Erste zielgerichtete Therapie bei KRAS-G12C-Mutation

KRAS-Mutationen sind häufige onkogene Treiber bei nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC). Mit Sotorasib ist jetzt erstmals eine zielgerichtete Therapie für erwachsene Patient*innen mit fortgeschrittenem NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation zugelassen, bei denen nach mindestens einer vorherigen systemischen Therapie eine Progression eingetreten ist [1]. In der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie CodeBreaK 100 wurde mit dem KRAS-G12C-Inhibitor Sotorasib eine Krankheitskontrollrate (DCR) von 80,6% erreicht und das mediane Gesamtüberleben betrug 12,5 Monate [2]. Das NSCLC ist genetisch sehr heterogen. In den vergangenen Jahren konnten immer mehr Subgruppen mit Treibermutationen definiert werden, die einer zielgerichteten Therapie zugänglich sind. Für die relativ häufigen KRAS-Mutationen galt das bislang nicht, obwohl diese zu den am längsten bekannten „Krebsgenen“ gehören. Sie finden sich bei etwa 25% der Adenokarzinome der Lunge [3]. Mutationen im KRAS-Gen führen zu einer Hyperaktivierung verschiedener Signalwege und zu einem unkontrollierten Zellwachstum [4]. Die häufigste KRAS-Variante ist die Mutation p.G12C, bei der in Codon 12 Glycin durch Cystein ersetzt wurde. Die Prävalenz dieser Alteration wird mit 13% aller Adenokarzinome der Lunge angegeben [5]. Erster KRAS-Inhibitor überhaupt Lange galt die KRAS-Mutation als medikamentös nicht behandelbar („undruggable“). Erstmals gelang es mit spezifischen Inhibitoren des KRAS-G12C-Proteins, die durch KRAS regulierten Signalwege zu hemmen. Sotorasib (Lumykras®) hält das KRAS-G12C-mutierte Protein in seiner inaktiven Form, sodass Zellproliferation und Überleben der Zelle blockiert werden, ohne den Signalweg des Wildtyp-KRAS-Proteins zu beeinträchtigen [6, 7]. Indiziert ist eine Monotherapie mit dem ersten Vertreter der KRAS-Inhibitoren bei erwachsenen Patient*innen mit fortgeschrittenem NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation, die nach mindestens einer systemischen Therapie einen Progress erlitten haben [1]. Die Zulassung basiert auf den Ergebnissen der Studie CodeBreaK 100 [2]. Studie CodeBreaK 100 An der multizentrischen offenen Phase-II-Studie nahmen 126 Erwachsene mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit einer in einem zentralen Labor bestätigten KRAS-G12C-Mutation teil, die bereits eine Immuntherapie mit einem Antikörper gegen PD-1 (programmed cell death 1) oder PD-L1 (programmed death ligand 1), eine platinbasierte Chemotherapie oder beides erhalten hatten und deren Tumorerkrankung erneut progredient war [2]. 81% der Patient*innen hatten zuvor bereits sowohl eine Immuntherapie als auch eine platinhaltige Kombinationschemotherapie erhalten. Die Studienmedikation bestand aus einmal täglich 960mg Sotorasib oral bis zum Progress. Primärer Endpunkt der Studie war die Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR) nach RECIST (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors). Hoher Anteil an Krankheitskontrolle Das Ansprechen auf die Therapie konnte bei 124 Patient*innen ausgewertet werden [2]. Die ORR lag bei 37,1%; viermal (3,2%) wurde ein komplettes Ansprechen erreicht, 42-mal (33,9%) ein partielles. Eine mindestens stabile Erkrankung wiesen weitere 54 Patient*innen auf (43,5%), sodass der Anteil der Patient*innen mit erreichter Krankheitskontrolle insgesamt bei 80,6% lag. Ein Rückgang des Tumorvolumens zu irgendeinem Zeitpunkt fand sich bei 102 Patient*innen (82,3%). Frühes und anhaltendes Ansprechen Wurde ein Therapieansprechen beobachtet, trat dies im Median nach 1,4 Monaten auf und hielt median 11,1 Monate an (Abb. 1) [2]. Bereits bei der ersten Nachuntersuchung nach etwa sechs Wochen war das Ansprechen bei 71,7% jener Patient*innen feststellbar, die überhaupt eines zeigten. Bei 70,8% hielt das Ansprechen bis zum sechsten Monat an, bei 57,3% bis zum neunten Monat. Subgruppenanalysen zufolge war das Ansprechen unabhängig von der PD-L1-Expression, der Tumormutationslast oder weiteren nachgewiesenen Mutationen wie STK11, KEAP1 oder TP53. Abb. 1 CodeBreaK-100-Studie: Dauer des Tumoransprechens auf Sotorasib bei fortgeschrittenem NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation (modifiziert nach [2]) Springer Medizin Verlag GmbH × Progressionsfreies und Gesamtüberleben Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) lag nach einer Beobachtungszeit von median 15,3 Monaten bei 6,8 Monaten [2]. Zum 6-Monatszeitpunkt betrug die PFS-Rate 52,2%, zum 9-Monatszeitpunkt 37,5%. Das mediane Gesamtüberleben (OS) erreichte 12,5 Monate (Abb. 2). Abb. 2 CodeBreaK-100-Studie: Gesamtüberleben von Patient*innen mit vorbehandeltem progredienten fortgeschrittenen NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation bei Therapie mit Sotorasib (modifiziert nach [2]) Springer Medizin Verlag GmbH × Die häufigsten unerwünschten Ereignisse (UE) waren Diarrhoe (34%), Übelkeit (25%) und Fatigue (21%). Als häufigste schwere UE (Grad ≥3) wurden erhöhte Alanin-Aminotransferase (ALT; 5%), erhöhte Aspartat-Aminotransferase (AST; 4%) und Diarrhoe (4%) registriert [1]. Behandlungsassoziierte UE führten in 22,2% der Fälle zu einer Dosismodifikation und bei 7,1% der Patient*innen zu einem Therapieabbruch [2]. Auch bei Hirnmetastasen wirksam Bei der Rekrutierung für die CodeBreaK-100-Studie waren Patient*innen mit aktiven Hirnmetastasen ausgeschlossen worden, nicht aber diejenigen mit resezierten, stabilen oder asymptomatischen Hirnmetastasen, deren Bestrahlung mindestens vier Wochen vor Studienbeginn abgeschlossen war [8]. Von insgesamt 174 NSCLC-Patient*innen aus der Phase 1 und 2 der Studie CodeBreaK 100 wiesen 40 (23,0%) stabile Hirnmetastasen auf. Auch in dieser Situation zeigte sich nach einer retrospektiven Analyse ein anhaltendes Ansprechen auf Sotorasib. Diese Patient*innen erreichten ein medianes PFS von 5,3 Monaten und ein medianes OS von 8,3 Monaten. Bei 14 von 16 Patient*innen, bei denen das Ansprechen von Hirnmetastasen auf Sotorasib anhand von Kontrollscans ermittelt werden konnte, fand sich eine intrakranielle Krankheitskontrolle. Ausblick Die Phase-II-Studie CodeBreaK 100 belegt, dass Patient*innen mit einem fortgeschrittenen NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation und Progress nach einer vorhergehenden Standardtherapie klinisch anhaltend von Sotorasib profitieren können und dies bei guter Verträglichkeit [2]. Sotorasib (Lumykras®) wird derzeit in der Phase-III-Studie CodeBreaK 200 mit Docetaxel verglichen [9]. Biomarkertestung entscheidend Treibermutationen in nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) wirken sich erheblich auf Prognose und Therapie aus. Deshalb empfehlen nationale und internationale Leitlinien, dass von jedem NSCLC bei der Erstdiagnose ein vollständiges molekulares Mutationsprofil erstellt werden sollte, um gegebenenfalls eine individualisierte, zielgerichtete Therapie anbieten zu können [10–13]. Die Empfehlungen zur Biomarkertestung aller NSCLC-Patient*innen berücksichtigen auch prognostisch bedeutsame Biomarker, für die bislang noch keine spezifische Therapie zugelassen ist. So wurde schon bisher empfohlen, bei den Tests auch KRAS-Mutationen zu berücksichtigen. Mit der Zulassung von Sotorasib (Lumykras®) wird die Bedeutung des Next-Generation-Sequencing zur Identifikation von KRAS-Mutationen noch wichtiger. Das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs und das Lungennetzwerk NOWEL setzen sich für die flächendeckende Testung aller Patient*innen mit Lungenkrebs und die Implementierung personalisierter Therapien in der Routineversorgung ein [14, 15]. Weitere Informationen für Fachkreise sind über den QR-Code abrufbar. Literatur Fachinformation Lumykras® Skoudis F et al., N Engl J Med 2021, 384:2371–1381 Pakkala S, et al. JCI Insight 2018, 3:e120858 Ostrem JM et al., Nature 2013, 503:548–551 Biernacka A et al., Cancer Genet 2016, 209:195–198 Canon J et al., Nature 2019, 575:217–223 Cox AD et al., Nat Rev Drug Discov 2014, 13:828–51 Ramalingam SS et al., World Conference on Lung Cancer, Worldwide Virtual Event, 8.–14.09.2021, Poster P52.03; abrufbar über die Suche unter https://library.iaslc.org/ (letzter Abruf: 1.2.2022) ClinicalTrials.gov number, NCT04303780 Griesinger F et al., Onkopedia-Leitlinie Lungenkarzinom, nichtkleinzellig (NSCLC), Juli 2021; www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc/@@guideline/html/index.html (letzter Abruf: 7.1.2022) S3-Leitlinie Lungenkarzinom Langversion 1.0 – Februar 2018 AWMF-Registernummer 020/007OL; www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020–007OL_l_S3_Lungenkarzinom_2018–03.pdf (letzter Abruf: 7.1.2022) NCCN Guidelines for Non-Small Cell Lung Cancer V1.2022 vom 9.12.2021; www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/nscl_blocks.pdf (letzter Abruf: 7.1.2022) Planchard D et al., Ann Oncol 2018, 29:192–237 www.nngm.de/netzwerkzentren/ (letzter Abruf: 7.1.2022) www.nowel.org/netzwerk/mitglieder-des-netzwerks/ (letzter Abruf: 7.1.2022) Impressum „Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom: Erste zielgerichtete Therapie bei KRAS-G12C-Mutation“ Literaturarbeit Bericht: Friederike Klein, München Artikel gedruckt in „Der Onkologe“, Band 28, Heft 3, März 2022 Mit freundlicher Unterstützung der Amgen GmbH, München Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Sabine Jost Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom - Erste zielgerichtete Therapie bei KRAS-G12C-Mutation

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