Erschienen in:
01.02.2015 | Leitthema
Neugeborenenscreening: ein Paradebeispiel für effektive Sekundärprävention
verfasst von:
Dr. med. U. Nennstiel-Ratzel, MPH, A. Lüders, O. Blankenstein
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 2/2015
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Zusammenfassung
Das Neugeborenenscreening ist eine bevölkerungsmedizinische Präventionsmaßnahme zur frühzeitigen Erkennung von und Therapieeinleitung bei allen Neugeborenen mit behandelbaren Hormon- und Stoffwechselstörungen, die unbehandelt zu schwerer Behinderung oder zum Tod führen können. Ausgewählte Zielkrankheiten müssen die Screeningkriterien von Wilson und Jungner erfüllen. Hochwertige Analyseverfahren gewährleisten eine hohe Sensitivität und Spezifität. Eine hohe Prozessqualität wird durch eine Logistik erreicht, die garantiert, dass allen Neugeborenen das Screening angeboten wird und auffällige Befunde rasch abgeklärt werden. Hierfür sind in einigen Bundesländern Trackingzentralen eingerichtet. Die Prozessqualität des Screenings wird jährlich bundesweit evaluiert und online publiziert. Das Langzeitoutcome bei den betroffenen Kindern wird in Bayern auf Populationsbasis und in Studien an der Universität Heidelberg untersucht. Von 2004 bis 2012 wurden in Deutschland mit 6,1 Mio. Kindern 99 % der Neugeborenen gescreent. Der Anteil an kontrollbedürftigen Befunden lag bei 0,6 %. Eines von 1300 Neugeborenen war von einer Zielkrankheit betroffen. 90 % der Kinder wurden innerhalb der ersten 2 Lebenswochen therapiert. Die Langzeitstudien zeigen einen sehr positiven Effekt des Screenings mit Blick auf den Krankheitsverlauf, die Entwicklung und Lebensqualität der meisten betroffenen Kinder. Identifizierte Herausforderungen sind die Information der Eltern über einen auffälligen Befund sowie die Betreuung jugendlicher Patienten mit geringerer Compliance. Das Neugeborenenscreening ist eine etablierte Präventionsmaßnahme mit hoher Qualität, die durch die kontinuierliche Evaluation der Prozessqualität und des Langzeitoutcomes im Hinblick sowohl auf ethische Kriterien als auch auf die Effektivität gesichert und verbessert wird.