Fokusthema hepatozelluläres Karzinom: Leberfunktion und Therapie-Outcome in der HCC-Zweitlinientherapie

Cabozantinib hemmt mehrere Rezeptor-Tyrosinkinasen, die an Tumorwachstum und Angiogenese, am pathologischen Knochenumbau, an der Entwicklung von Arzneimittelresistenz und von Metastasen beteiligt sind [1, 2]. Zudem verfügt der Wirkstoff über immunmodulatorische Effekte [3, 4]. Daher kann er bei verschiedenen onkologischen Entitäten (aktuell Nierenzellkarzinom [RCC], Leberzellkarzinom [HCC] und differenziertes Schilddrüsenkarzinom (DTC), Box „Zulassungsstatus“) eingesetzt werden. Der Fokus des vorliegenden zweiten Serienbeitrags liegt auf der HCC-Zweitlinienbehandlung mit Cabozantinib nach Sorafenib-Vorbehandlung sowie dem Einfluss der Leberfunktion auf den Therapierfolg [5]. Die Therapie des hepatozellulären Karzinoms (HCC) ist nach wie vor herausfordernd, weil die Tumoren zu einem großen Teil erst spät entdeckt werden [6]. In den vergangenen Jahren hat sich die Therapielandschaft allerdings durchgreifend verändert; mittlerweile stehen für die Palliativtherapie des nicht resezierbaren, fortgeschrittenen HCC etliche neue Optionen für die Erst- und Zweitlinie zur Verfügung, mit denen eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) in diesem Krankheitsstadium erreicht werden kann [7]. Zulassungsstudie CELESTIAL Cabozantinib (Cabometyx®) wurde auf Basis der Ergebnisse der globalen, placebokontrollierten Phase-III-Studie CELESTIAL [8] als Monotherapie für die Behandlung von mit Sorafenib vorbehandelten Erwachsenen mit HCC zugelassen [9]. In die Studie eingeschlossen waren 707 Patient*innen mit guter Leberfunktion (Child-Pugh-Stadium A), die zuvor mit bis zu zwei systemischen Therapien, von denen eine Sorafenib war, behandelt wurden und die nach mindestens einer systemischen Behandlung progredient waren. Diese Patient*innen erhielten im Verhältnis 1:2 randomisiert entweder eine Behandlung mit Cabozantinib oral (1× täglich 60mg; n=470) oder Placebo (n=237) [8]. Die Behandlung mit Cabozantinib führte zu einem medianen OS von 10,2 Monaten gegenüber 8,0 Monaten mit Placebo (Hazard Ratio [HR] für Tod 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,63–0,92; p=0,005), das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) war mit 5,2 Monaten im Vergleich zu Placebo mit 1,9 Monaten deutlich verlängert (HR für Krankheitsprogression oder Tod 0,44; 95%-KI 0,36–0,52; p<0,001). Eine Krankheitskontrolle, definiert als partielle Remission oder Krankheitsstabilisierung, wurde von 64% der Patient*innen im Cabozantinib-Arm gegenüber 33% im Placebo-Arm erreicht [8]. Subgruppenanalyse: Sorafenib als einzige Vortherapie In einer Subgruppenanalyse der CELESTIAL-Studie wurden ergänzend die Therapie-Outcomes für diejenigen Patient*innen ermittelt, die Sorafenib als einzige vorherige Systemtherapie erhalten hatten [10]. Als Zweitlinientherapie verbesserte Cabozantinib das OS und das PFS im Vergleich zu Placebo (OS: 11,3 versus 7,2 Monate; HR 0,70; 95%-KI 0,55–0,88; PFS: 5,5 versus 1,9 Monate; HR 0,40; 95%-KI 0,32–0,50). Zudem verbesserte Cabozantinib das Therapie-Outcome im Vergleich zu Placebo unabhängig von der Dauer der vorherigen Sorafenib-Behandlung, was den Nutzen des Multi-Target-Tyrosinkinase-Inhibitors (TKI) als Zweitlinienbehandlungsoption beim HCC weiter unterstützt [10]. Schwere Nebenwirkungen vom Grad 3/4 traten unter Cabozantinib mit 68% häufiger als im Placebo-Arm mit 31% auf. Häufigste Grad-3/4-Nebenwirkung im Cabozantinib-Arm waren Hand-Fuß-Syndrom (16%), Hypertonie (16%) und eine Erhöhung der Aspartat-Aminotransferase-Werte (12%). Die Dauer der vorherigen Sorafenib-Therapie schien keinen Einfluss auf die Nebenwirkungsrate zu haben [10]. Einfluss der Leberfunktion Klinische Studien zur HCC-Systemtherapie schließen in der Regel nur Patient*innen mit guter Leberfunktion (Child-Pugh-Stadium A) ein, so auch die CELESTIAL-Studie zu Cabozantinib [8]. Ein Score zur longitudinalen Beurteilung der Leberfunktion ist der ALBI (Albumin/Bilirubin)-Score. Dieser grenzt – auch innerhalb des Child-Pugh-Systems – drei Risikogruppen ab (ALBI 1–3), die gut mit der Prognose korrelieren [5, 11, 12]. Der ALBI-Score erlaubt im Vergleich zum Child-Pugh-Score eine objektivere Beurteilung der Leberfunktion [5]. Wegen der bestehenden Limitationen des Child-Pugh-Scores und zur Beurteilung eines möglichen Einflusses der Leberfunktion auf das Behandlungsergebnis haben Kelley et al. das Therapie-Outcome in der CELESTIAL-Studie in einer aktuellen retrospektiven Analyse in Abhängigkeit vom ALBI-Score bei Behandlungsbeginn ausgewertet [5]. Beide ALBI-Score-Subgruppen profitieren Der in der CELESTIAL-Studie belegte Behandlungsvorteil durch eine Systemtherapie mit Cabozantinib konnte für die beiden Subgruppen (ALBI-Score Grad 1 und Grad 2) gezeigt werden. So waren das OS und das PFS bei Patient*innen mit ALBI-Score Grad 1 unter Cabozantinib gegenüber Patient*innen mit gleichem Score-Grad unter Placebo-Behandlung verlängert (medianes OS: 17,5 Monate versus 11,4 Monate; HR 0,63; 95%-KI 0,46–0,86; Abb. 1a; medianes PFS: 6,5 Monate versus 1,9 Monate; HR 0,42; 95%-KI 0,32–0,56) [5]. Abb. 1 CELESTIAL-Studie, retrospektive Analyse: Gesamtüberleben (OS) in Abhängigkeit vom ALBI (Albumin/Bilirubin)-Score bei Behandlungsbeginn: a) ALBI-Score Grad 1, b) ALBI-Score Grad 2; modifiziert nach [5] Springer Medizin Verlag GmbH × Bei Patient*innen mit ALBI-Score Grad 2 war das PFS unter der Cabozantinib-Therapie gegenüber Placebo signifikant verlängert, für das OS ergab sich eine nichtsignifikante Tendenz zugunsten der Cabozantinib-Behandlung (medianes OS: 8,0 Monate versus 6,4 Monate; HR 0,84; 95%-KI 0,66–1,06; Abb. 1b; medianes PFS: 3,7 Monate versus 1,9 Monate; HR 0,46; 95%-KI 0,37–0,58). Nebenwirkungen vom Grad 3/4 waren in beiden Subgruppen (ALBI-Score Grad 1 und 2) konsistent zu denen der Gesamt-Studienpopulation [5, 8]. Gezeigt werden konnte auch: Der ALBI-Score Grad 1 ist unabhängig von der eingesetzten Therapie (Cabozantinib oder Placebo) mit einem verlängerten OS assoziiert und ein höherer ALBI-Score ist ein negativer Prognosefaktor. Insgesamt decken sich damit die Ergebnisse zum Therapie-Outcome in den beiden ALBI-Score-Subgruppen mit den Ergebnissen der Gesamt-Studien-population aus der Primäranalyse der CELESTIAL-Studie [5, 8]. Fazit: Cabozantinib verbesserte im Vergleich zu Placebo die klinischen Ergebnisse bei Patient*innen der ALBI-Score-Subgruppen Grad 1 und Grad 2 gleichermaßen. Der ALBI-Score-Grad eignet sich gut zur prognostischen Diskriminierung und könnte in zukünftigen randomisierten, kontrollierten Studien als Stratifizierungsparameter eingesetzt werden [5]. Die vollständige retrospektive Analyse [5] finden Sie unter www.campusdialog.de/kelley. Cabozantinib: aktueller Zulassungsstatus auf einen Blick Nierenzellkarzinom (RCC): Zugelassen als Monotherapie - für die Erstlinienbehandlung von erwachsenen Patient*innen mit mittlerem oder hohem Risiko - bei Erwachsenen nach vorangegangener zielgerichteter Therapie gegen VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor) [9]. Zugelassen als Kombinationstherapie mit Nivolumab für die Erstlinienbehandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Erwachsenen [9]. Leberzellkarzinom (HCC): Zugelassen als Monotherapie für die Behandlung von Erwachsenen, die zuvor mit Sorafenib behandelt wurden [9]. Differenziertes Schilddrüsenkarzinom (DTC): Zugelassen als Monotherapie für die Behandlung von Erwachsenen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem differenziertem Schilddrüsenkarzinom (DTC), die refraktär gegenüber Radiojod (RAI) sind oder dafür nicht in Frage kommen und bei denen es während oder nach einer vorherigen systemischen Therapie zum Progress kam. Empfehlungen in verschiedenen unabhängigen Leitlinien: RCC in der Erstlinie allgemein als Kombinationstherapie mit Nivolumab bzw., bei mittlerem oder hohem Risiko, als Monotherapie sowie in der Zweitlinie als Monotherapie: European Society for Medi-cal Oncology (ESMO) [13], European Association of Urology (EAU) [14], National Comprehensive Cancer Network (NCCN) [15], Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) [16]. HCC in der Zweitlinie als Monotherapie: ESMO [17], European Association for the Study of the Liver (EASL) [18], NCCN [19], International Liver Cancer Association (ILCA) [20] und Leitlinienprogramm Onkologie [21]. DTC in der Zweitlinie als Monotherapie: ESMO [22] und NCCN [23]. Literatur Zhou L et al., Oncogene 2016, 35:2687–2697 Yakes FM et al., Mol Cancer Ther 2011, 10:2298–2308 Kwilas AR et al., J Trans Med 2014, 12:294 Hodge JW et al., Int J Cancer 2013, 133:624–636 Kelley RK et al., Br J Cancer 2022, 126:569–575 Daher S et al., J Clin Transl Hepatol 2018, 6:69–78 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032–053OLl_S3_HCC_biliäre_Karzinome_2021–06.pdf. (letzter Aufruf: 30. März 2022) Abou-Alfa GK et al., N Engl J Med 2018, 379:54–63 Fachinformation Cabometyx®, Stand: April 2022 Kelley RK et al., ESMO Open 2020, 5:e000714 Božin T et al., Acta Clin Croat 2018, 57:292–300 Kuo YH et al., J Gastroenterol Hepatol 2017, 32:1975–1981 Powles T et al., Ann Oncol 2021, 32:1511–1519 Bedke J et al., Eur Urol 2021, 80:393–397 https://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/kidney.pdf. (letzter Aufruf: 1. April 2022) https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/nieren-zellkarzinom-hypernephrom/@@guideline/html/index.html. (letzter Aufruf: 1. April 2022) Vogel A et al., Ann Oncol 2018, 29 (Suppl 4):iv238–iv255 Bruix J et al., J Hepatol 2021, 75:960–974 https://www.nccn.org/guidelines/guidelines-detail?category=1&id=1438. (letzter Aufruf: 1. April 2022) https://ilca-online.org/wp-content/uploads/2020/06/Systemic-therapy-guidelines-V1.2.pdf. (letzter Aufruf: 1. April 2022) https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/HCC/Version_2/LL_HCC_biliäre_Karzinome_Langversion_2.0.pdf. (letzter Aufruf: 1. April 2022) Filetti S et al., on behalf of the ESMO Guidelines Committee, Ann Oncol 2022; https://doi.org/10.1016/j.annonc.2022.04.009 National Comprehensive Cancer Network (NCCN), Clinical Practice Guidelines in Oncology: Thyroid Carcinoma, Version: 1.2022 Impressum „Cabozantinib in verschiedenen onkologischen Entitäten – Fokusthema hepatozelluläres Karzinom: Leberfunktion und Therapie-Outcomein der HCC-Zweitlinientherapie“ Literaturarbeit Bericht: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt am Main Artikel gedruckt in "Die Onkologie", Band 28, Heft 6, Juni Mit freundlicher Unterstützung der Ipsen Pharma GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Friederike Holthausen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature. Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Cabozantinib in verschiedenen onkologischen Entitäten - Fokusthema hepatozelluläres Karzinom: Leberfunktion und Therapie-Outcome in der HCC-Zweitlinientherapie

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