Einleitung
-
Welche Situationen der gesundheitskompetenzunterstützenden Information und Beratung charakterisieren aus Sicht der Pflegefachpersonen die Pflegepraxis, wie werden diese initiiert und welche Themenbereiche adressieren sie?
-
Welche Methoden setzen Pflegefachpersonen bei der gesundheitskompetenzunterstützenden Information und Beratung ein und welche Ziele verfolgen sie damit?
-
Wie erwerben Pflegefachpersonen ihre Informations- und Beratungskompetenz?
Methodik
-
Kontakt mit Informationssituationen,
-
Erfahrungen bei der Unterstützung der Informationssuche von Patient*innen und Angehörigen,
-
Erfahrungen bei der Unterstützung des Verstehens, der Beurteilung und der Anwendung von Informationen,
-
Rahmenbedingungen und Qualifikationsverläufe.
n | |
---|---|
Alter (Jahre MW [Min.–Max.]) | 33,3 (22–54) |
Geschlecht | |
Weiblich | 19 |
Männlich | 2 |
Arbeitssetting | |
Krankenhaus | 14 |
Ambulante Pflege | 7 |
Funktionsweiterbildung absolviert | 3 |
Qualifikation als Praxisanleitung | 2 |
Berufserfahrung (Jahre MW [Min.–Max.]) | 12,4 (2–33) |
Ergebnisse
Situationen der Information und Beratung
Ad-hoc-Informationsvermittlung
„… in der Ausbildung hatte ich das [Beratungsmethoden], aber jetzt hier so auf Station konnte ich das so eigentlich noch nie machen.“ [I17:35]
„Na, das ergibt sich so ganz plötzlich, und dann guckt man eben und reagiert dann direkt und bietet da direkt die passende Information an. Das ist ja dann auch die Erwartung vom Patient, dass man dann eine Antwort kriegt, ehm, und manchmal stimmt auch gerade die Atmosphäre […] und später wüsste ich dann gar nicht, ob ich zeitlich noch dazu komme. Dann lieber gleich erledigen.“ [I04:27]
Entscheidungsbegleitung
„Die [Patient und Angehörige] hatten bestimmte Fragen und wollten sich die Dialysetherapie anschauen. Es ging darum, ob eher Bauchfelldialyse in Frage kommt oder Hämodialyse, also verschiedene Verfahren bei einer gleichwertigen Therapieform. Mmmh, ich bin mit dem Patienten und dem Angehörigen über die Station gegangen und habe mit ihnen verschiedene Verfahren angeschaut und […] erklärt. […]. Genau, die sollten oder der Patient wollte sich für ein Verfahren entscheiden, …“ [I03:21]
Fehlende Wahrnehmung als Informationsvermittler
Initiierung von Informationssituationen
Initiierung durch Patient*innen oder Angehörige
„Bei Diabetes geht’s häufig darum, welche Einheiten verabreicht werden an Insulin. Was für Insulinarten gibt es? Wie wirkt sich Insulin im Körper aus? Muss der Patient eine spezielle Diät einhalten bei der Gabe von Insulin oder auch bevor die Insulingabe nötig ist? Ob die Möglichkeit besteht, mit einer bestimmten Ernährungsweise der Insulingabe vorzubeugen, indem die Patienten so lange wie möglich den Diabetes mit Tabletten behandeln. Das ist ein ganz häufiges Thema.“ [I04:02]
„Sie [Patientin] erzählte dann halt ’mich drückt das so im Bauch. Ach, ich kann so oft nicht auf’s Klo gehen.’ Und das war für mich dann die Vorlage, da genauer nachzufragen und ihr dann passende Infos zu geben, so, auf was sie achten sollte bei der Ernährung, viel Trinken, Bewegung …“. [I07:15]
Initiierung durch Pflegefachpersonen
„Ja, wenn ich sehe, mmh der [dialysepflichtige] Patient übersteigt deutlich sein Idealgewicht, bedeutet, er hat deutlich zu viel Wasser getrunken mmh, dann fällt mir auch wieder ein, schon mal beratend tätig zu werden, indem ich frage, wie kann man ihm noch helfen, die Trinkmenge einzuschränken oder paar Tipps dazu.“ [I18:24]
„Das macht jede Kollegin für sich, wie viel und was sie da Patienten erzählt. Die eine mehr, die andere weniger. Aufschreiben tun wir das nicht alles.“ [I14:13]
Themenbereiche und Ziele
„Wenn es so pflegerische Sachen sind wie (..) wie die Patienten sich nach der OP bewegen dürfen, ob die da etwas essen dürfen, dann ja. So Kleinigkeiten. Aber nichts Gravierendes. Also die gravierenden Fragen werden doch an den Arzt verwiesen.“ [I06:15]
„…, dass er [Patient] den Joghurt und die Suppe in die Trinkmenge einrechnen muss, da hat er sich schwer mitgetan. Also, das zu verstehen und das dann halt auch umzusetzen. Er isst gerade, eehm, gerade den Joghurt, den isst er halt gern. Und hat dann immer gesagt, dass der doch stichfest sei und nicht flüssig. Das war schwer für ihn.“ [I09:22]
Methoden der Informationsvermittlung
„Also, so Instrumente oder dass wir da was aufschreiben, wie jetzt beim Dekubitus zum Beispiel, das machen wir nicht. Also, ich frag nach und verlass mich da auf mein Gefühl. Da kriegt man schon einen Eindruck, ob da einer schon was zu weiß.“ [I17:46]
„Also, wenn die gezielt so Nachfragen stellen und das quasi mit den eigenen Worten wiedergeben können, dann merkt man ja, ob sie es verstanden haben oder nicht. Also es gibt dann Situationen, wo die Leute dann einfach sagen, „ah ja, o.k.“ oder so gucken und dann merkt man also man merkt ja so ein bisschen, ob der mir noch so folgen kann oder nicht …“ [I21:25]
„I: Und nutzen Sie irgendwelche von solchen Materialien, um so die Informationsvermittlung erleichtern zu können?B: Leider nicht. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist so eine uralte Broschüre, um das eine Thema schematisch darzustellen. Aber ansonsten haben wir keine spezifischen Materialen zur Wissensvermittlung.“ [I16:25]
Erwerb von Informationsvermittlungskompetenz
„… das ist Teil der pflegerischen Ausbildung. Da habe ich im Rahmen von verschiedenen Modulen gelernt, dass Beratung, Schulung und Anleitung wichtig ist und in Rollenspielen wird dies auch regelmäßig im Rahmen der Ausbildung durchgeführt, so dass ich gut auf diese Situationen vorbereitet war. […] Aber wenn man erstmal im Beruf ist, gibt es dazu nichts mehr, in den ganzen Jahren. Das kommt mit der Erfahrung in den ganzen Jahren, die du sammelst. […] Das ist irgendwie so ein Prozess, wo man an sich selbst wirklich tatsächlich merkt, am Anfang ist es einem manchmal nicht so gut gelungen, wie dann einfach mit der Übung, die mit der Zeit und mit der Erfahrung auch kam.“ [I12:31]
Diskussion
Stärken und Limitationen
Fazit für die Praxis
-
Die Studie zeigt, dass Pflegefachpersonen sich in der Praxis auf Ad-hoc-Informationsvermittlung spezialisiert haben, bei der Aufklärung und Wissensvermittlung im Vordergrund stehen. Beratende und schulende Ansätze finden sich kaum.
-
Pflegefachpersonen adressieren in der Versorgung bereits ein breites Themenfeld an Informationsthemen, an welche die organisationalen Gesundheitskompetenzkonzepte anknüpfen können.
-
Es mangelt an strukturierten Qualifikationsmöglichkeiten für Pflegefachpersonen nach dem Berufseinstieg, um patientenzentrierte Kommunikationskompetenzen zu stärken.
-
Organisationale Gesundheitskompetenzkonzepte sollten die Ausgangsbedingungen pflegerischer Versorgungspraxis stärker in den Blick nehmen, um eine hohe Passfähigkeit und Rezeption zu erreichen.