Streit um Hitparade der Gesundheitssysteme

Eine unendliche Geschichte: Immer wieder gibt es heftige Diskussionen über die Qualität unserer Versorgung im internationalen Vergleich. Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich der Gesundheitssysteme? Beim Hauptstadtkongress wurde einmal mehr klar: Das ist eine hoch komplizierte Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Welche Kriterien sind bei der Bewertung anzulegen, welche Indikatoren werden je nach Expertensicht als sinnvoll oder auch völlig abwegig gesehen, wer verfolgt welche Interessen bei der Präsentation der Ergebnisse? – Die Gemengelage ist kompliziert. „Ich werde oft von Vertretern aus den Publikumsmedien angerufen, die klare Antworten erwarten und Tabellen aufbauen wollen. Rang 1: Deutschland? Rang 2: Schweiz?“ So funktioniere das nicht, sagte Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin. Warum Deutschland einen klaren Vorteil hat Kongresspräsident Professor Karl Max Einhäupl ließ zunächst als Diskussionsteilnehmer keinen Zweifel, wem aus seiner Sicht der Spitzenplatz im Ranking gehört: „Deutschland hat das beste Gesundheitssystem, weil in unserem Land jeder Patient unabhängig von seinem sozialen Status freien Zugang zu allen Leistungen hat, die in unserem System auf hohem Niveau angeboten werden“, sagte er. Zugleich warnte Einhäupl vor drohenden Gefahren mit Blick auf die Versorgungsqualität. „Wir befinden uns in einer kritischen Phase, denn die Kosten im System steigen dramatisch an. Das liege nicht an steigenden Preisen, Grund seien vielmehr die Möglichkeiten, die die Wissenschaft für das System zur Verfügung stelle. Einhäupl sieht hier Handlungsbedarf: „Wenn wir nicht besser reagieren, dann werden wir diesen Spitzenplatz nicht mehr lange halten können.“ Mit dem ersten Rang für Deutschland im Wettbewerb der Systeme kann Reinhard Busse wenig anfangen, er sieht die Versorgungsrealität völlig anders: Die Gesundheitsausgaben seien in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die hohen Ausgaben hätten zwar dazu geführt, dass es viele Leistungen im ambulanten und stationären Sektor gebe. Diese seien aber im internationalen Vergleich sehr teuer und bedeuteten nicht unbedingt eine Verbesserung für die Gesundheit der Menschen. Teuer heißt nicht besser Busse verwies auf Statistiken, nach denen sich die Entwicklung der Kosteneffektivität etwa in Dänemark im letzten Jahrzehnt dreimal so gut entwickelt habe wie in Deutschland. „Wir bekommen für das Geld, das wir in unser System stecken, einfach zu wenig Gesundheit!“, stellte er unmissverständlich klar. Dr. Gerald Gaß, Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, verwies auf Daten aus 1472 Krankenhäusern, die ein hohes Qualitätsniveau belegten, das sich auch ständig verbessere. Deutschlands ungedeckter Bedarf an medizinischer Versorgung etwa, der auf finanzielle Gründe, zu große Entfernungen oder Wartezeiten zurückzuführen sei, gehöre zu den niedrigsten in der Europäischen Union. Er hege den Verdacht, dass sich Professor Busse zielgerichtet Indikationen aussuche, um das deutsche System im internationalen Vergleich möglichst schlecht aussehen zu lassen, sagte Gaß. Eine Kritik, die Busse heftig zurückwies. Der Zugang zu Leistungen sei im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland gut, sagte Michael Müller, OECD-Analyst für Gesundheitspolitik. Qualität und Outcome hingegen seien in Deutschland nur durchschnittlich. „Da würde man aufgrund des hohen Ressourceneinsatzes eigentlich bessere Ergebnisse erwarten, stellte Müller klar. Die weitere Debatte machte deutlich, dass die Frage nach dem Tabellenplatz Deutschlands im internationalen Vergleich der Systeme wohl auch in Zukunft nicht im Konsens beantwortet werden kann. Allein die Frage, ob der Abbau von Kapazitäten im stationären Bereich mit mehr Qualität im Versorgungssystem verknüpft ist, dürfte zu heftigen Diskussionen führen. Der Streit um die Hitparade der Versorgungssysteme wird ein Dauerbrenner bleiben. Empfehlung der Redaktion HSK 2022 Hauptstadtkongress 2022 22.–24. Juni 2022 | Berlin „Ein resilientes Gesundheitssystem – Mythos oder Möglichkeit?“, unter diesem Motto wurde 2022 beim Hauptstadtkongress viel diskutiert. Welche Spuren hat die Pandemie im Gesundheitssystem hinterlassen? Was sind die Herausforderungen der nächsten Jahre? Und wo hat der Fortschritt bereits Einzug erhalten? Die Highlights finden Sie im HSK-Kongressdossier. Quelle: Ärzte Zeitung

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