Die beiden aktuell erhältlichen sondenlosen Schrittmacher weisen in den jeweiligen Zulassungsstudien sowie den zusätzlichen Real-world-Registern eine hohe Effektivität und Sicherheit auf. Im Vergleich zu konventionellen Schrittmachern finden sich niedrigere Langzeit-Komplikationsraten (v. a. im Hinblick auf Sondendislokationen und Systeminfektionen). Zunehmende Evidenz (derzeit größtenteils für den MicraTM [Medtronic, Minneapolis, MN, USA]) zeigt, dass diese Vorzüge auch Bestand haben und daher von einer „dauerhaft guten Lösung“ gesprochen werden kann.
Hinweise
×
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Seit der ersten Implantation eines Herzschrittmachers in den 1950er-Jahren hat die Schrittmachertechnologie zahlreiche Entwicklungen (z. B. verbesserte Batteriekapazität, subtilere Stimulationsalgorithmen, programmierbare Sensoren zur Steuerung der Stimulationsfrequenz, MRT-Tauglichkeit) durchlaufen [1]. Das technologische Konzept der Generierung und Abgabe des Schrittmacherstimulus mittels infraklavikulär implantiertem Impulsgenerator sowie von dort via Venen zum Herz reichenden Sonden blieb lange unverändert, obwohl diese die Schwachstellen der konventionellen Schrittmachertherapie sind. Entsprechende Komplikationen (Hämatome/Infektionen im Bereich des Generators, Dislokationen, Brüche und Infektionen der Sonden) treten bei 7–12 % aller PatientInnen auf und führen in ca. 4 % zu chirurgischen Eingriffen [2, 3].
Sondenlose Schrittmacher wurden entwickelt, um dieses Risiko zu reduzieren. Dabei sind sämtliche Funktionseinheiten des Schrittmachers in einer kleinen Kapsel untergebracht. Durch ihre geringe Größe ist eine kathetergestützte Implantation möglich, ohne das zuführende venöse System oder die Trikuspidalklappe mit Sonden dauerhaft belasten zu müssen.
Anzeige
Derzeit sind in der EU folgende sondenlose Schrittmacher kommerziell erhältlich: MicraTM (Medtronic Inc., Minneapolis, MN, USA) mit entweder VVI(R)-Stimulationseigenschaften (MicraTM VR) oder VDD(R)-Stimulationseigenschaften (MicraTM AV) sowie AveirTM VR (Abbott, Plymouth, MN, USA) mit VVI(R)-Stimulationseigenschaften. Diese Geräte sind auch in allen Ländern, die einen FDA-Approval akzeptieren, für die klinische Verwendung zugelassen. Zusätzlich ist in den USA auch bereits das DDD(R)-System AVEIRTM DR (Abbott, USA) mit je einem sondenlosen Schrittmacher im rechten Vorhof und rechten Ventrikel (drahtlose Implantat-zu-Implantat-Kommunikation) zur Implantation freigegeben. Eine im Mai 2023 im New England Journal of Medicine publizierte Studie hat bei 300 PatientInnen ein gutes Sicherheitsprofil und eine hohe Effektivität dieser Technologie ergeben und zur US-Zulassung, die in der EU noch zumindest ein Jahr dauern dürfte, geführt [4].
Die ersten MicraTM VR wurden im Rahmen der Zulassungsstudien im letzten Quartal 2013 implantiert, weshalb nun Ende 2023 deren 10-jährige Laufzeit erstmals überschritten wird. Es ist daher gerechtfertigt, die Frage zu beantworten, ob die Implantation sondenloser Schrittmacher bei geeigneten PatientInnen eine „dauerhaft“ gute Lösung darstellt.
Technischer Aufbau und Laufzeit
MicraTM VR und AV beinhalten in einer baugleichen zylindrischen Hülle aus Titan alle Bauteile eines 1,5 und 3 T full-body-MR-kompatiblen VVI(R)-Schrittmachers. Die Abmessungen von 26 × 7 mm ergeben ein Volumen von 0,8 cm3 und ein Gewicht von 2 g. Der MicraTM AV benutzt die zur Frequenzmodulation integrierten Akzelerometer, um bei PatientInnen im Sinusrhythmus (SR) die Kontraktion der Vorhöfe zu detektieren und im Fall einer AV-Überleitungsstörung ein getriggertes Ventrikelpacing zu ermöglichen. Diese Funktion wird durch den sog. MARVEL-Algorithmus vermittelt, der in der MARVEL-2-Studie erfolgreich getestet wurde [5].
Die Batterie von MicraTM VR und AV hat eine Kapazität von 120 mAH und eine prognostizierte Laufzeit von 12–13 Jahren, unterstützt durch eine automatische Reizschwellenbestimmung mit entsprechender Stimulations-Amplitudenanpassung.
Anzeige
Die 4 elektrisch inaktiven Verankerungshaken (Tines) aus Nitinol sind am distalen Ende rund um die Elektrode gruppiert. Deren technischer Aufbau entspricht dem einer konventionellen steroidabgebenden passiven Stimulationskathode mit einer Oberfläche von 2,5 mm2.
Das proximale Ende des Gehäuses ist pilzförmig gestaltet, um im Fall einer notwendigen Bergung das Fassen mit Snares zu erleichtern (Abb. 1).
×
Der MicraTM ist konventionell über den Medtronic-Programmer abfrag- und programmierbar. Auch eine telemedizinische Überwachung mittels CareLinkTM ist möglich.
Der AveirTM VR ist ebenfalls ein sondenloser VVI(R)-Schrittmacher, der 1,5 und 3 T full-body-MR-kompatibel ist. Die Abmessungen der zylindrischen Titanhülle sind 38 × 6,5 mm, das Gewicht beträgt 2,4 g, das Volumen 1,1 cm3. Mittels eines Thermo-Sensors basiert die Frequenzsteuerung auf der Messung geringfügiger Temperaturanstiege des Blutes bei Belastungsbeginn. Die Batteriekapazität des AVEIRTM VR beträgt 243 mAH mit einer prognostizierten Laufzeit von 17–18 Jahren. Das Gerät verfügt über keine automatische Reizschwellenbestimmung. Die Fixierung des Schrittmachers erfolgt über eine elektrisch inaktive Helix, die im Zuge einer 1,5fachen Umdrehung etwa 1,6 mm in das Endo‑/Myokard eingeschraubt wird. Im Zentrum der Helix sitzt die steroidabgebende passive Stimulationskathode mit einer Oberfläche von 2 mm2. Ebenso wie beim MicraTM befindet sich am proximalen Ende des Gehäuses eine Struktur für das interventionelle Fassen des Geräts (Abb. 2).
×
Der AveirTM ist konventionell über den Abbott-Programmer abfrag- und programmierbar. Dafür ist ebenso wie bei der Implantation die Verwendung des sog. AveirTM Link Module erforderlich, welches eine sehr stromsparende konduktive Kommunikation ermöglicht. Eine telemedizinische Überwachung ist derzeit nicht möglich. Von besonderem Interesse ist, dass die bereits derzeit implantierten Geräte auf ein sondenloses Zweikammer-Schrittmacher-System (AveirTM DR) aufgerüstet werden können.
Implantation
Der MicraTM und der AveirTM werden jeweils mit einem Delivery-System geliefert. Dies ist ein Katheter, an dessen Spitze der Schrittmacher in einem Zylinder untergebracht ist (der MicraTM ist vormontiert, während der AveirTM am Interventionstisch „geladen“ wird). Das Delivery-System wird in einer Schleuse (23 F Innen- und 27 F Außendurchmesser) über die V. femoralis, V. iliaca externa und V. cava inferior in das rechte Atrium vorgeschoben. Mittels eines unidirektionalen Krümmungsmechanismus des Delivery-Systems kann dieses durch die Trikuspidalklappe in den rechten Ventrikel manövriert werden (Abb. 3). Gemäß den Empfehlungen der Hersteller und publizierter Evidenz werden MicraTM VR und AV eher mittseptal, der AveirTM inferoseptal implantiert.
×
Wird ein Kontakt des Zylinders am Myokard erzielt (durch Kontrastmittel-Injektion über das Delivery-System visualisierbar), kann die Implantation des Schrittmachers erfolgen. Bei beiden Systemen wird dafür der Zylinder zurückgezogen. Beim MicraTM werden dadurch die Tines freigesetzt, die sich im Endo‑/Myokard verhaken. Beim AveirTM beginnt hingegen erst nach dem Zylinderrückzug der eigentliche Fixierungsvorgang durch ein kathetervermitteltes Einschrauben ins Endo‑/Myokard. Durch diesen Zwischenschritt kann beim AveirTM vor der eigentlichen Fixation ein Mapping erfolgen, bei dem die elektrischen Parameter (Sensing, Reizschwelle, Impedanz) der Implantationsstelle evaluiert werden.
Nach der Fixierung (die Schrittmacher sind noch über Tethers mit dem Delivery-System verbunden) erfolgen manuelle Manöver zum Nachweis einer guten mechanischen Verankerung und die definitive Bestimmung der elektrischen Parameter. Ist eine Repositionierung erforderlich, wird der Schrittmacher mithilfe der Tethers wieder ans Delivery-System angedockt und eine neue Implantationsstelle angesteuert. Sind die Parameter zufriedenstellend, werden die Tethers gekappt und der Schrittmacher damit vollständig abgesetzt. Danach werden Delivery-System und Schleuse aus dem Körper gezogen und die Punktionsstelle meist mit einer besonderen Hautnaht (Z- oder Tabaksbeutel-Naht) versorgt.
Anzeige
Klinische Daten
MicraTM VR.
Die prospektive nichtrandomisierte multizentrische Micra DIE-Studie untersuchte den MicraTM VR bei 726 PatientInnen [6]. Die Implantation verlief dabei bei 99,2 % (719/726) erfolgreich. Komplikationen traten bei 3,4 % auf: Perikarderguss oder -tamponade bei 1,5 %, vaskuläre Komplikationen bei 0,7 % und erhöhte Stimulationsreizschwellen im 6‑Monats-Follow-up bei 0,3 %. Der einzige Todesfall war durch eine Niereninsuffizienz verursacht, also nicht gerätebezogen. Duray et al. konnten für dieses PatientInnen-Kollektiv zeigen, dass die Komplikationsrate bei einem längeren Follow-up von 12 bis 18 Monaten lediglich auf insgesamt 4 % stieg. Diese war dabei im retrospektiven Vergleich zu einem Kollektiv von 2667 Patienten mit konventionellen Schrittmachern um 48 % erniedrigt, was v. a. auf das völlige Fehlen von Dislokationen und Infektionen des MicraTM VR zurückgeführt werden konnte. Die niedrige Komplikationsrate resultierte in einer um 47 % reduzierten Hospitalisierungsrate [7]. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in Real-world-Registern von Roberts et al. bzw. El-Chami et al. bestätigt, wobei von Letzteren mittels öffentlicher US-Gesundheitsakten 6219 PatientInnen mit MicraTM VR und 10.212 PatientInnen mit konventionellen VVIR-Schrittmachern in einem 2‑Jahres-Follow-up-Zeitraum miteinander verglichen wurden. Auch hier zeigte sich bei vergleichbarer Mortalität eine geringere Langzeit-Komplikationsrate für sondenlose Schrittmacher (31 % niedrigere chronische Komplikationsrate im Vergleich zu konventionellen Systemen; [8, 9]). Insgesamt ist für den MicraTM VR im Vergleich zu konventionellen Schrittmachersystemen von einer gering höheren Rate an Myokardverletzungen bei der Implantation, jedoch einer niedrigeren Rate an mittel- und langfristigen Komplikationen – insbesondere im Bereich der Generatorloge und der Sonden – auszugehen [7‐9]. Zu beachten ist jedoch, dass die vorhandenen Langzeitdaten auf den MicraTM VR limitiert sind und die Follow-up-Dauer meist nur 2 Jahre beträgt. Des Weiteren soll hier noch einmal betont werden, dass bislang keine randomisierten Studien existieren, in denen konventionelle und sondenlose Schrittmacher verglichen werden.
MicraTMAV.
Da der MicraTMAV bis auf den in die Elektronik integrierten MARVEL-Algorithmus dem MicraTM VR baulich gleicht, sind die für den VR beschriebenen klinischen Ergebnisse auf den AV sicherlich übertragbar.
Die Akzelerometer-mediierte mechanische Wahrnehmung der Vorhofkontraktion des VDD-Algorithmus weist jedoch im Vergleich zu konventionellen Systemen mit elektrischer Wahrnehmung der Vorhoferregung v. a. bei höheren Herzfrequenzen geringere Raten an atrioventrikulärer (AV) Synchronität auf. Dies macht oft repetitive Optimierungen der Programmierung erforderlich, wobei die getrackte Sinusfrequenz meist unter 115/min bleibt, bevor das System in einen VVIR-Modus umschaltet [10, 11].
Aktuell ist weltweit eine deutliche Zunahme von Conduction-System-Pacing (CSP) zur Verhinderung einer Pacing-induzierten Kardiomyopathie zu verzeichnen. Da CSP mit den aktuell verfügbaren sondenlosen Schrittmachern nicht möglich ist, hat die Inzidenz einer Pacing-induzierten Kardiomyopathie bei PatientInnen mit sondenlosen Schrittmachern besondere Bedeutung. Mehrere rezent publizierte Arbeiten haben sich dieser Frage angenommen und berichten über (auch im Vergleich zu konventionellen VVI-Schrittmachern) niedrige Raten an Pacing-induzierten Kardiomyopathien von 3,0–7,8 %, v. a. bei einer mitt- bis hochseptalen Position der sondenlosen Schrittmacher. Dementsprechend fand sich auch eine sehr niedrige Rate an neu implantierten Systemen zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT-Systeme, in die sondenlose Schrittmacher derzeit nicht integriert werden können, also stillgelegt werden müssen; [9, 12, 13]).
Anzeige
AveirTM VR.
Der technologische Vorläufer des AveirTM VR, der sondenlose VVI(R)-Schrittmacher NanostimTM (St. Jude Medical, USA), wurde in der LEADLESS- bzw. LEADLESS-II-Studie erfolgreich getestet und war daraufhin der erste kommerziell erhältliche sondenlose Schrittmacher, bevor er insbesondere wegen Batterieproblemen vom Markt genommen werden musste [14, 15]. Der AveirTM VR selbst wurde nach substanziellen Modifikationen des NanostimTM, v. a. an Batterie und „docking button“, im LEADLESS II (Phase 2) Trial getestet. Die Implantation verlief dabei bei 98 % (205/210) der PatientInnen erfolgreich. Komplikationen traten in einem 1‑Jahres-Follow-up bei 7 % (195/210) auf, davon periinterventionelle Perikardergüsse/-tamponaden bei 1,9 % (4/210). Todesfälle waren nicht zu beklagen. Die elektrischen Parameter zeigten sich auch nach einem Jahr stabil. Die positiven Ergebnisse führten schlussendlich zu einem FDA-Approval und einer Zulassung in Europa (CE mark; [16, 17]).
Laufzeit
MicraTM.
Die nominale Laufzeit beträgt 12 bis 13 Jahre beim VR, 1 bis 1,5 Jahre kürzer beim AV. Breeman et al. konnten in einer Analyse von 153 PatientInnen mit einem MicraTM VR bei einem mittleren Follow-up von 35 Monaten (bis maximal 7 Jahre) nachweisen, dass bei einem Großteil der PatientInnen sogar mit einer Laufzeit von > 13 Jahren (bei einem medianen Stimulationsanteil von 35 % und einer stabilen mittleren Stimulationsreizschwelle von 0,7 V @0,24 ms) gerechnet werden kann. Batterieversagen im Sinne eines unvorhergesehenen signifikanten Abfalls der Batteriekapazität traten nicht auf [18]. Außerhalb Europas ist bereits derzeit eine Nachfolge-Generation des MicraTM verfügbar, MicraTM VR2 und AV2, die beide nun durch eine größere Batteriekapazität projektierte mediane Laufzeiten von 16,7 Jahren (VR) bzw. 15,6 Jahren (AV) aufweisen.
AveirTM.
Die nominale Laufzeit beträgt 17 bis 18 Jahre. Im Juli 2023 wurden von Reddy et al. die Ergebnisse der 1‑Jahres-Follow-ups des LEADLESS II (Phase 2) Trials publiziert, bei denen eine erwartete mittlere Laufzeit von 17,6 ± 6,6. Jahren ermittelt wurde. Diese Analyse schätzt den Anteil der Geräte mit einer Laufzeit von > 10 Jahren auf 83 % und von > 20 Jahren auf 48 % [17]. MicraTM und AveirTM können zum Ende der Batterielaufzeit per Programmierung komplett deaktiviert werden. Damit ist prinzipiell die Implantation eines zweiten sondenlosen Schrittmachers möglich, der dann ohne funktionelle Interferenz aktiviert werden kann. Die anatomischen Voraussetzungen für die Implantation eines zweiten MicraTM ohne physische Interaktion zwischen beiden Geräten scheinen im rechten Ventrikel erfüllt zu sein [19].
Extraktion
Für die Notwendigkeit einer Bergung haben MicraTM und AveirTM an ihrem proximalen Ende ein sog. Retrieval Feature bzw. einen Retrieval Button. Hier können sie interventionell mit Snares gefasst und extrahiert werden. Für den AveirTM ist ein spezieller Retrieval-Katheter verfügbar, für den MicraTM nicht. Der für den AveirTM erhältliche Retrieval-Katheter wurde wegen der Batterieprobleme des baulich ähnlichen Vorläufermodells NanostimTM bereits häufig eingesetzt. So zeigte sich bei 241 PatientInnen eine generelle Extraktionserfolgsrate bei chronisch (3,1 ± 1,8 Jahre) implantierten Geräten von 88 % und dabei ein niedriges Risiko für Perikard-Effusionen/-Tamponaden von 0,8 % [20].
Anzeige
Etwas komplexer stellt sich die Situation beim MicraTM dar. Eine MicraTM-Bergung mit dem Delivery-System ist nur während einer laufenden Implantationsprozedur oder nach Implantation eines zweiten MicraTM vor Bergung des ersten möglich. Dann kann ein Snare durch den Tether-Kanal des Delivery-Systems vorgebracht, der MicraTM damit gefasst und in den Cup des Delivery-Systems zurückgezogen werden. Ohne Delivery-System wird ein MicraTM über die originale Schleuse (diese ist erhältlich) und eine darin vorgebrachte steuerbare Schleuse geborgen. Zu beachten ist, dass dabei der MicraTM ohne schützendes Delivery-System aus dem Myokard extrahiert und durch die Trikuspidalklappe zur im Vorhof liegenden Schleuse gezogen wird. Machbarkeit und Sicherheit dieser Manöver konnten u. a. in einer Übersicht über 40 Fälle von MicraTM-Extraktionen belegt werden [21, 22].
Dislokationen von sondenlosen Schrittmachern mit frei flottierenden Geräten im Ventrikel oder einer Embolisation derselben wurden in den Zulassungsstudien nicht beobachtet und auch danach nur als Raritäten publiziert [23, 24]. Bei korrekter Implantation gilt der Verankerungsmechanismus beider Modelle daher auch langfristig als sicher.
Implantation bei Patienten mit hohem Infektionsrisiko oder nach Infektion
Sowohl in der IDE-Studie als auch im Micra Post Approval Registry traten keine Infektionen des MicraTM auf [6, 8]. Als Grund dafür kommen die geringe Größe sowie die rasche und meist vollständige Endothelialisierung des MicraTM in Frage [25, 26]. Im Vergleich zur großen Fremdkörperoberfläche konventioneller Herzschrittmachersysteme bietet die Titan‑/Parylenoberfläche des MicraTM wenig Angriffsfläche für bakteriellen Bewuchs. Damit bietet sich das System für PatientInnen mit erhöhtem Infektionsrisiko (Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, chronische Hämodialyse, Immunsuppression etc.) oder bei Zustand nach Extraktion eines konventionellen Systems wegen Infektion an. So konnte gezeigt werden, dass die Implantation des MicraTM nach Systeminfektionen machbar und im Follow-up sicher ist [27, 28].
Für den AveirTM liegen Daten in dieser Größenordnung noch nicht vor, aufgrund der vergleichbaren Größe, derselben Oberfläche sowie der Tatsache, dass in der publizierten Evidenz über keine infizierten Systeme berichtet wurde, kann jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Klasseneffekt gesprochen werden [14‐17].
Indikationen
Die rezenten (2021) ESC-Guidelines sprechen für sondenlose Schrittmacher eine Klasse-IIa-Empfehlung aus, wenn kein konventioneller Zugang (z. B. durch verschlossene Armvenen) möglich oder das Risiko für eine Sondeninfektion hoch ist (z. B. vorhergegangene Infektion oder chronische Hämodialyse). Eine IIb-Empfehlung besteht für eine permanente Einkammer-Stimulation als Alternative zu konventionellen Systemen (in Abhängigkeit von Lebenserwartung, der PatientInnen etc.; [29]).
Am häufigsten wurden sondenlose Schrittmacher im Rahmen der Studien und Register bei älteren PatientInnen mit langsam/blockiert übergeleiteten atrialen Tachykardien sowie erhaltener Linksventrikelfunktion implantiert.
Dies macht aus folgenden Gründen Sinn:
1.
Ältere Patienten können wegen ihrer häufigeren Risikofaktoren für Langzeitkomplikationen konventioneller Schrittmachersysteme, wie Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz [2, 3], besonders von sondenlosen Schrittmachern profitieren.
2.
Es besteht eine klassische VVIR-Indikation.
3.
Sondenlose Schrittmacher können nicht auf ein CRT-System (kardiale Resynchronisationstherapie) aufgerüstet werden. Mit den derzeitigen Systemen kann auch kein CSP erzielt werden.
Durch den MicraTM AV werden auch zunehmend (eher ältere und weniger aktive) PatientInnen im Sinusrhythmus mit höhergradigen AV-Blockierungen implantiert.
Durch die Möglichkeit, bereits jetzt implantierte AveirTM-VR-Geräte in Zukunft durch zusätzliche Implantation eines weiteren AveirTM im Vorhof auf ein AveirTM-DR-System aufzurüsten, wird sich die Indikation (z. B. auf PatientInnen im SR mit vorerst geplanter Back-up-Stimulation) sicher erweitern.
Fazit für die Praxis
Mit dem MicraTM und AveirTM existieren zwei sondenlose Schrittmachermodelle, die in den jeweiligen Zulassungsstudien sowie den zusätzlichen Real-world-Registern eine hohe Effektivität und Sicherheit aufweisen.
Im Vergleich zu konventionellen Schrittmachern konnten dabei niedrigere Langzeit-Komplikationsraten (v. a. im Hinblick auf Sondendislokationen und Systeminfektionen) gezeigt werden.
Zunehmende Evidenz (derzeit größtenteils für den MicraTM vorliegend) zeigt, dass diese Vorzüge auch Bestand haben und daher von einer „dauerhaft guten Lösung“ gesprochen werden kann.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
C. Steinwender: Sprecherhonorare: Medtronic, Abbott; K. Saleh: Sprecherhonorare: Medtronic, Abbott. H. Blessberger gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med Innere Medizin erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Innere Medizin, den Premium-Inhalten der internistischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten internistischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sind die Chancen, einen Myokardinfarkt zu überleben, in den letzten 15 Jahren deutlich gestiegen – nicht jedoch bei Betroffenen mit Typ 1.
Ob Patienten und Patientinnen mit neu diagnostiziertem Blasenkrebs ein Jahr später Bedauern über die Therapieentscheidung empfinden, wird einer Studie aus England zufolge von der Radikalität und dem Erfolg des Eingriffs beeinflusst.
„Kalte“ Tumoren werden heiß – CD28-kostimulatorische Antikörper sollen dies ermöglichen. Am besten könnten diese in Kombination mit BiTEs und Checkpointhemmern wirken. Erste klinische Studien laufen bereits.
Eine perioperative Therapie mit Nivolumab reduziert das Risiko für Rezidive und Todesfälle bei operablem NSCLC im Vergleich zu einer alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie um über 40%. Darauf deuten die Resultate der Phase-3-Studie CheckMate 77T.
Update Innere Medizin
Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.