Erschienen in:
01.03.2015 | Arzneimittel
Mögliche Gentoxizität chinesischer Arzneidrogen und Konsequenzen für die Schwangerenbehandlung
verfasst von:
Dr. med. Axel Wiebrecht
Erschienen in:
Chinesische Medizin / Chinese Medicine
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Ausgabe 1/2015
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Zusammenfassung
Unter verschiedenen Risiken, die bei einer Arzneitherapie in der Schwangerschaft zu beachten sind, ist auch das der Gentoxizität. Die Problematik ist keineswegs nur für die Schwangerschaft von Bedeutung, hat aber für diese eine besondere Brisanz, und das gilt ebenso für die Fertilitätsbehandlung. Von der TCM-Welt ist dieses Risiko bisher kaum wahrgenommen worden, obwohl dazu eine beachtliche Menge an Daten, vorwiegend aus der chinesischen Literatur, vorliegt. Für eine Arzneidroge, nämlich Coptidis rhizoma (Huanglian), ist in einer großen Studie aus Taiwan gezeigt worden, dass Kinder im Alter von durchschnittlich 14,9 Jahren vermehrt Tumoren entwickelten, wenn die Mütter in der Schwangerschaft diese Droge eingenommen hatten. Doch Daten aus epidemiologischen Studien am Menschen oder aus Langzeit-Carcinogenitätsstudien am Tier, die den Goldstandard darstellen, sind für die chinesische Medizin die Ausnahme. In der Regel ist man gezwungen, auf In- vitro- oder In-vivo-Daten aus Mutagenitäts- oder Gentoxizitätsstudien zurückzugreifen, um das cancerogene Risiko einzuschätzen. Diese sind nur bedingt auf die therapeutische Situation in der Schwangerschaft übertragbar.
Es werden vorliegende Daten aus Mutagenitäts- oder Gentoxizitätstestungen für 30 schwangerschaftsrelevante Drogen dargestellt. Die Resultate sind überwiegend negativ, teilweise widersprüchlich, teilweise auch positiv. Unter den Testverfahren ist eine Hierarchie zu beachten. Ein positiver Gentoxizitätstest bedeutet nicht gleich, dass ein signifikantes Cancerogenitätsrisiko bestehen muss. Viele Lebensmittel enthalten ebenfalls Inhaltsstoffe, für die gentoxische oder cancerogene Eigenschaften nachgewiesen wurden. Idealerweise sind für eine Risikobestimmung auch antimutagene Effekte zu berücksichtigen, und es ist eine Quantifizierung des Risikos vorzunehmen. Dafür fehlen im Bereich der chinesischen Medizin allerdings derzeit die Voraussetzungen. Im Zweifelsfall ist, und das gilt besonders für die Schwangerschaft, der Grundsatz „safety first“ zu beachten. Für die 30 schwangerschaftsrelevanten Arzneidrogen wird eine Einschätzung des gentoxischen Risikos vorgenommen. Ferner werden Drogen mit besonderem gentoxischem bzw. cancerogenem Risiko aufgeführt, von deren Anwendung in der Schwangerschaft abzuraten ist. Eine derartige Einschätzung ist teilweise subjektiv und im Fluss befindlich und wird sich sicherlich durch die Generierung neuer Daten in der einen oder anderen Richtung ändern müssen. Für eine Beurteilung der Schwangerschaftsrisiken der chinesischen Arzneitherapie hat sich in Deutschland die Arbeitsgruppe Sicherheit der Chinesischen Arzneitherapie in der Schwangerschaft (ASCAS) gebildet.