Insulintherapie nicht geschlechtsneutral

Die Einstellung auf eine Insulintherapie scheint bei Frauen heikler zu sein als bei Männern: Obwohl ihr HbA1C nicht so stark sinkt, erleiden sie mehr schwere Hypoglykämien. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Blutzuckerregulation sind bereits mehrfach beschrieben. Diabetologen aus Österreich und den USA machen nun darauf aufmerksam, dass es solche Differenzen auch bei der Insulinbehandlung von Typ-2-Diabetikern zu beachten gilt. „Um glykämische Kontrolle und Hypoglykämierisiko richtig auszubalancieren, ist eine engmaschige Überwachung bei Frauen besonders wichtig“, schreiben die Ärzte um Alexandra Kautzky-Willer von der Universität Wien. Die Mediziner haben den Einfluss des Geschlechts auf die Wirkung einer Insulintherapie anhand von sechs randomisierten kontrollierten Studien untersucht. In den Studien waren 1251 Frauen und 1349 Männer erstmalig mit Insulin – Insulin glargin oder NPH-Insulin – behandelt worden. Beide Geschlechter hatten anfangs einen mittleren HbA1C von etwa 8,9% und waren im Mittel 57 Jahre alt und seit zehn Jahren an Diabetes erkrankt. HbA1c sinkt schwächer, NBZ stärker Männer erhielten während der 24–36 Wochen dauernden Studien eine höhere mittlere Insulindosis (36,8 vs. 34,4 IE/d), bei der Dosierung bezogen auf das Körpergewicht lagen jedoch die Frauen vorn (0,466 vs. 0,418 IE/kg). Der HbA1C wurde dadurch bis zum Studienende bei Frauen um 1,22 und bei Männern um 1,36 Prozentpunkte gesenkt, ein signifikanter Unterschied. Dementsprechend erreichten auch weniger Frauen den HbA1C-Zielwert von unter 7% (26,5% vs. 33,9%). Das schlechtere Ansprechen auf die Insulintherapie zeigte sich gleichermaßen bei Frauen mit einem BMI unter und über 28 kg/m2. Im Gegensatz zum HbA1C-Wert wurde allerdings der Nüchternblutzucker (NBZ) bei Frauen stärker gesenkt, auf 124 vs. 128 mg/dl. Erhöhtes Unterzuckerungsrisiko bei schlankeren Frauen Trotz der höheren HbA1C-Werte wurden bei Frauen häufiger Hypoglykämien registriert: Schwere Hypoglykämien (Vollblut- oder Plasma-BZ je nach Studie zwischen < 56 und < 50 mg/dl) erlitten 3,3% von ihnen, aber nur 1,9% der Männer; schwere nächtliche Hypoglykämien trafen 2,2% der Frauen und 0,6% der Männer. Das höhere Unterzuckerungsrisiko beschränkte sich allerdings auf Frauen mit einem BMI < 28 kg/m2; bei schwereren Frauen war kein Geschlechterunterschied auszumachen. Die beobachteten Geschlechterdifferenzen blieben auch dann erhalten, wenn Patienteneigenschaften inklusive Insulintyp und oraler Diabetestherapie berücksichtigt wurden: Die HbA1C-Reduktion fiel unter diesen Bedingungen bei Frauen um 0,2 Prozentpunkte geringer aus als bei Männern. Die Wahrscheinlichkeit von Frauen für eine schwere bzw. eine schwere nächtliche Hypoglykämie war nahezu verdoppelt bzw. vervierfacht (Odds Ratio 1,8 bzw. 3,8). Ursachen nicht geklärt Die höhere Hypoglykämieneigung von Frauen ist auch schon früher beschrieben worden. Zur geschlechtsspezifischen Wirkung einer Insulintherapie existieren dagegen widersprüchliche Studienergebnisse. Über die Ursachen der Gender-Diskrepanzen können Kautzky-Willer und Kollegen nur Spekulationen anstellen. Sie vermuten, dass unter anderem Unterschiede in der Körperfettverteilung und im Hormonhaushalt sowie die langsamere Glukoseresorption bei Frauen dazu beitragen könnten.

Springer Medizin

Insulintherapie nicht geschlechtsneutral

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft