Erschienen in:
01.05.2010 | übersicht
Sexueller Sadismus und Sexualkriminalität
verfasst von:
Prof. Dr. med. Wolfgang Berner, PD Dr. med. Peer Briken
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 2/2010
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Zusammenfassung
Die von Krafft-Ebing geschaffene Kategorie des Sadismus hat sich in den letzten hundert Jahren als ein vielgestaltiges Phänomen dargestellt, das von ganz harmlosen symbolischen und ritualisierten Gesten der Unterwerfung bis zu tödlich endenden Gewalthandlungen reicht, die mit großer Impulsivität oder in lang hingezogenen, von vielen Fantasien und Ritualen begleiteten Handlungen ablaufen können. So vielgestaltig das Phänomen selbst ist, so unterschiedlich sind Entstehungsbedingungen und Ursachen. Wenn es auch nur wenige Überschneidungen zwischen Vorlieben, die heute von den Betroffenen mit dem beschreibenden Akronym BDSM („bondage & discipline, dominance & submission, sadism & masochism“) bezeichnet werden, und dem forensisch bedeutsamen „schweren Sadismus“ gibt, so gibt es doch auch Brücken zumindest in den beteiligten Fantasien. Aufgrund eigener Erfahrungen mit Sadismus im forensischen Kontext treten die Autoren für die im geplanten Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders- (DSM-)V vorgeschlagenen Neuformulierungen und besonders für eine diagnostische Trennung von Sadismus und Masochismus ein. Sadismus trifft man wesentlich häufiger im forensischen Kontext und dort nur selten in Verbindung mit Masochismus, eher mit der sadistischen Persönlichkeitsstörung, der antisozialen und der Borderline-Störung. Masochistische Störungen werden zwar von Patienten im psychiatrischen Kontext berichtet, sind dort aber wieder kaum mit Sadismus, sondern eher mit Depression und dependenten Persönlichkeitsauffälligkeiten verbunden. Die größtenteils befürwortete Beibehaltung des diagnostischen Begriffs des Sadismus macht nach Meinung der Autoren die Einführung einer Kategorie „paraphilic coercive disorder“ unnötig.
Der diagnostische Begriff ist auch für Therapieplanung und prognostische Einschätzungen wichtig. Dazu fehlen verlässliche Studien mit größeren Gruppen und längeren Verläufen. Es ist aber davon auszugehen, dass bei „schwerem Sadismus“ mit Progredienzzeichen eine medikamentöse Behandlung, u. U. auch mit Antiandrogenen, indiziert sein kann.