Ist die Schwellung ein Angioödem?

Nicht jede Schwellung ist ein Angioödem, doch wie lässt sich die Erkrankung von anderen unterscheiden und welche Typen des Angioödems gibt es? „Die Diagnose eines Angioödems ist in einigen Fällen gar nicht so leicht“, wusste PD Dr. med. Frank Siebenhaar, Charité – Universitätsmedizin Berlin, auf dem Deutschen Allergiekongress 2022. „Wir sollten uns immer an der Kinetik orientieren, wie lange dauert es, bis eine Schwellung entsteht, wie lange hält sie an, wann ist sie wieder komplett verschwunden? Und verschwindet sie überhaupt komplett und gibt es Begleitphänomene – juckt das, brennt das, tut das weh, ist das rot, ist das überwärmt? Das sind alles Dinge, die uns bei der klinischen Differenzialdiagnose und bei der Frage, ob es sich um ein Angioödem handelt, sehr helfen“, fasste er zusammen. So würden zum Beispiel Emphysem und Erysipel Tage dauern mit Überwärmung, Brennen, Juckreiz oder Schmerzen, wohingegen die Schwellung bei der Waldenström-Makroglobulinämie oder beim Lymphödem sehr lange anhalten würden. Knifflig ist auch die Unterscheidung zur Cheilitis Granulomatosa: „Am Anfang kann man das klinisch mit einem Angioödem verwechseln“, meinte er. Denn anfangs würde sich die Schwellung wieder zurückbilden, dann aber mit einem Crescendo-Phänomen irgendwann persistieren. „Beim Angioödem kommen die Schwellungen sehr schnell. Sie entstehen innerhalb von Stunden und bilden sich spätestens nach 72 Stunden komplett zurück. Sie haben in der Regel keine Begleitsymptomatik, kein Brennen, keine Rötung, kein Schmerz. Die Patienten berichten vielleicht von einem Druckgefühl“, erklärte er. Auftreten kann ein Angioödem an unterschiedlichen Stellen wie Gesicht, Augenlid, Lippe, Zunge, Pharynx, Hände, Füße oder Genitalien. Mit oder ohne Quaddeln? Unterschieden wird zwischen mastzellvermittelten und Bradykinin-vermittelten Angioödemen. „Ganz entscheidend ist es, den Patienten nach Quaddeln zu fragen: Ein Patient, der zusätzlich zu seinem Angioödem Quaddeln hat, leidet sehr wahrscheinlich an einem mastzellvermittelten Angioödem. Die Bradykinin-vermittelten Angioödeme verursachen bis auf ganz wenige Ausnahmen keine Quaddeln“, stellte Siebenhaar klar. Da die meisten mastzellvermittelten Angioödeme eigentlich eine Urtikaria sind, würde die Erkrankung dann nach der Urtikaria-Leitlinie behandelt werden. Eine Differenzialdiagnose bei Quaddeln, die länger als 24 Stunden bestehen und die mit Begleiterscheinungen wie Gelenkschmerzen auftreten, ist die Urtikaria-Vaskulitis. „Kommt zu den Quaddeln ein wiederkehrendes unerklärliches Fieber, kann das ein klinischer Hinweis auf eine autoinflammatorische Erkrankung sein“, erläuterte Siebenhaar. Immer abklären: Nimmt Patient ACE-Hemmer ein? Bradykinin-vermittelte Angioödeme würden nicht wie die Urtikaria auf Antihistaminika und Omalizumab ansprechen. Weitere Indizien für Bradykinin-vermittelte Angioödeme sind beispielsweise eine familiäre Häufung und ein Krankheitsbeginn in der Kindheit. Darüber hinaus sollte man laut Siebenhaar immer abklären, ob der Patient einen ACE-Hemmer einnimmt. Dies kann ein Hinweis auf ein therapieinduziertes Bradykinin-vermitteltes Angioödem sein. „Diese Differenzialdiagnose ist wichtig, denn Bradykinin-vermittelte Angioödeme führen viel häufiger zu einer Larynxschwellung mit der Gefahr der Asphyxie und können viel häufiger auch tödlich verlaufen als die mastzellvermittelten Angioödeme“, mahnte er. Bei einem Verdacht auf das ACE-Hemmer-induzierte Angioödem, sollte man den ACE-Hemmer absetzen und dann abwarten. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es einige Wochen bis wenige Monate dauern kann, bis das im Gewebe akkumulierte Bradykinin abgebaut ist. Vererbtes oder erworbenes Angioödem? Um bei Bradykinin-vermittelten Angioödem ein nicht-hereditäres von einem hereditären zu unterscheiden, kann die Konzentration und die Funktion des C1-Esterase-Inhibitors (C1-INH) analysiert werden. Die ist beim hereditären Angioödem verringert. Auch möglich ist die Bestimmung des Komplementfaktors 4 (C4), der beim hereditären Angioödem immer erniedrigt ist. Trend zur prophylaktischen Therapie des Bradykinin-vermittelten Angioödems Als Therapie des Bradykinin-vermittelten Angioödems kommen als On-Demand- oder Notfalltherapie der Bradykinin-2-Rezeptor-Antagonist Icatibant oder die C1-INH-Substitution infrage. „Der Trend geht aber immer mehr in Richtung prophylaktische Therapie“, sagte Siebenhaar. Zugelassen ist hierfür bereits der Kallikrein-Antikörper Lanadelumab. In naher Zukunft würden bald zudem orale Kallikrein-Inhibitoren verfügbar sein, hoffte er. basierend auf: "Differenzialdiagnosen bei Schwellung der Haut. Plenarsitzung: Angioödeme und Urtikaria – Wohin geht der Weg? ", Vortrag von "PD Dr. med. Frank Siebenhaar, Charité – Universitätsmedizin Berlin". Vom 17. Deutscher Allergiekongress, 08.09. – 10.09.2022, Wiesbaden und virtuell. Empfehlung der Redaktion Kongressdossier Unsere Highlights vom 17. Deutschen Allergiekongress 2022 „Die Zukunft der Allergologie – innovativ und nachhaltig“ – unter diesem Tagungsmotto fand der 17. Deutsche Allergiekongress (DAK) vom 08.09. – 10. 09.22 als Hybridveranstaltung in Wiesbaden statt. Unsere Highlights vom Kongress haben wir in diesem Dossier für Sie zusammengestellt.

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