Erschienen in:
01.05.2013 | Editorial
Medikalisierung
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Schneider, Bernhard Strauß
Erschienen in:
Die Psychotherapie
|
Ausgabe 3/2013
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Auszug
Unter dem Begriff der Medikalisierung wird die Ausweitung medizinischer Begriffe, Kategoriensysteme (z. B. Diagnosen) und Handlungsmuster auf „normale“ gesellschaftliche und alltägliche soziale Phänomene verstanden. In der Mitte des letzten Jahrhunderts bestand im Vergleich zu heute eine hohe Sensibilität für entsprechende Medikalisierungsprozesse, als deren Motive die Allmachtsfantasien einer zunehmend technologisch und naturwissenschaftlich ausgerichteten Medizin sowie die ökonomischen Interessen der Medizinakteure, einschließlich der Pharmaindustrie (
Illich 2007), aufgefasst wurden. In der Psychiatrie und in der Psychotherapie – z. B. der Antipsychiatrie, aber auch der Psychoanalyse – wurden gesellschaftliche Pathologisierungstendenzen als Ausgrenzung von sozial nichtakzeptablem Erleben und Verhalten kritisiert oder als Versuch gewertet, potenziell Widerständiges – so werden in der Psychoanalyse die Neurosen durchaus auch heute noch verstanden – zu entschärfen. …