So unzuverlässig ist die Dermatoskopie

Viele der beim Hautkrebs-Screening eingesetzten Kriterien für die Dermatoskopie sind offenbar nur begrenzt aussagekräftig und werden von den Untersuchern zudem ganz unterschiedlich bewertet. New Yorker Forscher fordern bessere, einheitliche Algorithmen. Harmloser Nävus oder gefährliches Melanom? Dass der Dermatologe oder auch der Hausarzt bei der Zuordnung von Hautveränderungen im Rahmen des Hautkrebs-Screenings richtig liegt, kann für den Patienten von lebenswichtiger Bedeutung sein. Umso bedauerlicher, dass es bisher nicht gelungen ist, einheitliche und verlässliche Kriterien für die Dermatoskopie festzuschreiben, nach denen man zwischen melanozytären und nicht melanozytären Läsionen differenzieren kann. Wie unterschiedlich dermatoskopische Kriterien selbst innerhalb einer Gruppe von erfahrenen Untersuchern gehandhabt werden und wie unterschiedlich auch die Aussagekraft der verschiedenen für die Dermatoskopie verwendeten Algorithmen ist, haben Forscher aus dem renommierten Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York gezeigt. Teilnehmer mit durchschnittlich zwölf Jahren Berufserfahrung An ihrer Internet-basierten Studie nahmen 130 Untersucher teil; im Schnitt hatten diese zwölf Jahre dermatologische Berufserfahrung (56,2% waren Dermatologen, 93,1% gaben an, die Dermatoskopie regelmäßig einzusetzen). Die Teilnehmer hatten sich auf der Website der International Dermoscopy Society (IDS) eingeloggt, wo sie Fotos von 477 Hautläsionen vorfanden, die sie beurteilen sollten. Die Bilder stammten aus zwölf spezialisierten Kliniken aus sieben Nationen, darunter Deutschland, Italien, USA und Australien. In 119 Fällen handelte es sich um Melanome. Die Untersucher bekamen erst eine Nahaufnahme der Hautläsion zu sehen, dann wurde ihnen das Dermatoskopiebild präsentiert. Im Anschluss daran sollten sie angeben, welche Kriterien aus einer umfassenden Liste, zusammengetragen aus den gängigen Algorithmen (ABCD-Regel, CASH, Regel nach Menzies, 7- bzw. 3-Punkte-Checkliste sowie „Chaos and Clues“), für die Läsion zutrafen und welche nicht. Die Liste enthielt sowohl etablierte Kriterien (z. B. Muster, Farbe, Farb- und Muster-Symmetrie, Kantenschärfe) als auch erst kürzlich identifizierte Kriterien mit hoher Spezifität für Melanome (z. B. negatives Pigmentnetz, Chrysalis-Strukturen, polymorphe Gefäße). Alle Untersucher hatten zuvor angegeben, mit welcher Methode sie bei der Dermatoskopie bevorzugt arbeiteten. Insgesamt lagen am Ende der Studie 5670 Einzelauswertungen vor. Bei den Kriterien atypisches Netzwerk, blau-weißer Schleier, Regression und atypische Gefäße stimmten die Teilnehmer in ihrer Beurteilung sehr wenig bis wenig überein, mit einer Intra-Klassen-Korrelation (ICC) zwischen 0,01 und 0,4 (1 steht für perfekte Übereinstimmung). Mittlere Übereinstimmung wurde für Kommagefäße, Abwesenheit von Gefäßen, dunkelbraune Farbe und strukturelle Unregelmäßigkeit gefunden (ICC 0,4 bis 0,6). Diese Kriterien waren am verlässlichsten Am stärksten mit der Diagnose eines Melanoms assoziiert waren folgende Kriterien: ausgeprägte Strukturunregelmäßigkeit (OR 6,6), Muster-Asymmetrie (OR 4,9), nicht organisiertes Muster (OR 3,3), ein Randscore von 5 oder 6 (OR 3,1 bzw. 3,3) und Asymmetrie der Konturen (OR 3,2). Für alle diese ebenso wie für atypische Gefäße und polymorphe Gefäße bestand ein signifikanter Zusammenhang. Dagegen sprachen folgende Punkte eher für einen Nävus: Kommagefäße (OR 0,4), peripheres Netz mit zentraler Hyperpigmentation, globuläres Muster, symmetrisches Muster aus zwei Komponenten, regelmäßige braune Punkte oder Globuli, Abwesenheit von Gefäßen (OR jeweils 0,5); regelmäßiger Farbfleck (OR 0,4) und hellbraune Farbe (OR 0,6). Unter den neu identifizierten Kriterien waren negatives Pigmentnetz (OR 1,4) und weiße glänzende Strukturen (OR 2,5) signifikant mit dem Melanomstatus assoziiert. Bei beiden stimmten die Untersucher jedoch sehr wenig überein. Im direkten Vergleich der Algorithmen hatte die Menzie-Regel die höchste Sensitivität für die Erkennung eines Melanoms (95,1%), die 3-Punkte-Checkliste die geringste (68,9%). Bei der Spezifität lag die ABCD-Regel vorne (59,4%), Chaos and Clues (40,2%) war weit abgeschlagen und Menzie (24,8%) Schlusslicht. Ruf nach besseren Algorithmen „Unsere Ergebnisse bestätigen den Bedarf nach verbesserten Kriterien und Algorithmen“, so die Studienautoren um Cristina Carrera vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center. Diese müssten leicht zu lernen, valide und verlässlich sein. Vor allem sei ein einheitlicher Algorithmus für die Dermatoskopie gefordert. Hierfür müssten die bestehenden Kriterien aber nicht aufgegeben werden; es gehe vielmehr darum, das bestehende Armamentarium in Studien zu schärfen und die Untersucher besser zu schulen. Anschauungsmaterial wird derzeit in einem Projekt der International Skin Imaging Collaboration (https://isic-archive.com/) zusammengetragen. Es steht zu hoffen, dass diese Bemühungen das Hautkrebs-Screening in der Allgemein- und Hautarztpraxis erleichtern werden.

Springer Medizin

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