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Klinische Kardiologie
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Publiziert am: 12.09.2022

Infektiöse Endokarditis

Verfasst von: Stefan Frantz
Die infektiöse Endokarditis (IE), eine Infektion von Herzklappen bzw. intrakardialer Implantate, ist eine seltene Erkrankung mit hoher Mortalität. Prädisponierend sind kongenitale Vitien, degenerative Klappenveränderungen und kardiale Implantate. Die Diagnose ist aufgrund sehr unterschiedlicher klinischer Präsentationen oft schwierig. Die Bildgebung v. a. mittels Echokardiografie und Blutkulturen haben deshalb einen zentralen Stellenwert in der Diagnostik. Die häufigsten Erreger der IE sind Staphylokokken, Streptokokken und Enterokokken. Die Therapie erfolgt antibiotisch im Rahmen einer Langzeittherapie, in ca. der Hälfte der Fälle ist eine operative Sanierung nötig. Eine Operationsindikation besteht bei Entwicklung einer Herzinsuffizienz, mangelnder Kontrolle der Infektion durch Antibiotika und zur Verhinderung von Embolien.
Infektiöse Endokarditis (IE) bedeutet die Entzündung der endokardialen Oberfläche des Herzens. Gewöhnlich ist hiermit die Entzündung einer oder mehrere Klappen bzw. intrakardialer Implantate („devices“) gemeint. Die infektiöse Endokarditis ist nach wie vor eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von 7–14 Fällen pro 100.000 (Williams et al. 2021), allerdings vergesellschaftet mit hoher Mortalität (6-Monats-Mortalität ca. 25 %) und schweren Komplikationen. Prädisponierende Faktoren sind kongenitale Vitien, degenerative Klappenerkrankungen und kardiale Implantate. Rheumatische Herzerkrankungen kommen als Ursache in westlichen Ländern praktisch nicht mehr vor. Am häufigsten sind die Mitral- und Aortenklappe betroffen.

Prävention

Eine Endokardits entwickelt sich bevorzugt auf schon vorgeschädigten Klappen oder intrakardialen Implantaten im Rahmen einer Bakteriämie. Eine Endokarditisprophylaxe durch Antibiotika wurde deshalb entwickelt, basierend auf Observationsstudien und Tiermodellen, um das Anhaften von Bakterien im Rahmen einer Bakteriämie nach invasiven Prozeduren zu verhindern. Während zunächst Endokarditisprophylaxen recht großzügig für indiziert gehalten wurden, erfolgte im Jahre 2009 eine starke Fokussierung der Indikation. Hintergrund dieser Überlegung war, dass die Endokarditis selbst selten ist, es auf der anderen Seite aber häufig zu Bakteriämien kommt. Die meisten Fall-Kontroll-Studien konnten außerdem keine Assoziation von z. B. zahnärztlichen Eingriffen und Endokarditis zeigen. Andere Studien zeigten, dass die Endokarditisprophylaxe die Häufigkeit von Endokarditiden senkt von 1:150.000 auf 1:50.000; insgesamt wären die Anzahl der verhinderten Ereignisse damit sehr gering. Bei diesen niedrigen Ereignisraten fehlen außerdem randomisierte Studien.
Eine Endokarditisprophylaxe ist deshalb nach den aktuellen ESC-Leitlinien (Habib et al. 2015) nur noch bei Hochrisikopatienten und in Hochrisikosituationen empfohlen.
Als Hochrisikopatienten sind nach der Leitlinie definiert:
1.
Patienten mit Klappenprothesen, einschließlich Transkatheterklappen, oder mit rekonstruierten Klappen unter Verwendung prothetischen Materials
 
2.
Patienten nach überstandener Endokarditis
 
3.
Patienten mit angeborenen Vitien:
a.
Jegliche zyanotische Vitien
 
b.
Bis zu 6 Monate nach operativer oder interventioneller Vitienkorrektur unter Verwendung von prothetischem Material oder lebenslang bei residuellem Shunt oder Klappeninsuffizienz
 
 
Die amerikanischen Leitlinien empfehlen nach Herztransplantation eine Endokarditisprophylaxe, was von den europäischen Leitlinien so nicht empfohlen wird.
Hochrisikosituationen, in denen eine Endokarditisprophylaxe indiziert ist, sind zahnärztliche Eingriffe mit Manipulation in der Gingiva oder der periapikalen Zahnregion. Es gibt keine gute Evidenz, dass eine Endkoarditisprophylaxe nötig ist bei Eingriffen am Respirations-, Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt oder bei dermatologischen Prozeduren. Bei Eingriffen an infiziertem Gewebe ist allerdings auch in diesen Bereichen eine Prophylaxe möglich. Eine perioperative Prophylaxe sollte außerdem erwogen werden bei der Implantation von Klappenprothesen, intravaskulären Prothesen, Schrittmacher etc.
Als Antibiotikum für eine Endokarditisprophylaxe werden empfohlen: Amoxicillin oder Ampicillin 30–60 min vor dem Eingriff oral oder i.v. Bei Allergien gegen Penicillin oder Ampicillin wird Clindamycin ebenfalls oral oder i.v. empfohlen.

Diagnose

Die Diagnose einer Endokarditis ist schwierig, da die klinische Präsentation sehr unterschiedlich sein kann. So werden beispielsweise akute, aber auch subakute Verlaufsformen beschrieben. Zu den häufigsten Symptomen zählen Fieber, Herzgeräusche und embolische Ereignisse. Die Patienten haben häufig eine lange Odyssee hinter sich, bis die Diagnose gestellt wird. Laborbefunde sind unspezifisch und zeigen erhöhte Entzündungsmarker. Die laborchemischen Marker korrelieren hierbei oft nicht gut mit der Schwere des klinischen Befalls. So können z. B. Abszesse mit nur moderat erhöhten Akute-Phase-Proteinen einhergehen.
Da Klinik und Labor eher unspezifisch sind, kommt der Bildgebung eine zentrale Rolle zu. Insbesondere die Echokardiografie hat einen zentralen Stellenwert in der Diagnostik, aber auch im Management der Patienten. Die transthorakale Echokardiografie (TTE) sollte primär eingesetzt werden. In der Mehrzahl der Fälle (mechanischer Klappenersatz, Endokarditis im TTE nicht sicher auszuschließen, positives TTE, negatives TTE mit weiterhin bestehendem Verdacht auf eine Endokarditis) sollte sich hieran eine transösophageale Echokardiografie anschließen. Echokardiografisch werden als Hauptkriterien für eine infektiöse Endokarditis die Vegetation (siehe Abb. 1), Abszess und eine neue Dehiszenz einer Klappenprothese gewertet.
Hilfreich kann auch die Durchführung einer Herzcomputertomografie (Herz-CT) sein, insbesondere durch den Nachweis von Abszessen oder Pseudoaneurysmen. Nuklearmedizinisch kann insbesondere die Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomografie (18F-FDG PET)/CT bzw. eine Einzelphotonen-Emissionscomputertomografie (SPECT)/CT mit radioaktiv markierten Leukozyten eingesetzt werden zur Detektion einer Endokarditis. Hilfreich ist dies insbesondere bei unklaren echokardiografischen Befunden, wie z. B. wenn eine Klappenprothese nicht ausreichend einsehbar ist.
Blutkulturen gehören zur zentralen Diagnostik bei infektiöser Endokarditis. Es sollten 3 Paar Blutkulturen im Abstand von 30 min abgenommen werden. Bei einer infektiösen Endokarditis kommt es zu einer kontinuierlichen Bakteriämie. Eine Blutkulturabnahme nur bei steigender Temperatur ist deshalb nicht nötig. Auch sollten deshalb alle Blutkulturen den Keimnachweis erbringen. Sollte nur eine Blutkultur positiv werden, ist eher eine Verunreinigung wahrscheinlich. 90 % der Blutkulturen erbringen ein Keimwachstum. Grampositive Bakterien machen ca. 80 % der Infektionen aus. Vor allem Staphylokokken, Streptokokken (viridans, gallolyticus, u. a.) und Enterokokken sind häufig nachzuweisen. Sollten die Blutkulturen negativ sein, ist das zumeist auf eine vorangegangene Antibiotikagabe zurückzuführen oder aber viel seltener auf Mikroorganismen, die schlecht oder nicht in der Blutkulturmedien wachsen (z. B. Bartonellen, Brucella, Legionellen). Für diese seltenen Keime stehen serologische oder molekulare Testmethoden zur Verfügung. Blutkulturen sollten 48–72 h nach Beginn der Antibiose wiederholt werden, um die Effektivität der antibiotischen Therapie zu kontrollieren.
Letztlich setzt sich also die Diagnose einer infektiösen Endokarditis (Abb. 2) aus unterschiedlichen Befunden der Klinik und der Zusatzuntersuchungen zusammen. Die Duke-Kriterien (siehe Box 1) erlauben, hieraus abzuleiten, wie wahrscheinlich die Diagnose einer Endokarditis ist. So handelte es sich um eine sichere Diagnose, wenn 2 Haupt-, 1 Haupt- und 3 Neben- bzw. 5 Nebenkriterien positiv sind, um eine mögliche Endokarditis, wenn 1 Haupt- und 1 Neben- oder 3 Nebenkriterien positiv sind. Alle anderen Konstellationen machen eine infektiöse Endokarditis eher unwahrscheinlich.

Modifizierte Duke-Kriterien

Box 1 Modifizierte Duke-Kriterien. (Aus der Pocket-Leitlinie der DGK von 2016)
Hauptkriterien
1.
Blutkulturen positiv für eine IE
a.
Endokarditis-typische Mikroorganismen in 2 unabhängigen Blutkulturen:
i.
Viridans-Streptokokken, Streptococcus gallolyticus (S. bovis)
 
ii.
HACEK-Gruppe (Haemophilus parainfluenzae, H. aphrophilus, H. paraphrophilus, H. influenzae, Actinobacillus actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella kingae und K. denitrificans.)
 
iii.
Staphylococcus aureus; oder
 
iv.
ambulant erworbene Enterokokken, ohne Nachweis eines primären Fokus; oder
 
 
b.
Mikroorganismen vereinbar mit einer IE in anhaltend positiven Blutkulturen:
i.
Mindestens zwei positive Kulturen aus Blutentnahmen mit mindestens 12 Stunden Abstand; oder
 
ii.
jede von drei oder eine Mehrzahl von ≥4 unabhängigen Blutkulturen (erste und letzte Probe in mindestens einer Stunde Abstand entnommen); oder
 
 
c.
Eine einzelne positive Blutkultur mit Coxiella burnetii oder Phase-I-IgG-Antikörper-Titer >1:800
 
 
2.
Bildgebung positiv für eine IE
a.
Echokardiogramm positiv für IE: Vegetation, Abszess, Pseudoaneurysma, intrakardiale Fistel, Klappenperforation oder Aneurysma, neue partielle Dehiszenz einer Klappenprothese
 
b.
Abnorme Aktivität in der Umgebung der implantierten Klappenprothese nachgewiesen im 18F-FDG-PET/CT (nur wenn die Prothese vor mehr als 3 Monaten implantiert wurde) oder im SPECT/CT mit radioaktiv markierten Leukozyten
 
c.
Im Herz-CT definitiv nachgewiesene paravalvuläre Läsionen
 
 
Nebenkriterien
1.
Prädisposition: Prädisponierende Herzerkrankung oder intravenöser Drogenabusus
 
2.
Fieber: Körpertemperatur >38 °C
 
3.
Vaskuläre Phänomene (einschließlich solcher, die nur in der Bildgebung detektiert wurden): schwere arterielle Embolien, septische Lungeninfarkte, mykotisches Aneurysma, intrakranielle Blutungen, konjunktivale Einblutungen, Janeway-Läsionen
 
4.
Immunologische Phänomene: Glomerulonephritis, Osler-Knoten, Roth-Spots, Rheumafaktoren
 
5.
Mikrobiologischer Nachweis: Positive Blutkulturen, die nicht einem Hauptkriterium (s. o.) entsprechen, oder serologischer Nachweis einer aktiven Infektion mit einem mit IE zu vereinbarenden Organismus
 

Antibiotische Therapie

Vegetationen schaffen eine Mikroumgebung, die schwer zugänglich ist für die körpereigene Abwehr, teilweise auch für die antimikrobielle Therapie. Die Therapie der IE beruht deshalb auf einer langwierigen Antibiotikatherapie. In ca. der Hälfte der Fälle ist eine operative Sanierung nötig. Als Tag 1 wird die erste negative Blutkultur nach Therapiebeginn gewertet. Die Therapie sollte zeitnah, d. h. sofort nach Abnahme der Blutkulturen erfolgen.
Antibiotikaschemata unterliegen einem Wandel und müssen an die Resistenzen der nachgewiesenen Bakterien angepasst werden. Aktuell sind folgende Schemata nach den aktuellen Leitlinien der ESC (Habib et al. 2015) für Erwachsene empfohlen:

Empirische Initialtherapie

Eine empirische Initialtherapie sollte erfolgen, wenn eine Antibiotikatherapie klinisch notwendig ist bei akut schwerkrankem Patienten, bevor der verursachende Erreger bekannt ist (Tab. 1, 2 und 3).
Tab. 1
Empirische Initialtherapie der Endokarditis bei ambulant erworbene Nativklappenendokarditis oder Klappenprothesenendokarditis, wenn die Klappe vor mehr als 12 Monaten operiert wurde
Antibiotikum
Dosierung
Hinweis
Ampicillin mit
(Flu)cloxacillin mit
12 g/Tag i.v. in 4–6 Dosen
12 g/Tag i.v. in 4–6 Dosen
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
 
Gentamicin
30–60 mg/kg/Tag i.v. in 2–3 Dosen
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
Bei schwerer β-Laktamallergie
Tab. 2
Empirische Initialtherapie bei ambulant erworbener Klappenprothesenendokarditis, wenn die Klappe vor weniger als 12 Monaten operiert wurde
Antibiotikum
Dosierung
Hinweis
Vancomycin mit
Gentamicin mit
Rifampicin
30 mg/kg/Tag i.v. in 2 Dosen
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
900(–1200) mg/Tag i.v. oder oral in 2 oder 3 geteilten Dosen
 
Tab. 3
Antibiotikaregime bei Nativ- und Klappenprothesenendokarditis bei bekanntem Erreger
Erreger
Dosierung
Dosis
Dauer
(Wochen)
Hinweis
Penizillinempfindliche (MHK ≤0,125 mg/l) orale und Verdauungstraktstreptokokken
Penicillin G
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
12–18 Mio. Einheiten (E)/Tag i.v.
4
Standardbehandlung über 4 Wochen
3- bis 4-mal 2–4 g i.v.
4
2–4 g/Tag i.v.
4
Penicillin G
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
kombiniert
mit
Gentamicin
oder
Netilmicin
12–18 Mio. E/Tag i.v.
2
Standardbehandlung über 2 Wochen
3- bis 4-mal 2–4 g i.v.
2
2–4 g/Tag i.v. in 1–2 Dosen
2
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
4–5 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
Vancomycin
30 mg/kg/Tag i.v. in 2 Dosen
4
Bei β-Laktamallergie
Relative penizillinresistente (MHK 0,25–2 mg/l) orale und Verdauungstraktstreptokokken
Penicillin G
oder
Ampicillin
oder
Ceftriaxon
kombiniert
mit
Gentamicin
24 Mio. E/Tag
4
Standardbehandlung
3- bis 4-mal 4 g i.v.
4
2–4 g/Tag i.v. in 1–2 Dosen
4
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
Vancomycin
mit
Gentamicin
30 mg/kg/Tag i.v. in 2 Dosen
4
Bei β-Laktamallergie
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
Nativklappe
Flucloxacillin
12 g/Tag i.v. in 4–6 Dosen
4-6
Methicillinempfindlich
Vancomycin
30–60 mg/kg/Tag i.v. in 2–3 Dosen
4-6
Penizillinallergie oder methicillinresistent
Staphylokokken
Klappenprothese
Flucloxacillin
mit
Rifampicin
und
Gentamicin
12 g/Tag i.v. in 4–6 Dosen
≥6
Methicillinempfindlich
900(–1200) mg/Tag i.v. oder oral
≥6
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
Vancomycin
mit
Rifampicin
und
Gentamicin
30–60 mg/kg/Tag i.v
≥6
Penizillinallergie oder methicillinresistent
900(–1200) mg/Tag i.v. oder oral
≥6
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2
(β-Laktam- und gentamicinempfindliche Stämme)
Ampicillin
mit
Gentamicin
3- bis 4-mal 2–4 g i.v.
4–6
 
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
2–6
Ampicillin
mit
Ceftriaxon
3- bis 4-mal 2–4 g i.v.
6
 
2–4 g/Tag i.v. in 1–2 Dosen
6
Vancomycin
mit
Gentamicin
30 mg/kg/Tag i.v. in 2 Dosen
6
 
3 mg/kg/Tag i.v. in 1 Dosis
6

Definitive Therapie

Die definitive Therapie erfolgt nach Erregernachweis. Eine Nativklappenendokarditis sollte mindestens 2 Wochen (in der Regel 2–6 Wochen), bei Klappenprothesenendokarditis mindestens 6 Wochen, antibiotisch behandelt werden. Mit Ausnahme der Staphylokokkenendokarditis sind die Antibiotikaregime bei Nativ- und Klappenprothesenendokarditis identisch.

Ambulante Therapie

Neuere Studiendaten zeigen, dass bei unkomplizierter IE auch eine ambulante Therapie möglich ist (Iversen et al. 2019). Die Indikation ist allerdings eingeschränkt und hängt davon ab, dass oral gut einsetzbare Antibiotikaregime existieren, dass es sich um einen einfachen Verlauf der IE handelt und dass der Patient individuell hierfür auch in Frage kommt. Die Patienten müssen 2-mal pro Woche für die Dauer der Antibiotikatherapie ambulant gesehen werden, sodass dieses Therapiekonzept in der Praxis in Deutschland nicht einfach umzusetzen ist.

Operative Therapie

Ungefähr 50 % aller Patienten benötigen eine operative Sanierung der infektiösen Endokarditis. Die Absprache hierzu sollte im Herz- oder Endokarditisteam erfolgen, insbesondere um Patienten zu identifizieren, die von einer frühzeitigen Operation profitieren. Es gibt 3 wesentliche Indikationen für eine operative Therapie:
1.
Eine Herzinsuffizienz kann sich insbesondere entwickeln, wenn sich durch die Endokarditis höhergradige Insuffizienzen v. a. der Aorten- oder Mitralklappe ergeben z. B. durch Perforationen (siehe Abb. 3) oder Sehnenfadenriss. Intrakardiale Fisteln und in seltenen Fällen auch Obstruktionen können ebenfalls zu einer Herzinsuffizienz führen. Resultiert hieraus eine hämodynamisch instabile Situation, besteht eine Notfall-OP-Indikation.
 
2.
Unkontrollierte Infektion
Unkontrollierte Infektionen können sich lokal ausbreiten als Abszesse, Fisteln oder auch progrediente Vegetationen. Anhaltend positive Blutkulturen über mehr als 7–10 Tage zeigen ebenfalls an, dass die Infektion nicht unter Kontrolle ist. Auch Pilze lassen sich praktisch nicht alleine durch die Gabe von Antimykotika in den Griff bekommen.
 
3.
Verhinderung von Embolisierungen
Embolisierung ist häufig bei IE. Etwa 20–50 % der Patienten haben embolische Ereignisse. Milz und Gehirn sind die Organe, die am häufigsten betroffen sind. Mobilität und Größe der Vegetation sind die besten Prädiktoren für eine Embolisierung. Patienten mit einer Vegetation von >10 mm haben bereits ein hohes Embolisierungsrisiko. Empfohlen wird eine operative Sanierung bei einer Vegetationsgröße von >10 mm und bereits erfolgtem embolischen Ereignis bzw. bei einer Größe von >15 mm der Aorten- oder Mitralklappe.
 

Infektiöse Endokarditis kardialer Devices

Es gibt eine zunehmende Anzahl an implantierten Devices v. a. in älteren Patienten mit Komorbiditäten. Dies erhöht das Risiko einer Infektion der Devices. Risikofaktoren hierfür sind v. a. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Steroidmedikation und der Gebrauch von Antikoagulanzien.
Die Diagnose einer Infektion des kardialen Implantats ist häufig sehr schwierig und muss bei unklarem Fieber immer erwogen werden. Blutkulturen und die Echokardiografie sind die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen. Radioaktiv markierte Leukozyten und 18F-FDG PET/CT können helfen, die Diagnose zu stellen.
Die antibiotische Therapie erfolgt wie oben dargestellt mit einer Therapiedauer von 4–6 Wochen. Wenn nachgewiesen ist, dass ein kardiales Implantat infiziert ist, muss dieses entfernt werden. Das Belassen des Aggregats ist mit hoher Mortalität und einer hohen Rate einer unzureichenden Sanierung assoziiert.
Literatur
Habib G, Lancellotti P, Antunes MJ, Bongiorni MG, Casalta JP, Del Zotti F, Dulgheru R, El Khoury G, Erba PA, Iung B, Miro JM, Mulder BJ, Plonska-Gosciniak E, Price S, Roos-Hesselink J, Snygg-Martin U, Thuny F, Mas PT, Vilacosta I, Zamorano JL, E. S. C. Scientific Document Group (2015) 2015 ESC Guidelines for the management of infective endocarditis: The Task Force for the Management of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS), the European Association of Nuclear Medicine (EANM). Eur Heart J 36:3075–3128CrossRef
Iversen K, Ihlemann N, Gill SU, Madsen T, Elming H, Jensen KT, Bruun NE, Hofsten DE, Fursted K, Christensen JJ, Schultz M, Klein CF, Fosboll EL, Rosenvinge F, Schonheyder HC, Kober L, Torp-Pedersen C, Helweg-Larsen J, Tonder N, Moser C, Bundgaard H (2019) Partial oral versus intravenous antibiotic treatment of endocarditis. N Engl J Med 380:415–424CrossRef
Williams ML, Doyle MP, McNamara N, Tardo D, Mathew M, Robinson B (2021) Epidemiology of infective endocarditis before versus after change of international guidelines: a systematic review. Ther Adv Cardiovasc Dis 15:17539447211002687CrossRef