Komorbiditäten Eisenmangel und Hyperkaliämie erkennen und behandeln

Im August 2021 wurde die aktualisierte Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffienz (HI) vorgestellt [1]. Alle HI-Patient*innen sollen nun regelmäßig auf einen Eisenmangel getestet werden. Zur Behandlung eines Eisenmangels† soll Eisencarboxymaltose für diese HI-Patient*innen erwogen werden. Ebenfalls sollen die Elektrolyte wie z.B. Kalium regelmäßig überprüft werden, um eine Hyperkaliämie frühzeitig zu erkennen und die Patient*innen gegebenenfalls mit einem Kaliumbinder (z.B. Patiromer) zu behandeln [1]. Die HI habe längst die Ausmaße einer Pandemie erreicht, mahnte Prof. Dr. Dieter Ropers, Chefarzt der Medizinischen Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, St. Theresien-Krankenhaus Nürnberg: Sie ist die zweithäufigste Todesursache nach der chronischen koronaren Herzkrankheit bei Frauen sowie die vierthäufigste bei Männern [2]. Zudem ist aufgrund der absehbaren demografischen Entwicklung, der zunehmenden Prävalenz HI-assoziierter Komorbiditäten und der absoluten Anzahl HI-bedingter stationärer Einweisungen mit einem Anstieg der HI-bedingten Krankenhausaufenthalte zu rechnen [1]. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Patientin bzw. ein Patient mit HI wegen akuter kardialer Dekompensation stationär behandelt werden muss, ist hoch. Überdies wird nahezu jede vierte wegen HI hospitalisierte Person innerhalb der nächsten 30 Tage erneut im Krankenhaus vorstellig und mehr als die Hälfte nach über 60 Tagen ab Entlassung („Drehtüreffekt“) [3]. Die Häufigkeit der Hospitalisierungen ist für die Mortalität der Betroffenen prädiktiv, da das mediane Überleben mit jedem weiteren Krankenhausaufenthalt sinkt [4]. Bei Hyperkaliämierisiko Kalium bestimmen In der aktualisierten ESC-Leitlinie zur HI gehört die Senkung der Sterblichkeit sowie die Verringerung der HI-bezogenen Hospitalisierung/Mortalität zu den strategisch übergeordneten Therapiezielen. Erstmals gibt die aktuelle Leitlinie vor, alle Betroffenen mit HFrEF (Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion [LVEF]; LVEF ≤40%) zur Verringerung der Morbidität und Mortalität mit einer Vierer-Kombination aus ARNi (Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor) bzw. ACEi (Angiotensin-Converting-Enzyme-Inhibitor), Betablocker, MRA (Mineralokortikoidrezeptorantagonist) und SGLT2i (Sodium-Glucose-Linked-Transporter-2-Inhibitor) zu behandeln (Abb. 1). Diese sollen möglichst bis zur maximal von der Patientin bzw. dem Patienten tolerierten Dosis oder bis zur Dosis, die in den Studien Anwendung fand, auftitriert werden [1], was in der Praxis oft nicht geschieht: Da drei der vier Medikamentenklassen eine Kaliumakkumulation im Serum begünstigen [5], sind über die Hälfte der so behandelten Patient*innen aus Sorge vor einer Hyperkaliämie unterdosiert [6] und somit kann sich die organprotektive Wirkung von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAASi) nicht voll entfalten. Bei Serum-Kalium-Spiegeln von >5,0mmol/l liegt eine Hyperkaliämie vor [5]. Laut der aktualisierten ESC-Leitlinie soll regelmäßig auch der Elektrolytstatus von Patient*innen mit chronischer HI bestimmt werden [1]. So kann eine Hyperkaliämie frühzeitig erkannt und behandelt werden. Abb. 1 Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Herzinsuffizienz: Neuer Algorithmus zum HFrEF-Management (Ausschnitt); modifiziert nach [1] Springer Medizin Verlag GmbH × Screening und Therapie von Eisenmangel Die Mehrheit der HI-Patient*innen würde einer Untersuchung zufolge Lebenszeit gegen Lebensqualität eintauschen [7]. Das unterstreicht die Wichtigkeit der gesundheitsabhängigen Lebensqualität, die stark von einem Eisenmangel beeinträchtigt werden kann: Ein unbehandelter Eisenmangel bei HI-Patient*innen kann die körperliche Leistungsfähigkeit verschlechtern [8], die Symptomatik verstärken [9] sowie zu häufigeren Krankenhauseinweisungen führen [8] und ist mit erhöhter Sterblichkeit assoziiert [9]. Bis zu 80% der Patient*innen mit akuter HI [10] und die Hälfte der Patient*innen mit chronischer HI [9] weisen einen Eisenmangel auf. Die ESC-Leitlinien empfehlen bei allen HI-Patient*innen, den Eisenstatus regelmäßig zu überprüfen [1]. Ropers zufolge sollte dies mindestens einmal pro Quartal erfolgen. Geeignete Parameter für die Kontrolle sind das Serum-Ferritin und die Transferrinsättigung (TSAT). Im Unterschied zum Hämoglobinwert, der erst bei manifester Eisenmangelanämie erniedrigt ist, erfasst der Ferritinwert auch den Speichereisenmangel. So kann ein Eisenmangel frühzeitig diagnostiziert und in der Folge möglicherweise auch behandelt werden. Leitlinie: Therapie mit Eisencarboxymaltose erwägen Bei symptomatischen Patient*innen mit einer LVEF <45% und einem Ferritinwert <100ng/ml (bzw. 100–299ng/ml bei gleichzeitiger TSAT von <20%) sollte wie bisher eine intravenöse (i.v.) Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose (FCM, ferinject® [11]) zur Therapie eines Eisenmangels† erwogen werden [1]. Neu hinzugekommen ist die erweiterte Empfehlung, die Eisenmangeltherapie mit FCM† nun auch bei kürzlich mit einer LVEF ≤50% hospitalisierten, symptomatischen Patient*innen in Betracht zu ziehen, um das Rehospitalisierungsrisiko zu senken [1]. Dagegen wird die orale Eisentherapie ausdrücklich nicht empfohlen, da sie weder zur ausreichenden Auffüllung der Eisenspeicher beiträgt, noch die körperliche Leistungsfähigkeit bei HFrEF und Eisenmangel nachweislich verbessert [1]. Ein Eisenmangel kann mit einer Infusion pro Woche (bis zu 1.000mg Eisen#) in 15 Minuten behandelt werden, mit einer Nachbeobachtungszeit von 30 Minuten [11]. Reduktion HI-bedingter Hospitalisierungen In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten AFFIRM-AHF-Studie wurden 1.108 Patient*innen, die mit akuter HI und Eisenmangel stationär aufgenommen worden waren, nach erreichter Stabilisierung entweder mit FCM oder Placebo behandelt [12]. Patient*innen der Verum-Gruppe erhielten im Schnitt zwei Infusionen mit einer Gesamtmenge von 1.352mg FCM [12]. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt, eine Kombination aus HI-bedingter Hospitalisierung und kardiovaskulär bedingtem Tod im Zeitraum von 52 Wochen, wurde knapp verfehlt (Rate Ratio [RR] 0,79; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,62–1,01; p=0,059) [12]. Durch die FCM-Therapie wurde jedoch im sekundären Endpunkt, der HI-bedingten Rehospitalisierung, eine relative Risikoreduktion um 26% ermöglicht (RR 0,74; 95%-KI 0,58–0,94; p=0,013) [12]. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass FCM im Vergleich zu Placebo bereits nach vier Wochen einen positiven Effekt auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität hatte, der bis zu 24 Wochen anhielt [13]. Kaliumkontrolle erlaubt adäquate Medikamentendosis Ein weiteres wichtiges Leitlinien-Update betrifft die regelmäßige Kontrolle der Elektrolyte als Teil des neuen Therapiekonzepts [1]: Elektrolytstörungen wie Hyperkaliämien treten bei Patient*innen mit HI häufig auf. Diese sind durch den Gebrauch von z.B. RAASi oftmals iatrogen induziert [5]. Daraus kann ein Behandlungsdilemma entstehen: Bei einer Hyperkaliämie unter Therapie mit RAASi setzen Ärzt*innen nicht selten diese wichtigen herz- und nierenprotektiven Medikamente ab oder dosieren sie nicht mehr ausreichend hoch [6]. Gerade einmal 26% der Patient*innen werden leitliniengerecht mit RAASi behandelt [6]. Neben den adäquaten Zieldosierungen der Herzmedikation wird in der ESC-Leitlinie darauf hingewiesen, dass die Verabreichung von Kaliumbindern wie z.B. Patiromer (Veltassa®) die Initiierung bzw. die leitliniengerechte Dosierung der medikamentösen HI-Therapie ermöglichen kann [1]. Patiromer wird als geschmacksneutrales, natriumfreies [14] Pulver zur Herstellung einer oralen Suspension als 8,4-g-Beutel oder 16,8-g-Beutel angeboten. Die empfohlene Anfangsdosis sind 8,4g Patiromer einmal täglich [15]. Prof. Dr. Stephan Jacob, Facharzt für Innere Medizin, Praxis für Prävention und Therapie, Villingen-Schwenningen, gibt an, dass 90% seiner Patient*innen nur einen Beutel pro Tag benötigten. Das Pulver kann mit Wasser eingenommen oder auch in Säfte und Joghurt/Pudding eingerührt werden [15]. Patiromer wirkt ab der ersten Einnahme: Bereits nach 4–7 Stunden erfolgt der Wirkeintritt [16]. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass aufgrund der wirkungsvollen Kaliumsenkung durch Patiromer die RAASi-Therapie optimal dosiert werden kann [1]. In der PEARL-HF-Parallelgruppenstudie konnten 91% der mit Patiromer behandelten Patient*innen mit HI und Hyperkaliämierisiko eine Therapie mit Spironolacton beginnen und höhere Dosen einnehmen, ohne dass der Zielwertbereich für Serumkalium überschritten wurde [17]. In der AMBER-Studie konnten 86% der chronisch niereninsuffizienten Patient*innen die Therapie mit Spironolacton beibehalten (versus 66% unter Placebo) [18]. In der OPAL-HK-Studie (Teil B) zeigten mit Patiromer Behandelte deutlich seltener Hyperkaliämie-Rezidive als mit Placebo Behandelte [19]. Aktuelle Daten der DIAMOND-Studie, der bisher größten randomisierten klinischen Studie mit einem Kaliumbinder bei HI-Patient*innen, zeigten, dass 85% der Patient*innen mit HFrEF und medikationsbedingter Hyperkaliämie unter Patiromer optimale Dosen der Herzmedikation erhalten konnten [20]. Patiromer kann eine langfristige [21] Kontrolle der Normokaliämie und die Fortsetzung einer bestmöglichen leitliniengerechten Herzmedikation [1] bei erwachsenen HI-Patient*innen mit Hyperkaliämie ermöglichen. „Durch Patiromer können wir die Organprotektion unserer Patient*innen unterstützen, weil wir die maximal tolerierte Dosis der Primärmedikation ermöglichen können“, so Jacob. †ferinject® ist indiziert zur Behandlung von Eisenmangelzuständen, wenn orale Eisenpräparate unwirksam sind, nicht angewendet werden können oder die medizinische Notwendigkeit einer raschen Eisengabe besteht. Die Diagnose eines Eisenmangels muss durch geeignete Laboruntersuchungen bestätigt sein [11]. #Bei Patient*innen mit hämodialysepflichtiger chronischer Nierenerkrankung darf eine einmalige Dosis von 200mg/Tag ferinject® nicht überschritten werden [11]. Literatur McDonagh TA et al., Eur Heart J 2021, 42:3599–3726 Nationale VersorgungsLeitlinie „Chronische Herzinsuffizienz“, Version 3, AWMF-Register-Nr. nvl-006 Gheorgiade M et al., J Am Coll Cardiol 2013, 61:391–403 Setoguchi S et al., Am J Heart 2007, 154:260–266 Dunn JD et al., Am J Manag Care 2015, 21(15 Suppl):S307–S315 Epstein M et al., Am J Manag Care 2015, 21(11Suppl):S212–S220 Kraai ICH et al., Eur J Heart Fail 2013, 15:1113–1121 Martens P et al., Acta Cardiol 2018, 73:115–123 Klip IT et al., Am Heart J 2013, 165:575–582 Cohen-Solal A et al., Eur J Heart Fail 2014, 16:984–991 Fachinformation ferinject®, jeweils gültige Fassung Ponikowski P et al., Lancet 2020, 396:1895–1904 Jankowska EA et al., Eur Heart J 2021, 42:3011–3020 Lainscak M, Card Fail Rev 2017, 3:33–39 Fachinformation Veltassa®, jeweils gültige Fassung Bushinsky DA et al., Kidney Int 2015, 88:1427–1433 Pitt B et al., Eur Heart J 2011, 32:820–828 Agarwal R et al., Lancet 2019, 394:1540–1545 Weir MR et al., N Engl J Med 2015, 372:211–221 Butler J, ACC 2022, Washington DC, USA, 3. April 2022 Bakris GL et al., JAMA 2015, 314:151–161 Impressum „Herausforderungen im Herzinsuﬃzienz-Management – Neue Leitlinien, neue Anforderungen“ Symposium und Pressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 2. Mai 2022 Bericht: Dr. Yuri Sankawa, Stuttgart Artikel gedruckt in „Die Innere Medizin“ Band 63, Heft 9, September 2022 Mit freundlicher Unterstützung der Vifor Pharma Deutschland GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Annette Schilling Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: Herzinsuffizienz: ESC-Leitlinie 2021 - Komorbiditäten Eisenmangel und Hyperkaliämie erkennen und behandeln

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