Erschienen in:
01.04.2024 | Editorial
Sozialrechtliche Fragestellungen in der Onkologie: eine Frage der sozialen Teilhabe
verfasst von:
Prof. Dr. Ingo Neupert
Erschienen in:
Forum
|
Ausgabe 2/2024
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Auszug
Bei der Diagnosestellung einer Krebserkrankung steht für die Betroffenen zunächst der Zugang zu geeigneten medizinischen Therapien im Mittelpunkt. Patient:innen sehen sich oft zum ersten Mal mit dem Gesundheitsversorgungssystem und dessen eigenen Logiken, Strukturen sowie Abläufen konfrontiert, was an sich schon Überforderungspotenziale mit sich bringt. Mit der Etablierung leitliniengestützter Behandlungen und Standards sowie der Weiterentwicklung von zertifizierten Zentren haben Patient:innen Zugang zu einer qualitätsgesicherten Versorgung. Allerdings können sich je nach Tumoridentität und -stadium für Patient:innen körperliche Konsequenzen ergeben, wie beispielsweise Leistungs- oder Funktionseinschränkungen. Die biopsychosoziale Perspektive auf eine Krebserkrankung erweitert den Fokus um die psychischen sowie sozialen Auswirkungen und berücksichtigt damit die weitreichenden Anforderungen an die Bewältigungskräfte für Betroffene sowie deren soziales Umfeld. Im Hinblick auf die psychischen Dimensionen können Patient:innen je nach individuellen Ressourcen mit Unsicherheiten, Sorgen, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ängsten konfrontiert sein. Einerseits geht es um die eigene veränderte Lebensplanung, andererseits um die subjektive Alltags- und Lebensbewältigung mit der Erkrankung. Wichtig ist, die Erkrankung in die eigene Biografie und den Alltag zu integrieren und sich mit dem Verlust von Sicherheit und Orientierung durch veränderte Lebensroutinen auseinanderzusetzen. Hieraus ergeben sich enge Verbindungen zu den sozialen Aspekten einer Erkrankung. Gemäß der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) kann die soziale Dimension als Ermöglichung zur Ausfüllung von sozialen Rollen sowie als Teilhabe an bzw. in einer Gemeinschaft beschreiben werden. Dabei wird das soziale Wohlbefinden auf der Subjektebene von der Fähigkeit zur sozialen Interaktion und der Gestaltung von positiven Beziehungen beeinflusst. In Abhängigkeit von strukturellen und gesellschaftlichen Bedingungen fühlen sich Menschen wertgeschätzt und gesellschaftlich integriert. …