Die Gesundheit und medizinische Versorgung von Asylsuchenden werden durch verschiedene Einflussfaktoren strukturiert, die sich zum Teil von den Einflussfaktoren unterscheiden, die für die gesetzlich krankenversicherte Bevölkerung prägend sind [
6]. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Determinanten, die spezifisch für Asylsuchende sind, und solchen, die sich aus ihrer Migrationsgeschichte ergeben und die sie mit anderen Gruppen von Migrant/-innen teilen. Im Folgenden wird der Fokus auf Erstere gesetzt, während Letztere nur skizziert werden. Eine ausführliche Darstellung der Determinanten der Gesundheit von Migrant/-innen findet sich in dem entsprechenden Beitrag in diesem Heft.
Statusspezifische Determinanten
Asylsuchende sind in Deutschland einer Reihe rechtlicher Sonderregeln unterworfen, die sich aus ihrem Aufenthaltsstatus ergeben: Ihr Zugang zum Arbeitsmarkt ist eingeschränkt; sie können ihren Wohnort und ihre Wohnung nicht frei wählen; ihr Recht auf Familiennachzug ist aufgehoben; sie unterliegen bestimmten Meldepflichten und sie haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sondern beziehen reduzierte Leistungen nach dem AsylbLG [
7].
Diese rechtliche Sonderstellung wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren in mehreren gesetzgeberischen Schritten hergestellt, welche 1993 im AsylbLG vorerst kulminierten [
8]. Ziel der damaligen Gesetzgebung war es, Deutschland als Migrationsziel möglichst unattraktiv zu machen und durch eine Absenkung des für Asylsuchende zugänglichen Leistungsniveaus Anreize zur Migration nach Deutschland zu mindern und gleichzeitig Kosten zu sparen [
2,
3].
3 Während alle der oben genannten Aspekte mittelbar gesundheitsrelevant sind, sollen sich die folgenden Ausführungen auf 3 Bereiche konzentrieren, zu denen bereits umfassend Literatur mit Gesundheitsbezug vorliegt: das Asylbewerberleistungsgesetz, die Abrechnung medizinischer Leistungen und die Wohnbedingungen von Asylsuchenden.
Das Asylbewerberleistungsgesetz
Die im AsylbLG definierten Regeln gelten aktuell für die ersten 18 Monate des Aufenthaltes in Deutschland oder bis eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. In diesem Zeitraum rechnen behandelnde Ärztinnen und Ärzte mit dem zuständigen Sozialamt (und nicht der Krankenkasse) ab [
11,
12].
Der Kanon der durch das Sozialamt zu erstattenden medizinischen Leistungen ergibt sich dabei aus 2 Paragraphen des AsylbLG, den Paragraphen 4 und 6: Im § 4 AsylbLG wird die Kostenübernahme für die Behandlung von akuten und schmerzhaften Erkrankungen, Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen und für Behandlungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt festgelegt, womit eine medizinische Basisversorgung garantiert werden soll [
13,
14]. Darüber hinausgehende Leistungen wie die Versorgung nichtprogredienter chronischer Erkrankungen, Hilfs- und Heilmittel, Krankentransport oder Dolmetscher können nach § 6 AsylbLG ebenfalls gewährt werden, sofern sie „im Einzelfall zur Sicherung … der Gesundheit unerläßlich“ sind.
Der an sich juristisch und (medizin‑)ethisch bereits hoch problematische Ansatz, Asylsuchende aus dem Bezug von Sozialleistungen auszugliedern [
15,
16], wird dadurch noch problematischer, dass beide für die medizinische Versorgung unmittelbar relevanten Paragraphen durch ein hohes Maß an Ermessensspielraum gekennzeichnet sind: Einerseits ist der Tatbestand der „akuten Erkrankung“ juristisch nicht definiert, sodass im Einzelfall fraglich ist, welche Behandlungsanlässe von § 4 erfasst sind. Andererseits ist auf der Rechtsfolgenseite die Ausgestaltung der „sonstigen Leistungen“ nicht konkretisiert und deren Gewährung zudem in das Entschließungsermessen des Sozialamtes gestellt [
17].
Dieses für das deutsche Recht ungewöhnlich große Maß an Ermessen birgt die Gefahr, dass durch Unterschiede in der Ausgestaltung des Ermessens die Rechtssicherheit leidet. Dass unterschiedliche Sozialämter ihr Ermessen unterschiedlich nutzen, führt dazu, dass in vielen Fällen der „Zufall über den Zugang zur Gesundheitsversorgung bestimmt“ [
18], was gerechtigkeitstheoretische Fragen aufwirft [
19].
Um dem entgegenzuwirken, gilt der Grundsatz, dass die Ausgestaltung von Ermessen an der Absicht des Gesetzgebers orientiert sein soll [
17,
20]. Bezogen auf das AsylbLG ist dieser Grundsatz aber in zweifacher Hinsicht problematisch:
Erstens zeichnet sich das AsylbLG im Vergleich zu anderen Gesetzen durch ein besonders hohes Maß an Ermessen und unbestimmten Tatbeständen aus. Dies erklärt sich daraus, dass das Ermessen in diesem Fall nicht primär auf die Sicherstellung von Einzelfallgerechtigkeit abzielt, sondern vielmehr der politischen Kontroverse um das Gesetz Rechnung trägt [
17]. Offensichtlich war die Formulierung des Gesetzestextes von der Absicht getragen, politisch nicht konsensfähige Entscheidungen an die Verwaltung und den Einzelfall zu delegieren [
21,
22]. Dadurch fehlt dem AsylbLG ein klar formulierter Wille des Gesetzgebers als Richtschnur für die Ausgestaltung des Ermessens und der diskretionären Macht der Verwaltung [
22]. Schon aus theoretischen Überlegungen heraus muss daher eine „große Vielfalt der Umsetzungspraxis“ [
22] vermutet werden, die sich in empirischen Studien auch bestätigt [
18,
23].
Zweitens hat sich durch die jüngere Rechtsentwicklung der juristische Kontext des AsylbLG geändert, wodurch eine Neuinterpretation dessen nötig wird, was als vermutete Absicht des Gesetzgebers gelten soll und daher als Interpretationsleitlinie zur Orientierung des Ermessens herangezogen werden muss [
24,
25]: So urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012, dass das AsylbLG in seiner damaligen Form verfassungswidrig war und die migrationspolitisch motivierte Einschränkung von Leistungen nicht mit der im Grundgesetz garantierten Menschenwürde zu vereinbaren ist [
2]. Zudem ergibt sich aus der Ratifizierung der EU-Aufnahmerichtlinie die Notwendigkeit, das deutsche Recht mit dem EU-Recht zu harmonisieren [
26]. Da dies bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist im Juli 2015 nicht erfolgt ist, sehen richtungsweisende Urteile mehrerer Landessozialgerichte die Notwendigkeit, dass das Ermessen in der Anwendung des AsylbLG nun so genutzt werden muss, dass Verfassungs- und Richtlinienkonformität hergestellt wird [
27,
28]. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Kanon der „sonstigen Leistungen“ sich regelhaft am Leistungskanon der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu orientieren hat [
25].
Im Alltag zeigt sich jedoch, dass diese jüngere Rechtsentwicklung von vielen Sozialämtern nicht umgesetzt wird [
29], was zu ausgeprägten regionalen Unterschieden in der Kostenübernahmepraxis und in der Folge zu regionalen Unterschieden im Kanon der vom Kostenträger übernommenen medizinischen Leistungen führt [
18].
Neben der Beförderung regionaler Ungleichheit wirkt die mit der Kostenübernahme verbundene Unsicherheit zudem in die Ärzteschaft hinein und befördert dort die Wahrnehmung, dass Asylsuchende eine „andere Kategorie“ von Patienten darstellen, deren Versorgung separaten Prinzipien folgt. Im Ergebnis lässt sich beobachten, dass Ärztinnen und Ärzte ihren Patient/-innen unter Verweis auf das AsylbLG Leistungen verweigern, auf die diese einen Rechtsanspruch haben [
23,
30].
Die Abrechnung medizinischer Leistungen
Neben den regionalen Unterschieden im Umgang mit dem Ermessen im AsylbLG gibt es auch in der Organisation der Abrechnung von Leistungen und – damit verbunden – der Organisation des Zugangs zum Gesundheitssystem verschiedene Ansätze: die Abrechnung über Gesundheitskarten analog zu gesetzlich Krankenversicherten (das sog. Bremer Modell), die quartalsweise Ausgabe von Behandlungsscheinen und die anlassbezogene Ausgabe von Behandlungsscheinen [
31].
Im „Bremer Modell“ erhalten Asylsuchende bereits kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland eine Gesundheitskarte [
32]. Damit können sie medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, wobei der Leistungskanon bis auf wenige Ausnahmen dem der GKV ähnelt [
33,
34]. Die Abrechnung erfolgt analog zu gesetzlich krankenversicherten Patient/-innen mit der Krankenkasse, die sich die ausgelegten Kosten dann vom zuständigen Sozialamt erstatten lässt. In diesem Modell sind die logistischen Barrieren im Zugang zu medizinischer Versorgung am niedrigsten [
35,
36] und die Verwaltungskosten am geringsten [
24].
Die beiden anderen Vorgehensweisen gleichen sich darin, dass Asylsuchende keine Gesundheitskarte erhalten, sondern ihren Status durch vom Sozialamt ausgehändigte Behandlungsscheine nachweisen. Der Behandlungsschein wird den behandelnden Ärzt/-innen vorgelegt und die Behandlung dann beim zuständigen Sozialamt abgerechnet [
37]. Medizinische Leistungen, die nach § 4 AsylbLG vom Sozialamt übernommen werden müssen, können ohne vorherige Rücksprache mit dem Sozialamt erbracht und dann abgerechnet werden. Bei Behandlungen, die nach § 6 AsylbLG vom Sozialamt übernommen werden können, muss vor Beginn der Behandlung ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden, wenn die Behandlungskosten vom Sozialamt getragen werden sollen. Wird die Kostenübernahme nicht vor Behandlungsbeginn beantragt und genehmigt, kann das zuständige Sozialamt die Kostenübernahme verweigern [
38].
Im Fall der quartalsweisen Ausgabe der Behandlungsscheine werden diese zu Quartalsbeginn an die Asylsuchenden ausgegeben und können dann im Krankheitsfall sofort verwendet werden [
15,
37]. Damit wird sichergestellt, dass Asylsuchende im Krankheitsfall direkt ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen können, ohne zuvor erst das Sozialamt aufsuchen zu müssen und ggf. von dessen Öffnungszeiten abhängig zu sein.
Im Fall anlassbezogener Behandlungsscheine hingegen müssen die Behandlungsscheine im konkreten Krankheitsfall bei dem zuständigen Sozialamt beantragt werden und werden erst ausgegeben, nachdem das Sozialamt die Notwendigkeit einer Behandlung geprüft hat [
23,
39].
Neben der damit einhergehenden Stigmatisierung der Patient/-innen [
23,
39] impliziert dieses Vorgehen, dass in diesen Fällen der Zugang zu medizinischer Versorgung in hohem Maße von der Entscheidung medizinischer Laien abhängig ist. Dies wird von vielen Seiten, u. a. von der Bundesärztekammer, seit vielen Jahren kritisiert [
40], da hieraus erhebliche Barrieren entstehen, die den Zugang zu medizinischer Versorgung erschweren und den Behandlungsbeginn verzögern [
23,
39], wobei das Ausmaß der Erschwernis vom zufällig zugewiesenen Wohnort abhängt [
18].
Wohnbedingungen
Asylsuchenden wird jedoch nicht nur ihr Wohnort vorgeschrieben, sondern auch die Unterbringung in bestimmten Unterkünften. Während es an einigen Orten Ansätze gibt, Asylsuchende in eigenen Wohnungen unterzubringen, ist die Unterbringung in Sammelunterkünften im Allgemeinen nach wie vor die Norm [
41]. Hierbei zeigt sich, dass viele Asylsuchende in Sammelunterkünften mit niedriger baulicher Qualität leben [
42] und die Sammelunterkünfte überdurchschnittlich häufig in deprivierten Stadtteilen liegen, in denen der Zugang zu gesellschaftlicher Infrastruktur schlecht und der soziale Problemdruck hoch ist [
43].
So müssen die Bewohner/-innen häufig weite Wege zurücklegen, um medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen [
23]. Zudem werden soziale Integration, der Erwerb der deutschen Sprache und eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten – Faktoren, deren gesundheitsfördernde Bedeutung unstrittig ist – durch die geographische Lage der Sammelunterkünfte häufig erschwert oder verhindert [
44].
Qualitative Arbeiten zeigen entsprechend, dass der Mangel an Freizeitaktivitäten und Privatsphäre die Bewohner/-innen von Sammelunterkünften belastet und zu Konflikten führt [
45,
46]. Sammelunterkünfte werden von den Bewohner/-innen häufig als „totale Institutionen“ beschrieben, die ihr Leben fremdbestimmen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit unterdrücken [
45]. Neben dem sozialen Arrangement der Unterkünfte liegt dies auch an der gebauten Umwelt der Einrichtungen, bei denen es sich zum Teil um frühere Kasernen handelt, die in ihrer Architektur auf die Disziplinierung der Bewohner/-innen ausgerichtet sind [
45,
47].
Während der COVID-19-Pandemie haben sich diese Zustände noch weiter zugespitzt. Obwohl das
Kompetenznetz Public Health COVID-19 in seinen Empfehlungen für das Pandemiemanagement in Sammelunterkünften für Geflüchtete explizit von Kollektivquarantäne abgeraten hat [
48], wurde dieses epidemiologisch vermutlich unwirksame Mittel vielfach eingesetzt [
49,
50] und war für die Bewohner/-innen der Einrichtungen mit besonderen Belastungen verbunden [
46,
51]. Insbesondere der verstärkte Einsatz von Sicherheitspersonal und Polizei evozierte Erinnerungen an die Situation in polizeistaatlichen Herkunfts- oder Transitländern und näherte die Situation in Sammelunterkünften aus Sicht der Bewohner/-innen an die Verhältnisse in Gefängnissen an [
46]. Zudem fielen durch die Pandemiemaßnahmen häufig Unterstützungsangebote weg, die vor der Pandemie darauf abzielten, die Belastungen der Unterbringung in Sammelunterkünften abzufedern [
51].
Weitere Determinanten
Neben diesen Einflussfaktoren, die sich aus dem Aufenthaltsstatus von Asylsuchenden ableiten, gibt es weitere Determinanten, die aus dem im deutschen Gesundheitssystem prävalenten Mangel an diversitätssensibler Versorgung resultieren, der andere marginalisierte Patient/-innen ebenfalls betrifft und sich in der Versorgung von Asylsuchenden vor allem in Bezug auf ihre Navigation im Gesundheitssystem, den Umgang mit Sprachbarrieren und die Konfrontation mit rassistischen und kulturalisierenden Stereotypen zeigt.
Innerhalb des Gesundheitssystems werden Abläufe häufig als selbstverständlich vorausgesetzt und daher nicht expliziert [
23]. Asylsuchende erhalten zudem zu keinem Zeitpunkt im Asylverfahren strukturierte Informationen über die Mechanismen des deutschen Gesundheitssystems [
52], sodass es häufig eine Frage des Zufalls ist, ob Asylsuchende im konkreten Krankheitsfall über die nötigen Informationen verfügen, um z. B. einen Behandlungsschein des Sozialamtes zu bekommen [
23], die ihnen rechtlich zustehenden Leistungen einzufordern [
53] oder die für ihre Beschwerden richtige Ansprechperson innerhalb des Gesundheitssystems zu finden [
52,
53].
Hinzu kommt, dass Kontakte zum Gesundheitssystem häufig durch eine Sprachbarriere geprägt sind, da das deutsche Gesundheitssystem nach wie vor keine Mechanismen zum systematischen und evidenzbasierten Umgang mit sprachdiskordanten Behandlungssituationen etabliert hat [
54]. Studien zeigen, dass professionelles Dolmetschen im Gesundheitssystem die Zufriedenheit von Ärzt/-innen und Patient/-innen verbessert [
55,
56], ungeplante stationäre Aufnahmen vermindert [
57], die Informiertheit der Patient/-innen erhöht [
56,
58], die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen steigert [
56], die Anzahl diagnostischer Tests zur Diagnosestellung senkt [
55,
57] und insgesamt Kosten einspart [
56,
57].
Bisher hat dies jedoch nicht dazu geführt, dass der Einsatz professioneller Dolmetscher/-innen im Alltag selbstverständlich geworden wäre. Zwar gibt es vereinzelt Ansätze, z. B. professionelle Telefon- oder Videodolmetscher in sprachdiskordante Arzt-Patienten-Gespräche einzubinden [
59]. Zumeist werden im klinischen Alltag aber nach wie vor Laien (z. B. Angehörige oder Bekannte der Patient/-innen, Krankenhauspersonal oder zufällig Anwesende) eingesetzt [
60], obwohl in der Literatur aufgrund der hohen Fehlerquote und der niedrigen Qualität der Übersetzung sowie wegen der damit verbundenen Probleme in Bezug auf die Vertraulichkeit einhellig vom Einsatz von Laien abgeraten wird [
58].
Die Etablierung dieser der bestehenden Evidenz zuwiderlaufenden Praxis hat einerseits Abrechnungsgründe, da professionelle Dolmetscher/-innen von der GKV nicht bezahlt werden. Leistungserbringer stehen daher vor der Herausforderung, Dolmetschkosten querfinanzieren zu müssen oder die Kostenübernahme in jedem Einzelfall mit erheblichem administrativen Aufwand bei dem zuständigen Sozialamt bzw. Jobcenter zu beantragen [
61].
Andererseits deutet die stillschweigende Akzeptanz einer erwiesenermaßen zu schlechteren Behandlungsergebnissen führenden Praxis – und die Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für die sich daraus ergebenden Probleme [
30] – auf die Durchdringung klinischen Handelns mit nichtmedizinischen Logiken hin. So betont Fassin [
62] die Bedeutung moralischer Hierarchien in der Versorgung von Asylsuchenden. Diese Hierarchien sind daran gebunden, ob den Patient/-innen im Selbstverständnis des medizinischen Personals zugeschrieben wird, medizinische Versorgung zu verdienen, bzw. ob Versorgungsdefizite sich vor dem Hintergrund der ihnen in der moralischen Hierarchie zugewiesenen Position rechtfertigen lassen [
63]. In der Praxis kann dies dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte in der Versorgung Asylsuchender (oder anderer marginalisierter Patient/-innen) eher bereit sind, von etablierten Versorgungsstandards abzuweichen [
63], wodurch Medizin in den Wirkungskreis ihr zunächst fremder, z. B. politischer Interessen geraten kann [
64]. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Problematik siehe den Beitrag zu strukturellen Determinanten der Gesundheit von Migrant/-innen in diesem Themenheft.