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Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur Bewertung von DNA-Mischspuren

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Zusammenfassung

Die in der forensischen DNA-Analytik auftretenden Mischspuren, also beim Nachweis von Zellmaterial von mehr als einer einzelnen Person, weisen eine zunehmende Bedeutung auf, wohingegen die biostatistische Bewertung bislang durch keine Empfehlungen von Expertenkommissionen geregelt war. Daher hat die Spurenkommission, eine gemeinsame Kommission rechtsmedizinischer und kriminaltechnischer Institute, auf der Basis von veröffentlichten biostatistischen Verfahren eigene Empfehlungen für den deutschsprachigen Raum entwickelt, um die Bewertung im Strafverfahren zu vereinheitlichen.

Abstract

In the course of forensic DNA analysis mixed stains, i.e. cell material from more than a single donor, have become increasingly important. The German Stain Commission, a joint commission of Institutes for Forensic Science and Legal Medicine, has therefore developed guidelines aiming to harmonize the evaluation of mixed stains in German criminal cases.

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Notes

  1. Durch Amplifkation von Proben mit geringer DNA-Quantität und/oder -Qualität entstandene DNA-Profile, bei denen Verdacht auf allelic drop out und/oder locus drop out besteht.

  2. RFU-Relative Fluorescence Unit

  3. Engl.: RMNE – random man not excluded

  4. Die Annahme einer Verwandtschaft des unbekannten Spurenlegers mit B lässt sich ebenfalls berechnen. Dabei muss jedoch der Grad der Verwandtschaft berücksichtigt werden.

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Danksagung

Für die konstruktive Mitarbeit an den hier vorgestellten Empfehlungen zur Bewertung von DNA-Mischspuren sei K. Anslinger (München), P. Berschick (Düsseldorf), M. Eckert (Wiesbaden), C. Hohoff (Münster), S. Jung (Würzburg) und J. Schnee-Griese (Stuttgart) herzlich gedankt.

Interessenkonflikt

Es besteht kein Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to B. Brinkmann.

Additional information

P.M. Schneider, W. Keil, G. Molsberger, D. Patzelt, W. Pflug, T. Rothämel, H. Schmitter, H. Schneider, B. Brinkmann als Mitglieder der Spurenkommission, der gemeinsamen Kommission rechtsmedizinischer und kriminaltechnischer Institute.

Anhang

Anhang

A. Beispiel für die Berechnung von P(I) und P(E)

Die Einschluss-Chance P(I) beruht auf der Summe der Genotypen aller möglichen in Betracht kommenden Spurenleger. Für einen Spurenfall, bei dem in einem DNA-System die Allele a, b, c nachgewiesen werden, ergibt sich bei Vorliegen des Hardy-Weinberg-Gleichgewichtes die Summe der möglichen Genotypen, wie folgt:

P(I) = a2+b2+c2+2ab+2bc+2ac

Dieser Term lässt sich mit Hilfe der binomischen Formel vereinfachen in:

a2+b2+c2+2ab+2bc+2ac = (a+b+c)2

Bei einer angenommenen Allelfrequenz von 0,1 für a, b, c ergibt sich somit:

P(I) = 0,32 = 0,09

Dies entspricht der Erwartung, dass 9% einer Gruppe beliebiger Personen als Spurenleger in Betracht kommt (= RMNE), d. h. eine von 11 beliebig ausgewählten Personen.

Die Ausschluss-Chance entspricht der Differenz

P(E) = 1 – P(I) = 1 – 0,09=0,91

Dies entspricht der Erwartung, dass 91% einer Gruppe beliebiger Personen als Spurenleger ausgeschlossen werden kann.

Für mehrere DNA-Systeme 1...n lässt sich bei Vorliegen eines Kopplungsgleichgewichts zwischen diesen Systemen P(E) in allgemeiner Form aus dem Produkt der einzelnen Einschluss-Chancen P(I)1...n ermitteln:

P(E)1...n = 1 – [P(I)1 · P(I)2 ·... · P(I) n]

B. Beispiel für die Berechnung des Likelihood-Quotienten LQ

B.1 Einfaches Szenario

Betrachten wir einen Fall mit einer Täter/Opfer-Mischspur M mit drei Allelen a, b, c. Das Opfer O besitzt den Genotyp AB, und der Beschuldigte B den Genotyp BC. Die Hypothesen sind, wie folgt, zu formulieren:

Hypothese H A : Die Spur M stammt vom Opfer O und vom Beschuldigten B.

Hypothese H V : Die Spur M stammt vom Opfer O und von einer unbekannten und mit dem Beschuldigten nichtverwandten Person.

Betrachten wir zunächst den Zähler des Likelihood-Quotienten. Aus Sicht der Anklage lässt sich die Spur allein aus den Genotypen des Opfers und des Beschuldigten erklären, es gibt keine nichtzuzuordnenden Allele. Also wird der Ausdruck

L (M | HA) = L (M | Gb, Go) = 1

Aus Sicht der Verteidigung jedoch kann nur der Genotyp des Opfers nicht angezweifelt werden. Der Genotyp des Beschuldigten spielt hier keine Rolle, denn die Anwesenheit des Allels c muss durch einen unbekannten Spurenleger erklärt werden. Da das Allel c sowohl homozygot als auch heterozygot mit a oder b auftreten kann, ergibt der Nenner aus der Summe dieser möglichen Genotypen als

L (M | HV) = (M | Go) = 2ac + 2bc + c2

und somit der gesamte Ausdruck als

$$ {\text{LQ}} = \frac{1} {{2{\text{ac}} + 2{\text{bc}} + {\text{c}}^{2} }} $$

Bei einer angenommenen Allelfrequenz von 0,1 für a, b, c ergibt sich:

$$ {\text{LQ}} = \frac{1} {{0,02 + 0,02 + 0,01}} = \frac{1} {{0,05}} = 20 $$

Das Ergebnis dieser Betrachtung kann durch die folgende Aussage zusammengefasst werden: Das DNA-Profil der Spur lässt sich 20-mal besser dadurch erklären, dass es von O und B stammt, als dass es von O und einer unbekannten (und mit B nichtverwandtenFootnote 4) Person stammt.

B.2 Komplexes Szenario

Betrachten wir einen Fall mit einer Sekret-Mischspur M mit vier Allelen a, b, c, d von der Kleidung des Opfers. Die Allele des Opfers O sind e, f und somit nicht in der Spur vertreten. Es gibt einen Beschuldigten B1 mit dem Genotyp AB, allerdings keine 2. Person, denen die Allele c, d zugeordnet werden könnten. Die Hypothesen sind daher, wie folgt, zu formulieren:

Hypothese H A : Die Spur M stammt vom Beschuldigten B1 und einer unbekannten Person.

Hypothese H V : Die Spur M stammt von zwei unbekannten Personen.

Aus Sicht der Anklage lässt sich die Spur aus dem Genotyp von B1 und einer unbekannten Person erklären, die den Genotyp CD besitzt:

L (M | HA) = (M | G b1) = 2 cd

Aus Sicht der Verteidigung gibt es keinen bekannten Genotyp, vielmehr muss die Summe aller möglichen heterozygoten 2-Personen-Genotyp-Kombinationen aus a, b, c, d zu Grunde gelegt werden (Tab. 1)

Tab. 1 Heterozygote 2-Personen-Genotyp-Kombinationen

und nach Kürzen somit der gesamte Ausdruck als

$$ {\text{LQ}} = \frac{{2{\text{cd}}}} {{24{\text{abcd}}}} = \frac{1} {{12{\text{ab}}}} $$

Bei einer angenommenen Allelfrequenz von 0,1 für a, b, c, d ergibt sich:

$$ {\text{LQ}} = \frac{1} {{0,12}} = 8,3 $$

Damit lässt sich das DNA-Profil der Spur 8-mal besser dadurch erklären, dass es von B1 und einer unbekannten Person stammt, als dass es von zwei unbekannten Personen stammt.

Wenn das gleiche Szenario mit zwei Beschuldigten B1 und B2 mit den Genotypen AB und CD betrachtet wird, ändert sich der LQ dadurch, dass es jetzt keine unbekannten Personen mehr im Szenario HA gibt.

Hypothese H A : Die Spur M stammt von den Beschuldigten B1 und B2.

Hypothese H V : Die Spur M stammt von zwei unbekannten Personen.

Damit nimmt der LQ im Zähler den Wert 1 an. Der Quotient kann dann nicht mehr gekürzt werden, sodass der LQ sich, wie folgt, ergibt:

$$ {\text{LQ}} = \frac{1} {{24{\text{abcd}}}} = \frac{1} {{0,0024}} = 416,7$$

Damit lässt sich das DNA-Profil der Spur 416-mal besser dadurch erklären, dass es von B1 und B2 stammt, als dass es von zwei unbekannten Personen stammt.

Hinweis: Für dieses Beispiel sind noch weitere Szenarien zu betrachten, die hier nicht dargestellt sind, aber im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein können, wie z. B. a) HA: Spur stammt von B1 und B2; HV: Spur stammt von B1 und Unbekannt, bzw. b) HA: Spur stammt von B1 und B2; HV: Spur stammt von B2 und Unbekannt. Je nach Häufigkeit der jeweiligen Genotypen von B1 und B2 können hieraus sehr unterschiedliche LQs resultieren.

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Schneider, P.M., Fimmers, R., Keil, W. et al. Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur Bewertung von DNA-Mischspuren. Rechtsmedizin 16, 401–404 (2006). https://doi.org/10.1007/s00194-006-0411-1

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