Multiple Sklerose plus Rheuma – was wird zuerst behandelt?

Multiple Sklerose und Rheumatoide Arthritis unterscheiden sich deutlich im Pathomechanismus. Kommen sie komorbid vor, bestimmt die Erkrankung mit der führenden Aktivität die Therapie. Einige Therapeutika sind bei beiden Erkrankungen wirksam, andere gilt es jedoch zu vermeiden. Die Prävalenz der Rheumatoiden Arthritis (RA) liegt in Deutschland bei 0,8 % bis 1,4 %, die der Multipler Sklerose (MS) bei 0,2 % bis 0,3 %, sagte Prof. Dr. Martin Kriegel von der Abteilung Translationale Rheumatologie und Immunologie der Universität Münster. Von den MS Betroffenen weisen 1,8 % eine RA auf, von RA Betroffene 0,4 % eine MS. Das Risiko für die jeweilige Komorbidität ist damit nicht viel höher als in der Allgemeinbevölkerung, betonte Kriegel. Ein Screening der jeweils anderen Erkrankung bei Menschen mit MS oder RA ist daher nicht sinnvoll. Das Wichtigste beim gleichzeitigen Auftreten beider Erkrankungen ist das Vermeiden der bei RA sonst mit gutem Erfolg eingesetzten TNF-α-Blocker. In einer Studie führte die Therapie mit dem TNF-α-Blocker Lenercept bei Patientinnen und Patienten mit MS dosisabhängig zu einem deutlich erhöhten Schubrisiko [1]. Rheumatest und Antikörpernachweis Ob eine Patientin oder ein Patient mit MS unter einer RA leidet, sei nicht einfach durch den Nachweis des Rheumafaktors zu bestätigen, erläuterte Kriegel. Der Rheumafaktor, der oft schon in der Hausarztpraxis bestimmt wird, sei sehr unspezifisch und kann beispielsweise auch bei Hepatitis C und selten auch bei Gesunden nachgewiesen werden. Auch der Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANA) sei unspezifisch, sie können bei Kollagenosen oder auch einer Hashimoto-Thyreoiditis vorkommen. Am wichtigsten ist die Klinik, betonte der Rheumatologe: Bei RA sollte die berichtete Morgensteifigkeit mindestens 40-60 Minuten dauern, die Beschwerden sollten seit mehr als sechs Wochen bestehen und im Labor sollte die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das C-reaktive Protein (CRPP) erhöht sein. Außerdem empfahl der Rheumatologe: „Schauen Sie auf die Hände“. Häufig seien Fingergrund- und Fingermittelgelenke geschwollen und es ist schon eine leichte Deformität zu erkennen. Überlappende Therapien Eine Reihe von Therapeutika ist bei beiden Erkrankungen wirksam, angefangen bei allgemeinen Immunsuppressiva wie Methotrexat (MTX) oder Azathioprin über Teriflunomid (in der RA eingesetzt wird die Muttersubstanz Leflunomid) und Anti-CD20-Antikörper, erläuterte Prof. Dr. Luisa Klotz von der Klinik für Neurologie der Universität Münster [2]. Bei führender MS-Aktivität (RA eher im Hintergrund) schlug sie bei milder bis moderat aktiver MS Teriflunomid wegen der Wirkung auf beide Erkrankungen vor, wobei auch Glatirameracetat und Dimethylfumarat möglich sind, die RA aber nicht beeinflussen. Interferone sind bei Patientinnen und Patienten mit komorbider RA zu meiden, betonte sie. Bei aktiver oder hochaktiver MS sind Anti-CD20-Therapien optimal, da sie bei beiden Erkrankungen wirksam sind. Möglich sind laut Klotz auch Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Modulatoren. Zu vermeiden ist Natalizumab, da es eher ungünstige Effekte auf die RA hat. Steht die RA im Vordergrund, ist bei milder bis moderater RA-Aktivität MTX Goldstandard, da es auch auf die MS wirkt, berichtete Kriegel. Gegebenenfalls kann MTX mit Leflunomid oder Sulfasalazin/Hydroxychloroquin kombiniert werden. Auch der Rheumatologe warnte vor TNF-Blockern als Reserveoption bei MTX-Intoleranz, wenn komorbid eine MS vorliegt. Bei einer aktiven/erosiven RA und nachgewiesenem Rheumafaktor sollte eine Anti-CD20-Therapie mit Rituximab erfolgen. Bei RA sind auch Januskinase-Inhibitoren wirksam, die bei komorbider MS nach bisherigen Daten sicher eingesetzt werden können. Empfehlung der Redaktion DGN 2022 – das Kongressdossier Fünf Tage ging die diesjährige Neurowoche und bot wieder spannende Themen: Die Pandemie erlaubte Forschenden Einblicke in die entzündlichen Prozesse neurodegenerativer Erkrankungen und Expertinnen und Experten debattierten über die Indikation von Thrombektomien beim Basilarisverschluss. Außerdem stellt sich bei Komorbiditäten MS-Erkrankter die Frage, wo der Therapiefokus liegen sollte. Quelle: Vortrag Luisa Klotz und Martin Kriegel: Multiple Sklerose und Rheuma aus neurologischer und rheumatologischer Perspektive. Neurowoche 2022 vom 1.-5. November 2022 in Berlin/digital, Symposium: „Neuroimmunologische Krankheitsbilder im Spiegel der Nachbardisziplinen“ am 05. November 2022. Onlineversion auf www.dgnvirtualmeeting.org

Springer Medizin

Multiple Sklerose plus Rheuma – was wird zuerst behandelt?

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene