MS-Therapie bremst langfristig den Krankheitsverlauf

Eine kontinuierliche MS-Therapie reduziert das Risiko, eine Gehhilfe zu benötigen, um zwei Drittel. Die Behinderungsprogression wird fast um die Hälfte gesenkt. Darauf deutet eine Modellrechnung basierend auf Registerdaten. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Randomisiert-kontrollierte Studien konnten für Zeiträume von zwei bis drei Jahren klar zeigen, dass eine krankheitsmodifizierende MS-Therapie die Behinderungsprogression bremst. Für längere Zeiträume ist die Datenlage hingegen weniger eindeutig. Es ist daher letztlich nicht klar bewiesen, dass MS-Therapien dauerhaft und langfristig in der Lage sind, schwere Behinderungen hinauszuzögern oder zu verhindern, etwa solche, die zur Nutzung einer Gehhilfe oder eines Rollstuhls führen. Unklar ist auch, ob die Therapien das Leben verlängern. All das wird zwar vermutet, ist aber nur schwer zu belegen, nicht zuletzt, weil es kaum noch unbehandelte MS-Patienten gibt. Neurologen um Dr. Tomas Kalincik von der Universität in Melbourne, Australien, haben sich dem Problem nun mit Modellrechnungen genähert. Sie verwendeten dazu Angaben des großen internationalen MS-Registers MSBase und analysierten Perioden mit und ohne MS-Therapie. So machen viele MS-Patienten immer wieder Therapiepausen, etwa weil sie Nebenwirkungen oder über längere Zeit keine Schübe und Symptome mehr haben. Das Team um Kalincik schaute, wie häufig sich der EDSS-Wert in Phasen mit und ohne MS-Therapie verändert, wie häufig jeweils Schübe auftreten und in welchen Phasen die Patienten eher einen EDSS-Wert von 6 erreichen und damit auf eine Gehhilfe angewiesen sind. Daraus konstruierten sie Kohorten von hypothetisch kontinuierlich unbehandelten und behandelten Patienten. Fünf versus neun Schübe in 15 Jahren Insgesamt lagen ausreichend Angaben zu über 14.700 MS-Patienten vor, im Median über eine Periode von sechs Jahren, zu rund 1100 Patienten auch über 15 Jahre hinweg. Alle wurden zumindest zeitweise mit MS-Therapeutika behandelt, im Schnitt zu 69% der erfassten Zeit. Hauptsächlich nahmen die Patienten die älteren Basistherapeutika, also Interferone und Glatirameracetat, nur über 9% der Behandlungsjahre erfolgte eine Therapie mit Natalizumab oder Fingolimod. Unter Berücksichtigung von Begleitfaktoren kamen die Forscher auf eine jährliche Schubrate von 0,32 mit und 0,46 ohne Immunmodulatoren. Über 15 Jahre hinweg berechneten sie pro MS-Patient fünf Schübe mit und neun ohne MS-Therapie. Empfehlung der Redaktion Aktuelle News & Übersichten Themenseite Multiple Sklerose Auf der Themenseite Multiple Sklerose halten wir Sie über die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf dem Laufenden. Nach diesen Daten senkt eine MS-Therapie das Risiko für neue Behinderungen um 44%. Eine Gehhilfe benötigen im Laufe von 15 Krankheitsjahren 13% der behandelten und 41% der unbehandelten Patienten – eine Risikoreduktion unter der Behandlung von 66%. Die Unterschiede zwischen den Gruppen scheinen sich dabei mit der Zeit zu vergrößern. Wurden nur die progredienten MS-Formen betrachtet, ergaben sich jedoch keine signifikanten Differenzen zwischen behandelten und unbehandelten Patienten. Dies stützt Beobachtungen, nach denen zumindest die älteren Basistherapeutika bei progredienter MS kaum wirksam sind. Schauten die Neurologen nur auf die Patienten mit über 15 Jahren Nachbeobachtungsdauer, so ergaben sich ähnliche Resultate, ebenso, wenn sie nur Patienten mit bestimmtem Alter berücksichtigten, oder solche, die bei Krankheitsbeginn in das Register aufgenommen wurden. Die Ärzte um Kalincik sehen in ihrer Modellrechnung einen weiteren Hinweis, dass immunmodulatorische Therapien die Krankheitsprogression langfristig verzögern: Je länger die Behandlung dauert, umso größer der Vorteil – zumindest bei schubförmiger MS. Das Wichtigste in Kürze Frage: Verhindern MS-Therapien langfristig Behinderungen? Antwort: Nach Modellrechnungen auf Basis des MSBase-Registers ist das Risiko für neue Behinderungen über 15 Jahre hinweg fast halbiert, wenn MS-Patienten kontinuierlich Immunmodulatoren erhalten. Bedeutung: MS-Therapeutika scheinen den Patienten auch langfristig zu nutzen.Einschränkung: Modellrechnung mit Gefahr von Indikationsbias – Patienten mit aktiver MS haben seltener therapiefreie Phasen.

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