„Unzeitgebühr“ gilt auch, wenn Patienten das Arzt-Handy anrufen

Ärzte, die sich im Notfall für ihre Patienten per Handy bereithalten und das bei Anruf auch abrechnen, sollen dafür nicht bestraft werden. Aber: Abendtermine dürfen nicht zum Geschäftsmodell werden, sagt das BSG. In heiklen Fällen geben manche Ärzte schon mal eine Handynummer heraus, damit Patienten sich bei Problemen auch außerhalb der regulären Sprechzeiten melden können. Wenn Patienten dies dann auch tun, dürfen Ärzte die „Unzeitgebühr“ abrechnen. Das hat jetzt der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel entschieden. Ein Geschäftsmodell sollen Ärzte daraus allerdings nicht machen. Im entschiedenen Fall geht es um eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) für Anästhesiologie in Bayern, die sich auf belegärztliche Leistungen bei ambulanten Operationen spezialisiert hat. Wegen „auffälliger Tagesarbeitszeiten“ führte die KV Bayerns eine Plausibilitätsprüfung durch. Jederzeitigen Bereitschaftsdienst selbst organisiert? Diese endete mit einer Honorarberichtigung, insbesondere wegen der häufigen Abrechnung der sogenannten Unzeitgebühr (GOP 01100). In der Leistungslegende der GOP heißt es dazu: „Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten zwischen 19:00 und 22:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen … zwischen 7:00 und 19:00 Uhr“. Sie ist mit 196 Punkten bewertet (21,53 Euro). Während das Sozialgericht München der Klage gegen die Honorarberichtigung noch stattgab, wies das Landessozialgericht (LSG) die ÜBAG ab. „Unvorhergesehen“ sei die Inanspruchnahme nur, wenn der Arzt damit nicht gerechnet habe. Hier hätten die Ärzte aber eine Mobiltelefonnummer offensiv verbreitet und so faktisch einen jederzeitigen Bereitschaftsdienst selbst organisiert. Ärzte dürfen Handynummer herausgeben Hierzu stellte das BSG nun klar, dass Ärzte durchaus eine Telefonnummer herausgeben dürfen, unter der sich Patienten notfalls auch außerhalb der Sprechzeiten melden können. Im Bereich der Anästhesie seien postoperative Komplikationen selten. Allein die Herausgabe einer Not-Telefonnummer könne daher nicht als Organisation eines eigenen Bereitschaftsdienstes angesehen werden. Daher sei die Unzeitgebühr grundsätzlich abrechnungsfähig. Das Argument der KV, mit der Herausgabe der Nummer böten Ärzte freiwillig einen „Dauerdienst“ an, ließ der BSG-Vertragsarztsenat nicht gelten. Er machte so deutlich, dass ein aus seiner Sicht gutes Angebot an die Patienten nicht von vornherein abrechnungstechnisch kaputtgemacht werden sollte. Einbestellung zur Kontrolle schließt Unzeitgebühr aus Allerdings dürfe dies nicht zum Geschäftsmodell werden. So sei die Unzeitgebühr nicht abrechnungsfähig, wenn ein Arzt selbst Patienten zur abendlichen Kontrolle einbestellt oder ausdrücklich zu einem Anruf nach Schließung der Praxis auffordert. Gleiches gelte, wenn Patienten zur „Unzeit“ die Praxis des Operateurs aufsuchen und dort dann auch noch auf den Anästhesisten treffen. Natürlich können sich Unzeit-Termine aber auch mal einfach zufällig häufen. Nach dem Kasseler Urteil sollten Ärzte dann besonders penibel auf ihre Dokumentation achten, damit sie jeweils die Gründe belegen können. „Erhöhte Darlegungslast“ bei häufiger Abrechnung Auch im Streitfall bekommt die ÜBAG daher noch eine Chance; das LSG München soll die Sache nochmals prüfen. Allerdings gebe es deutliche Hinweise auf eine Unrichtigkeit der Abrechnung, betonte das BSG. Daher bestehe eine „erhöhte Darlegungslast“ der klagenden Praxis. So habe es hier die ÜBAG geschafft, allein für sich über zehn Prozent der „Unzeitgebühren“ ganz Bayerns abzurechnen. Zudem falle auf, dass die angeblich unvorhergesehenen Komplikationen der Patienten durchweg abends auftreten, aber fast nie nachts zwischen 22 und 7 Uhr. Bundessozialgericht Az.: B 6 KA 13/19 R

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