Erschienen in:
01.03.2016 | Psychoanalyse | Originalarbeit
Prozedurale Faktoren in der psychoanalytischen Behandlung
Übertragung und Enactment aus intersubjektiver Sicht
verfasst von:
Prof. Dr. med. Michael Ermann
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 1/2016
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Zusammenfassung
Das traditionelle Konzept des Agierens und Mitagierens wurde in der amerikanischen Psychoanalyse vor dem Hintergrund intersubjektiver Ansätze als Enactment neu konzipiert. Hatte man bei der Behandlung von klassischen Neurosen darin einen Widerstand gesehen, der für eine erfolgversprechende Analyse aufgelöst werden musste, so erkannte man jetzt im Enactment kreative präverbale Ausdruckformen verschütteter prozeduraler Erfahrungen, die im regressiven Zustand und bei strukturellen Störungen zum Vorschein kommen. Sie erschaffen Szenen präverbaler Kommunikation, in denen der Analytiker in die innere Erlebniswelt einbezogen wird. Darin liegt ein hohes reparatives Potenzial. Es kann für die Neuerfahrung und Nachentwicklung nutzbar werden, wenn man sich als Koakteur in solche Szenen verstricken lässt, das Beziehungsangebot der Patienten annimmt und zu Lösungen aus der Verstrickung beiträgt. Das setzt allerdings ein umfassenderes als das traditionelle Übertragungskonzept voraus. Es betont vor allem die Mitgestaltung des analytischen Prozesses durch die Aktivität des Analytikers und erkennt als konstitutiven Faktor im Prozess seine Eigenübertragung an. Darüber gelangt man zu einer Neudefinition der Abstinenz im Sinne einer selektiven Abstinenz, die heute für den entwicklungsfördernden Umgang in der psychoanalytischen Behandlung charakteristisch ist.