Patienten mit akutem Koronarsyndrom erhalten häufig Opioide gegen ihre Schmerzen. Doch diese Analgetika können mit der Antiplättchentherapie interagieren. Wissenschaftler haben nun die Eignung eines alternativen Schmerzmittels geprüft.
Wie sollte man Schmerzen von Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) behandeln? Üblicherweise werden Opioide wie Morphin oder Fentanyl eingesetzt. Doch diese Medikamente verzögern die Absorption der oral zugeführten P2Y12-Inhibitoren, die Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) bekanntlich ebenfalls erhalten.
Opioide verzögern Absorption von Plättchenhemmern
So hat erst eine kürzlich publizierte Studie gezeigt, dass eine gleichzeitige Behandlung mit Morphin und Clopidogrel bei Patienten mit ACS ohne ST-Streckenhebung (NSTE-ACS) das Risiko für erneute ischämische Ereignisse erhöht. Eine Möglichkeit, derartige Wechselwirkungen zu vermeiden, wäre ein alternatives Schmerzmittel einzusetzen.
Wissenschaftler um Dr. Anne Tavenier aus Zwolle in den Niederlanden haben nun einen Versuch mit Paracetamol unternommen. In der randomisierten ON-TIME-3-Studie sind 195 STEMI-Patienten mit mäßigen bis starken Schmerzen (≥ 4 auf der Schmerzskala) vor Einlieferung in die Klinik entweder mit Fentanyl i.v. (1–2 bis maximal 4 μg/kg) oder Paracetamol i.v. (1000 mg) behandelt worden. Kurz zuvor haben alle Patienten Ticagrelor zerdrückt, ASS und Heparin erhalten.
Bei Paracetamol sind Ticagrelor-Wirkstoffspiegel höher
Zu vier unterschiedlichen Zeitpunkten haben Tavenier und Kollegen daraufhin die Hemmung der Thrombozytenaggregation, die Konzentration von Ticagrelor und dessen aktiven Metaboliten gemessen und das Schmerzausmaß evaluiert.
Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die systemischen Konzentrationen von Ticagrelor und dessen aktiven Metaboliten in den ersten Stunden nach Verabreichung von Paracetamol deutlich höher sind als bei Fentanyl. Eine Stunde vor der perkutanen Katheterintervention lagen die Spiegel bei 151 [32–509] vs. 60 [13–206] ng/ml (p=0,007), eine Stunde nach dem Eingriff bei 488 [281–974] vs. 372 [95–635] ng/ml (p=0,002).
Die erhöhten Wirkstoffspiegel von Ticagrelor bewirkten allerdings nur eine tendenzielle, aber nicht signifikant stärkere Hemmung der Thrombozytenaggregation (mittlere Plättchen-Reaktionunit [PRU] direkt nach PCI: 104 vs. 175; p=0,18).
Die Schmerzen der Patienten konnten beide Analgetika gleichermaßen senken.
In Zukunft vielleicht eine Alternative
Trotz der nicht signifikanten Unterschiede in der Plättchenhemmung kann sich Tavenier Paracetamol i.v. als alternatives Analgetikum bei STEMI-Patienten vorstellen. „Die Ergebnisse dieser Studie könnten Implikationen für die künftige prähospitale Behandlung von STEMI-Patienten haben“, stellte die Kardiologin praktischen Konsequenzen beim Onlinekongress PCR e-Course heraus. Nachdem die ON-TIME-3-Studie die pharmakokinetische Eignung von Paracetamol gezeigt hat, müssen nun weitere größere Studien beweisen, wie sich eine Therapie mit diesem Schmerzmittel auf klinische Endpunkte auswirkt – und dann wird man sehen, ob es eine echte Alternative werden kann.