Wie AMNOG das Angebot an Diabetes-Medikamenten stutzt

Viele der in den letzten Jahren zugelassenen Antidiabetika sind infolge der Neuregelung des Pharmamarkts durch das AMNOG nach kürzester Zeit wieder vom Markt verschwunden. Was gestrichen wurde und welche Neueinführungen eine Chance haben, zu überleben. Das deftige Papst-Zitat zum „spirituellen Alzheimer“ mit den Symptomen „geistige Versteinerung, mangelnde Koordinierung und konstruierte Glaubensüberzeugungen“ lässt sich nach Prof. Stephan Martin sehr treffend auch auf die Gesundheitspolitik anwenden. In Anwendung des 2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) wurde die pharmakologische Therapie beim Typ-2-Diabetes (T2D) auch im letzten Jahr wieder deutlich beschnitten. Nach kurzem Gastspiel wieder verschwunden Als Beispiele für Medikamente, die nach nur kurzem Gastspiel wieder vom Markt genommen wurden, nannte der Düsseldorfer Diabetologe auf dem Praxis Update den SGLT-2-Hemmer Canagliflozin, den GLP-1-Agonisten Lixisenatid und die DPP-4-Hemmer Vildagliptin und Linagliptin. Für alle konnte trotz langer Prüfungen im Vorfeld der Zulassung offenbar erst jetzt gezeigt werden, dass ein Zusatznutzen über vergleichbare Medikamente hinaus nicht existiert. Der „Irrwitz“, so Martin, an der Sache: Viele Patienten mussten nun auf teurere Präparate umgestellt werden. Gretchenfrage nach dem Zusatznutzen Dessen ungeachtet gibt es aktuell wieder eine Reihe von Neuzulassungen. Für Martin besonders erwähnenswert: die Fixkombination aus dem Langzeit-Basalinsulin Insulin degludec und dem GLP1-Analogon Liraglutid; diese ist seit Juni auch für Deutschland zugelassen. In der DUAL-I-Studie (Gough SC et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2014; 2: 885–93) hatte man das Kombipräparat gegen seine jeweiligen Einzelkomponenten getestet. An 1663 mit Metformin (und Pioglitazon) vorbehandelten Patienten hatte man über 26 Wochen beobachtet, wie sich der HbA1c-Wert unter der jeweiligen Therapie verändert. Auf den ersten Blick überrascht das Ergebnis nicht: So wurden mit der Fixkombi deutlich niedrigere Werte erreicht als mit den Einzelpräparaten. „Dies wurde jedoch mit einer geringeren Dosis Insulin und einer geringeren Dosis des GLP1-Agonisten erzielt“, betonte Martin. Dem Experten zufolge spricht dies für eine additive Wirkung. Von Insulin degludec wurde nur 1 IE benötigt, von Liraglutid 0,036 mg. Bei den sekundären Endpunkten führte die vergleichsweise niedrige Insulindosis zu einer geringeren Hypoglykämierate bei vergleichbarer Gewichtszunahme. Für Martin ist dies ein klarer Vorteil, wenngleich die hohen Therapiekosten die Euphorie etwas dämpfen. Weitere Neuheiten in der Behandlung des T2D sind der SGLT-2-Inhibitor Empagliflozin und der GLP-1-Agonist Dulaglutid. Nur für Letzteren gibt es laut IQWiG zumindest „Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen in der Kombination mit einem kurz wirksamen Insulin“. Darüber hinaus hat die U300-Version von Insulin glargin nach positiver Bewertung durch die europäische Zulassungsbehörde (EMA) mittlerweile die Marktzulassung erhalten. Da es sich hierbei lediglich um eine Neuformulierung handelt, unterliegt die Präparation nicht dem AMNOG-Prozedere. Marktrücknahme von Insulin degludec angekündigt Kaum auf dem Markt, ist die Rücknahme für das Basalinsulin Insulin degludec (Tresiba®) schon wieder beschlossene Sache: Am 1. Juli 2015 kündigte die Herstellerfirma Novo Nordisk die Einstellung des Vertriebs in Deutschland ab Ende September dieses Jahres an. Die Firma reagiert damit auf den Spruch der AMNOG-Schiedsstelle, nach dem der Listenpreis für die Arznei auf die Höhe der Kosten einer Therapie mit Humaninsulin festgesetzt wurde. „Es wäre wirtschaftlich nicht tragbar für Novo Nordisk (Tresiba®) zu diesem Preis im deutschen Markt weiter zur Verfügung zu stellen“, so Geschäftsführerin Krisja Vermeylen. Das Medikament erhalten nach Angaben der Firma in Deutschland derzeit rund 40.000 Patienten. Sie alle müssen nun auf eine andere Insulinbehandlung umgestellt werden.

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