Die Beschäftigen im deutschen Gesundheitswesen sind bereits heute mit steigenden beruflichen Anforderungen konfrontiert. Daher sprach sich der Wissenschaftsrat dafür aus, einen Teil der Beschäftigten in den Gesundheitsfachberufen auf hochschulischem Niveau grundständig und weiterbildend zu qualifizieren. Eine hochschulische Ausbildung stellt einen neuen Lebensabschnitt mit unbekannten Anforderungen und Herausforderungen dar, der die eigene Gesundheit und einen gesunden Lebensstil in den Hintergrund geraten lassen kann. Insofern gewinnen Gesundheitsförderung und Prävention von Studierenden zunehmend an Bedeutung. Eine umfassende Prüfung der Datenlage zur Gesundheit von Studierenden in den Gesundheitsfachberufen steht allerdings noch aus.
Hintergrund
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland ist derzeit im Wandel und steht vor großen Herausforderungen. Gründe dafür sind einerseits gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel, komplexer werdende Gesundheitsversorgungsbedarfe, bedingt durch die Zunahme von multimorbiden und chronisch kranken Patienten*innen [
29,
32], andererseits die zunehmende Bedeutung interprofessioneller Zusammenarbeit in der täglichen professionellen Versorgungspraxis [
2]. Diese veränderten Berufsanforderungen erfordern auch qualifikatorische Anpassungen in den Gesundheitsfachberufen [
32]. Daraus resultiert die Empfehlung des Wissenschaftsrates, einen relevanten Teil der Beschäftigten in den Gesundheitsfachberufen auf hochschulischem Niveau grundständig und weiterbildend zu qualifizieren. Zu den Gesundheitsfachberufen in Deutschland zählen beispielsweise die Pflegeberufe (Gesundheits‑/Krankenpflege, Gesundheits‑/Kinderkrankenpflege, Altenpflege) oder die Therapieberufe (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie; [
32]). Zur Realisierung einer 10- bis 20 %igen Quote an akademisierten Gesundheitsfachkräften erachtet der Wissenschaftsrat das duale Studium als ein besonders geeignetes Qualifikationsmodell [
33]. Duale Studiengänge zeichnen sich in der Regel durch zwei Lernorte, dem Praxisbetrieb und die Hochschule aus. Duale Studiengänge sind hochstrukturiert und geben meist nur wenig Freiraum [
15]. Dennoch erfreuen sich diese Studienformate im Gesundheitswesen zunehmender Beliebtheit [
22]. Die Anzahl dualer gesundheitsbezogener Studiengänge hat sich in Deutschland zwischen 2004 und 2019 von insgesamt 25 auf 173 mehr als versechsfacht [
14]. Im Wintersemester 2020/2021 waren 72.156 Studierende in gesundheitsbezogenen Studiengängen an deutschen Hochschulen eingeschrieben [
28]. Vor dem Hintergrund des in Deutschland fortschreitenden Akademisierungsprozesses der Gesundheitsfachberufe rückt die Studierendengruppe im Setting Hochschule auch in den Mittelpunkt von Forschungsinteressen.
Der Beginn eines Studiums und der Eintritt in das Studierendenleben stellt für junge Menschen einen neuen Lebensabschnitt dar, der das bisherige Leben verändert und unbekannten Anforderungen – auch vor dem Hintergrund des veränderten Studiensystems durch die Bologna-Reform – birgt [
18,
19,
27]. Die Absolvierung eines dualen Studiums geht für die Studienanfänger*innen zudem vom Studienstart an mit einem hohen Maß an Organisation und Struktur einher [
15]. Studierende werden im Studium mit Unsicherheiten, stressigen Prüfungsphasen, Erfolgen und Misserfolgen konfrontiert und lernen, Verantwortung für sich selbst und ihr Tun zu übernehmen [
17]. Die Studienzeit kann für junge Erwachsene eine sehr prägende Lebensphase sein [
23], in der die eigene Gesundheit möglicherweise weniger im Fokus steht [
17,
18].
Aktuelle Studien über Studierende im Allgemeinen geben Hinweise darauf, dass die Lebensphase Studium die eigene Gesundheit und gesundheitsrelevante Verhaltensweisen beeinflussen kann [
9,
18,
27]. Grützmacher et al. [
9] zeigten in ihrer repräsentativen Online-Befragung, dass die Studierenden ihren subjektiven Gesundheitszustand schlechter bewerteten und häufiger unter physischen Beschwerden und psychischen Belastungen litten als altersgleiche, nicht studierende Personen und sich weniger gesundheitszuträglich verhielten [
9]. Die Studienergebnisse von Herbst et al. [
12] zeigten, dass die Studierenden vornehmlich unter Zeit- und Leistungsdruck sowie Überforderung und Erwartungsdruck litten. Die Bachelor-Studierenden schätzten ihren subjektiven Stresslevel am höchsten ein [
12]. Der Anteil der Studierenden mit depressiver Symptomatik und Antidepressivaverordnungen liegt ebenfalls über dem Anteil altersgleicher (Erwerbs)personen [
8,
9].
Nationale und internationale Studien zur Gesundheits- und Studiensituation von (dual) Studierenden in gesundheitsbezogenen Studiengängen belegen, dass Studierende bereits im Studium mit diversen Stressoren, wie beispielsweise einer hohen akademischen und praktischen Arbeitsbelastung oder Prüfungsstress, konfrontiert sind [
13,
16]. Die studienbedingten Stressoren führen zu einer erhöhten psychischen Belastung und einer subjektiv verminderten psychischen Lebensqualität, insbesondere bei Medizinstudierenden und dual Studierenden in Gesundheitsfachberufen [
13,
16,
22,
24]. Darüber hinaus müssen die Studierenden in ihren Praxiseinsätzen emotionale Herausforderungen, beispielsweise durch menschliches Leid oder dem Tod, professionell bewältigen [
1,
6,
13]. In den Praxiseinsätzen kommen Studierende mit Auszubildenden aus den Berufsfachschulen und mit erfahrenen Gesundheitsfachkräften in Kontakt, die möglicherweise eine (noch) eher kritische Sicht auf die akademische Qualifizierung einnehmen. Dies kann u. U. dazu führen, dass sich die Studierenden ihr Arbeitsfeld im Praxiseinsatz teilweise selbst schaffen und gestalten müssen [
5,
13,
29]. Besonders Studienanfänger*innen scheinen sich durch das Studium gestresst zu fühlen, was zu Schlafproblemen, einer verminderten subjektiven Schlafqualität [
1,
3] und einer verminderten psychischen Lebensqualität führt [
24]. Demzufolge scheinen Studierende in Gesundheitsfachberufen eine Teilgruppe von Studierenden zu sein, die besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich Gesundheitsförderung erfahren sollte, um ihnen einen gesunden Studien- und Berufsstart zu ebnen.
Die Bedeutung angemessener Gesundheitsförderung für die Statusgruppe der Studierenden wurde international durch die Formulierung der Okanagan Charta (2015) [
20] sowie national durch die Verabschiedung des Präventionsgesetzes im Jahre 2015 anerkannt. Studierende erfahren damit erstmals als relevante Zielgruppe für Gesundheitsförderung im Sinne „gesundes Studieren“ Aufmerksamkeit [
11,
20]. Der Lebenswelt Hochschule liegt das Potenzial inne, die Gesundheit und gesundheitsbezogene Verhaltensweisen von Studierenden durch gesundheitsfördernde Maßnahmen positiv zu beeinflussen und ein gesundheitsbezogenes Bewusstsein herauszubilden, welches die Absolventen*innen wiederum als Multiplikatoren*innen in gesellschafts- und berufsrelevante Bereiche übertragen können [
10,
25]. Bei jungen Menschen entwickeln sich häufig in den Anfängen der Berufskarrieren die Grundlagen künftiger Denk- und Verhaltensweisen, welche für die Erhaltung der eigenen Gesundheit von wesentlicher Bedeutung sein können [
4]. Damit stellt die Lebenswelt Hochschule, als wichtigste bildungspolitische Institution zukünftiger Fach- und Führungskräfte, für Gesundheitsförderung einen bedeutsamen Rahmen [
19,
31]. Die Forschungsliteratur zur Gesundheit von Studierenden in Gesundheitsfachberufen wurde im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht umfassend erfasst [
9,
24‐
26]. Daher möchten wir prüfen, welche Art von Forschungsliteratur zur Gesundheit dieser Studierendengruppe verfügbar ist und einen Überblick über die vorhandene Evidenzlage geben.
Methode
Das Scoping Review führen wir nach der aktuellen Joanna Briggs Institute (JBI) Methodologie durch [
21]. Das vorliegende A‑priori-Protokoll ist der erste obligatorische Arbeitsschritt zur Durchführungsplanung des Scoping Reviews [
21].
Suchstrategie
Die Suchstrategie ist so umfassend wie möglich, daher wird auf veröffentliche und unveröffentlichte Primärquellen und Übersichtsarbeiten zurückgegriffen. Die Recherchestrategie umfasst drei Arbeitsschritte. In einem ersten Arbeitsschritt erfolgt eine grobe initiale Recherche in den Datenbanken MEDLINE (PubMed; Tab.
2). Passende Publikationstitel und Abstracts werden identifiziert und gelesen. Die im Text verwendeten Schlagwörter und Indexbegriffe zur Beschreibung des Artikels werden analysiert und bei thematischer Passung aufgenommen. Der zweite Arbeitsschritt umfasst eine weitere Datenbankrecherche in CINAHL und CareLit, einer Datenbank mit deutschsprachiger Zeitschriftenliteratur für den Bereich der Pflege- und Gesundheitsberufe, unter Verwendung der notierten Schlagworte und Indexbegriffe. Der dritte und letzte Arbeitsschritt der Suchstrategie beinhaltet die Sichtung der Literaturlisten der zur Überprüfung eingeschlossenen Publikationen. Bei Bedarf werden die Autoren der Primärquellen für weitere Informationen hinsichtlich ihrer Studienergebnisse kontaktiert. Es werden englisch- und deutschsprachige Publikationen berücksichtigt.
Tab. 2
Entwurf Suchstrategie am Beispiel von MEDLINE (PubMed). (Eigene Darstellung)
Population |
Studierende Gesundheitsfachberufe | Studierende Gesundheitsfachberufe | ″Students, Health Occupations″[Mesh] OR ″health profession* student*″ OR ″healthcare student*″ OR ″health-care student*″ OR ″health care student*″ [#1] | 83.972 |
Konzept |
Gesundheit | Gesundheit (Gesundheitszustand, gesundheitsrelevante Verhaltensweisen, personale Ressourcen) | health OR healthy OR ″subjective health status″ OR ″health-related quality of life″ OR ″health perception″ OR ″perceived health″ OR ″subjective health problem*″ OR ″physical health″ OR ″physical health problem*″ OR ″mental health″ OR ″mental health problem*″ OR ″tobacco use″ OR ″smoking″ OR ″alcohol use″ OR ″alcohol consumption″ OR ″substance use″ OR ″drug use″ OR ″eating behavior*″ OR ″nutritional habit*″ OR ″physical activity*″ OR ″risk behavior*″OR ″medication use″ OR ″medication prescription″ [#2] | 6.883.752 |
Kontext |
Deutschsprachiger Raum | Deutschsprachiger Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) | ″germany″ OR ″german-speaking region″ OR ″german-speaking-area″ OR ″switzerland″ OR ″austria″ [#3] | 1.833.204 |
– | Search: #1 AND #2 AND #3 | 1.197 |
– | Search: #1 AND #2 AND #3 Filters: Abstract, in the last 10 years, humans, english, german, adult: 19+ years | 335 |
Der Fokus liegt auf Studierenden in Gesundheitsfachberufen. Daher werden die Gesundheitsfachberufe Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie eingeschlossen. Es werden zunächst Publikationen berücksichtigt, die ab dem Jahr 2012 publiziert wurden. Dies ist das Jahr, in dem der Wissenschaftsrat seine Empfehlung für die hochschulische Qualifikation im deutschen Gesundheitswesen aussprach. Bei Bedarf wird der Publikationszeitraum ausgeweitet. Die Literaturrecherche wird in den Datenbanken MEDLINE (PubMed), CINAHL (EBSCO), EMBASE, CareLit, LIVIVO, Scopus, Psyndex, PEDro und OTseeker erfolgen. Unveröffentlichte Primärquellen und Übersichtsarbeiten sollen OpenGrey (Universität London) recherchiert werden. Zudem erfolgt eine Recherche nach Hochschulen im deutschsprachigen Raum, die Studiengänge für diese Gesundheitsfachberufe anbieten. Die Literaturrecherche wird durch eine Bibliothekarin unterstützt.
Quellenauswahl
Alle Literaturquellen, die auf der Grundlage der Einschlusskriterien ausgewählt werden, werden in einer Literaturverwaltungssoftware wie Citavi (Swiss Academic Software GmbH, Wädenswil, Schweiz) oder EndNote zusammengestellt. Bestehende Dubletten werden kontrolliert und entfernt. Im Anschluss werden die Literaturquellen von zwei unabhängigen Gutachterinnen anhand eines Leitfadens nach Titel, Abstrakt und Einschlusskriterien gesichtet. Hierzu wird ein Pretest vorgeschaltet. Bei potenziell relevanten Publikationen wird der Volltext der Literaturquelle aufgerufen und mit Blick auf die definierten Einschlusskriterien im Detail gelesen und bewertet. Diejenigen Literaturquellen, die die Einschlusskriterien nicht erfüllen, werden aus dem Literaturverwaltungsprogramm entfernt und nicht weiter für den Scoping Review berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wird eine narrative Beschreibung des Auswahlprozesses vorgenommen und die Entscheidungsfindung für oder gegen eine Quelle mithilfe eines Flussdiagramms dargelegt. Der Ergebnisbericht erfolgt nach dem PRISMA-ScR (Preferred Reporting Items for Systematic reviews and Meta-Analyses extension for Scoping Reviews) [
34]. Auftretende Unstimmigkeiten im Quellenauswahlprozess werden durch Diskussion oder durch Heranziehung einer dritten begutachtenden Person aufgelöst.
Die Extraktion der Daten aus den Literaturquellen erfolgt mit einem Formular. Es enthält eine Tabelle, die die Hauptkategorien Autoren, Literaturquelle, Erscheinungsjahr, Studienart, Fundquelle, Einschlusskriterien und narrative Kurzzusammenfassung umfasst. Während der Datenextraktion können die Tabelle und die Hauptkategorien bei Bedarf angepasst und aktualisiert werden. Die Ergebnisse werden stichwortartig festgehalten. Anschließend erfolgt auf dieser Grundlage eine kurze beschreibende Zusammenfassung der jeweiligen Einzelergebnisse. Der Datenextraktion wird ein Pretest vorgeschaltet, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Ergebnisse extrahiert werden. Die Datenextraktion kann aus forschungspraktischen Gründen von nur einer Gutachterin allein vorgenommen werden. Die Überprüfung der Datenextraktion erfolgt durch eine andere Gutachterin. Auftretende Meinungsverschiedenheiten werden mit Hilfe einer dritten Gutachterin besprochen und aufgelöst.
Datenanalyse und Präsentation
Die Suchergebnisse werden im Abschlussbericht tabellarisch oder grafisch dargestellt. Darüber hinaus werden die Ergebnisse in Bezug auf die Forschungsfrage durch eine zusammenfassende Beschreibung und einer Diskussion in Textform ergänzt. Zusätzlich zum Flussdiagramm wird der gesamte Prozess der Recherche narrativ beschrieben.
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