Erschienen in:
01.03.2005 | Originalien
Mittelalterliche rituelle Beschneidungsszenen als Spiegelbild politisch-gesellschaftlicher Verhältnisse
verfasst von:
Prof. Dr. R. A. Pust, C. Drost, H. Willerding, T. Bschleipfer
Erschienen in:
Die Urologie
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Ausgabe 3/2005
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Zusammenfassung
Die rituelle Beschneidung männlicher Nachkommen gilt als einer der ältesten operativen Eingriffe. Während Zirkumzisionsdarstellungen bislang zumeist nur im künstlerisch-religiösen Kontext interpretiert wurden, versucht diese Studie zudem einen Einfluss politisch-sozialer Zeitgegebenheiten nachzuweisen.
Künstlerische Zeitdokumente der Ikonographie des gesamten Mittelalters aus Deutschland, Frankreich, Italien und Ost-Rom wurden kritisch hinterfragt. Berücksichtigung fand weiterhin der, erst kürzlich nach Frankfurt/ Oder zurückgegebene, Glasfensterzyklus von St. Marien, welcher u. a. die Beschneidung des „Antichrist“ zeigt.
Besonders in der klerikalen Kunst des 15./16. Jahrhunderts sieht man vermehrt rituelle Beschneidungsszenen, welche die politischen, ökonomischen und sozialen Spannungen der Bevölkerungsgruppen nicht selten kritisch-polemisch wiederspiegeln. Die oben genannte Ikonographie zeigt vielerorts eine Ablehnung der rituellen Zirkumzision (CC) sowie Kritik an ihren Glaubensvertretern. Auch die Beschneidungsszene des „Antichrist“ könnte tendenziell kritisch interpretiert werden. Medizinhistorische Aufarbeitungen zu letzterem Kunstwerk fanden sich bisher nicht.
Die vorgelegte Studie erweitert die Betrachtungsweise bisher rein künstlerischer und religiös erörterter CC-Darstellungen. Ein entscheidender Einfluss durch die veränderten politisch gesellschaftlichen Gegebenheiten, besonders im Hochmittelalter, erscheint nachvollziehbar.