Mit Süßstoff gesüßte Lebensmittel, sog. Light-Produkte, werden oftmals als gesundheitsfördernd propagiert. Doch offenbar scheinen sie genau das Gegenteil zu bewirken, wie aktuelle Untersuchungen nahelegen.
Der Süßstoff Erythrit geht aktuellen Untersuchungen zufolge mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einher. Grund dafür scheint u.a. eine durch den Konsum gesteigerte Thromboseneigung zu sein. Diese Beobachtungen seien beunruhigend, wenn man bedenke, für welche Menschen die Zuckerersatzstoffe vermarktet werden, nämlich solche, die typischerweise ein hohes Risiko für künftige kardiovaskuläre Ereignisse tragen wie Patienten mit Diabetes, Übergewicht, zurückliegenden kardiovaskulären Erkrankungen oder einer eingeschränkten Nierenfunktion, erörtern die Autoren um Dr. Marco Witkowski, Cleveland Clinic, die Brisanz ihrer Befunde.
Light-Produkten wird eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt ...
Als Light- oder Zero-Produkte haben sich Süßstoffe seit Jahrzehnten im Lebensmittelmarkt etabliert. Ursprünglich wurden solche Produkte speziell für Menschen mit metabolischen Erkrankungen wie Diabetes entwickelt, um die Aufnahme gesüßter Lebensmittel ohne Zucker zu ermöglichen. In der Folge haben sie sich aber über diese Zielgruppe hinaus stark verbreitet. Viele Menschen greifen heutzutage auf Light-Produkte zurück, in dem Glauben, ihrer Gesundheit damit etwas Gutes zu tun. Allerdings geht die Wissenschaft inzwischen eher vom gegenteiligen Effekt aus, dass Süßstoffe eher schaden als Gutes bewirken.
... doch Süßstoff Erythrit ist mit erhöhtem MACE-Risiko assoziiert
Davon gehen auch Witkowski und sein Team aus. Die Forscher haben zunächst in Form von „untargeted“ Metabolomic-Analysen nach Stoffwechselprodukten gesucht, die in den kommenden drei Jahren mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Tod, Infarkt und Schlaganfall = MACE) einhergehen. Dafür nutzten sie Plasmaproben einer Kohorte von Patientinnen und Patienten, die sich an der Cleveland Clinic einer elektiven Katheterintervention unterzogen hatten (n=1.157). Diese Personen wurden daraufhin für drei Jahre nachbeobachtet. Dabei fand sich eine Assoziation zwischen einer Vielzahl von Zuckeralkoholen (Polyolen) mit den während dieser Zeit aufgetretenen MACE-Ereignissen; speziell der Lebensmittelzusatzstoff Erythrit ging mit einem erhöhten Risiko einher (Hazard Ratio, HR: 3,22; p ˂ 0,0001).
Den zu beobachtenden Zusammenhang zwischen Erythrit-Konzentrationen im Plasma und MACE-Ereignissen konnten Witkowski und sein Team in den darauffolgenden „targeted“ Metabolomic-Analysen bestätigen. Hierfür suchten sie gezielt nach Verbindungen zwischen den mittels LC-MS/MS-Assay (Flüssigchromatografie mit Massenspektrometrie-Kopplung) analysierten Plasmakonzentrationen des Süßstoffes und den in der Folge aufgetretenen MACE-Ereignissen. Und tatsächlich fanden sie ein mit erhöhten Erythrit-Plasmaspiegeln in Beziehung stehenden MACE-Anstieg: sowohl in einer US-Kohorte mit 2.149 Personen aus der Cleveland-GeneBank (höchste vs. niedrigste Quartile der Erythrit-Plasmalevel = HR: 2,64, p ˂ 0,0001) als auch in einer europäischen Kohorte mit 833 Personen (HR: 4,48; p ˂ 0,0001). Für letzteres wurden Proben von Patientinnen und Patienten der LipidCardio-Studie verwendet, einer Beobachtungsstudie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das bei hohen Erythrit-Plasmalevel zu beobachtende erhöhte MACE-Risiko zeigte sich auch unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren.
Erhöhte Plättchenaktivität und Thromboseneigung
In „in vivo“- und „in vitro“-Studien konnten die Wissenschaftler um Witkowski darüber hinaus eine durch Erythrit induzierte erhöhte Plättchenaktivität und Thromboseneigung feststellen.
Daraufhin untersuchten die Forscher, in welchem Ausmaß sich die Erythrit-Plasmakonzentrationen nach Einnahme entsprechend gesüßter Produkte erhöhen. In Rahmen einer prospektiven Pilotstudie wurden hierfür Blutproben von acht gesunden Personen untersucht, die Erythrit-haltiges Wasser (30 g) zu sich genommen hatten. Im Plasma der Probanden konnten die Wissenschaftler noch Tage nach der Süßstoff-Einnahme deutlich erhöhte Erythrit-Konzentrationen nachweisen, und zwar oberhalb der Werte, die in den genannten in vitro- und in vivo-Studien mit einer erhöhten Plättchenreaktivität und Thromboseneigung assoziiert waren.
„Nach Exposition mit über die Ernährung aufgenommenen Erythrit könnte eine längere Phase eines potenziell erhöhten Thromboserisikos folgen“, spekulieren Witkowski und Kollegen angesichts dieser Befunde. „Unsere Ergebnisse weisen auf die Notwendigkeit weiterer Sicherheitsstudien hin, in welchen die Langzeiteffekte von Süßstoffen, im Speziellen Erythrit, auf das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko untersucht werden, insbesondere bei Personen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko“, erörtern sie die laut ihnen erforderlichen nächsten Schritte. Entsprechende Untersuchungen sind auch deshalb notwendig, weil sich anhand der aktuellen Studien keine Kausalität ableiten lässt, es wurden ausschließlich Assoziationen aufgezeigt!