(Philipp Schuster) Doppelosteotomien kommen vorwiegend bei schwereren Varus- und Valgusfehlstellungen zum Einsatz. In diesen Fällen erheblicher Achsabweichungen besteht neben der konstitutionellen Deformität auch häufig eine relevante intraartikuläre Komponente (pathologischer JLCA), ggf. mit klinischem Thrust-Phänomenen – insbesondere bei schweren Valgusdeformitäten. Dies muss bei der Planung entsprechend berücksichtigt und korrigiert werden (s. o.), da sonst erhebliche Überkorrekturen resultieren können. Je nach Begleiteingriffen ist auch bei Doppelosteotomien eine begleitende bzw. vorausgeschaltete Arthroskopie als Standard anzusehen. Die üblichen perioperativen Standards finden genauso wie bei monofokalen Osteotomien Anwendung. Die Durchführung des Eingriffs wird ohne Blutsperre, die perioperative Gabe eines Antibiotikums und die Anwendung von Tranexamsäure empfohlen. Die Tranexamgabe kann lokal oder systemisch erfolgen, entspricht aber einem „off-label use“. Drainagen sind fakultativ und in der Regel nicht notwendig. Durch eine intraoperativ applizierte lokale Infiltrationsanästhesie (LIA) mit Saphenusblock kann ohne Belastung für den Patienten eine hervorragende Schmerzausschaltung bei guter postoperativer Mobilisationsfähigkeit erreicht werden. Im eigenen Vorgehen bestehen bei allen Korrekturen in der Frontalebene die Prinzipien am Femur immer schließend (medial bzw. lateral) und an der Tibia immer von medial (öffnend bzw. schließend) zu korrigieren. In der Praxis ergeben sich damit für Varusfehlstellungen die Kombination aus lateral schließender DFO und medial öffnender HTO, für Valgusfehlstellungen die Kombination aus medial schließender DFO und medial schließender HTO. Andere Konstellationen können individuell indiziert sein, sind aber absolute Ausnahmen. In der Literatur gibt es vereinzelt Berichte über die zweizeitige Durchführung von Doppelosteotomien. Tatsächlich sind Doppelosteotomien im deutschen DRG-System derzeit ebenfalls außerordentlich schlecht abgebildet (identisch zur DFO), so dass hier leider Anreize für ein zweizeitiges Verfahren gesetzt werden. In der praktischen Anwendung, speziell mit Blick auf die Belastung für den Patienten mit zwei Eingriffen und zweimaliger Rehabilitation sowie daraus folgender Ausfallzeiten besteht aus Sicht der Autoren keinerlei Indikation für eine Korrektur mittels zweier Operationen im Abstand mehrerer Wochen oder Monate. Auch einer der großen Vorteile der einzeitigen Versorgung, nämlich die Möglichkeit der direkten autologen Spongiosaplastik durch Transplantation des entnommenen Knochenkeils, würde bei einem zweitzeitigen Vorgehen wegfallen. Generell sollte bei der Kombination einer öffnenden und einer schließenden Osteotomie aus zwei Gründen die schließende Osteotomie zuerst durchgeführt werden: Zum einen kann dann der entnommene Knochenkeil direkt als autologes Transplantat in die öffnende Osteotomie eingebracht werden, zum anderen ist die Feineinstellung der endgültigen Korrektur über die öffnende Osteotomie erheblich einfacher, da die Öffnungshöhe unproblematisch variiert werden kann (Abb. 1). Abb. 1 Intraoperative Röntgenaufnahme nach abgeschlossener femoraler Osteotomie und geöffneter tibialer Osteotomie. Überprüfung der mechanischen Beinachse mittels Ausrichtstange. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Feintuning der Achse durch Anpassung der tibialen Öffnungshöhe unproblematisch möglich. 2022 AGA-Knie-Arthrose/Gelenkerhalt-Komitee × Die zur Anwendung kommenden Operationsverfahren der einzelnen Osteotomien sind vorausgegangen bereits dargestellt, diese werden hier daher nicht nochmals im Einzelnen erläutert. Das Korrekturziel der mechanischen Beinachse ist wie bei monofokalen Osteotomien zu planen. Die resultierenden Gelenkwinkel sollten im physiologischen Bereich zwischen 84° und 90° für den LDFA und zwischen 85° und 90° für den MPTA liegen. Der aus der ersten schließenden Osteotomie resultierende Knochenkeil sollte möglichst am Stück entnommen und asserviert werden. Bei der Planung kann berücksichtigt werden, dass aufgrund des Knochenverlusts durch das Sägeblatt (zwei Schnitte) das entnommene Knochenstück meist 2–2,5 mm niedriger ist als die bei der Planung ermittelte Keilbasishöhe. Der Keil muss auch die öffnende Osteotomie nicht vollständig ausfüllen, da er aufgrund der Form immer press-fit implantiert werden kann. Die Implantation sollte nach korrekter Einstellung der Korrektur und noch vor Applikation der Platte erfolgen, da sonst diese eine Implantation erschwert (Abb. 2). Die kortikale Seite (entspricht in der Regel der Femurrückseite) sollte ebenfalls dorsal liegen (Tibiarückseite). Generell sollten alle Knochenimplantationen im Osteotomiespalt einer HTO dorsal liegen, um die Kortikalis zu stützen (Primärstabilität) und eine iatrogene Slope-Erhöhung durch Einbringen in den vorderen Teil des Osteotomiespalts zu verhindern. Abb. 2 Intraoperative Röntgenaufnahme mit Implantation des femoral entnommenen Knochenkeils in die tibiale Osteotomie und eingebrachter tibialer Platte (gleicher Patient wie Abb. 1). 2022 AGA-Knie-Arthrose/Gelenkerhalt-Komitee × Aufgrund der größeren, komplexeren und mehrfachen Korrekturen empfehlen wir bei Doppelosteotomien die Verwendung einer Ausrichtstange zur Achskontrolle vor endgültiger Fixation. Hier ist darauf zu achten, dass das Bein in voller Streckung und unter axialem Druck (simulierte Belastung) vermessen wird, und die Stange in der BV-Projektion unbedingt mittig abgebildet sein muss, um einen Parallaxenfehler zu vermeiden. Die Nachbehandlung richtet sich in der Regel nach der weniger stabilen Osteotomie, was in der Regel die distale Femurosteotomie sein wird. Abb. 3 Postoperatives CT nach lateral schließender DFO und medial öffnender HTO mit Implantation des femoral entnommenen Keils in die tibiale Osteotomie. 2022 AGA-Knie-Arthrose/Gelenkerhalt-Komitee ×