynur Evler, René Bergs, Benjamin Clemens, Annette Pütz, Nils Kohn, Frank Schneider
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 1/2016
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Zusammenfassung
Hintergrund
Gewalt hat viele Formen und zieht bei Betroffenen meist eine Vielzahl von Folgen nach sich. Bisher gibt es Hinweise darauf, dass Männer und Frauen unterschiedliche Arten und unterschiedliche Folgen von Gewalt erleben. Im klinischen Kontext fehlen Daten zu genauen diesbezüglichen Prävalenzen bei stationären und ambulanten Patientinnen und Patienten. Wir haben uns dieser Frage im Rahmen einer Prävalenzerhebung an einer Uniklinik gewidmet und auch geprüft, inwiefern eine psychologische Beratung bei Gewalterlebnissen positive Effekte erzielen kann.
Ziele
Es sollen Prävalenzen für verschiedene Gewaltarten unter Einbezug verschiedener demografischer Faktoren sowie Zusammenhänge zwischen Gewalt und Gesundheit, Geschlecht und sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen, psychischen und körperlichen Folgen ermittelt werden. Zudem soll die Akzeptanz und die Wirksamkeit einer psychologischen Unterstützung ermittelt werden.
Material und Methoden
Zunächst wurde die Prävalenz von Gewalterfahrungen an mehr als 5000 Patientinnen und Patienten der Uniklinik RWTH Aachen anhand eines anonymen Fragebogens zu Gewalt und Gesundheit ermittelt. Eine zweite Datenerhebung erfolgte anhand von Interviews mit 130 gewaltbetroffenen Personen zu Gewalterlebnissen und ihren vielfachen Folgen. In einem weiteren Forschungsansatz wurde ein psychologisches Beratungskonzept für Betroffene entwickelt und hinsichtlich der Akzeptanz sowie auch der möglichen positiven Effekte evaluiert.
Ergebnisse und Diskussion
Mit dem Erleben von Gewalt steigt das Risiko für Erkrankungen, insbesondere mit dem Erleben multipler Gewaltarten. Während psychopathologisch keine Geschlechterunterschiede erkennbar waren, hatten mehr als 60 % aller Betroffenen die klinische Diagnose einer psychischen Störung. Es bestand ein erhöhtes Risiko für solche Diagnosen, wenn mehrfache Gewaltarten in der Kindheit angegeben wurden. Personen mit psychischen Störungen gaben vermehrt subjektiv wahrgenommene Folgen von Gewalt an. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Gewaltfolgen mit vermehrtem Gewalterleben. Erste Erfolge der psychologischen Unterstützungsangebote zeigen sich vor allem in der Bewertung der Unterstützung durch den Therapeuten sowie in einer zunehmenden motivationalen Klärung und Problemlösung durch die Betroffenen.