Mit Inkretinmimetika deutliche Gewichtsreduktion auch bei Typ-1-Diabetes

Bei übergewichtigen oder adipösen Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes kann mit den Inkretinmimetika Tirzepatid und Semaglutid offenbar eine deutliche Gewichtsreduktion erzielt werden. Die Anwendung (off-label) war in zwei Pilotstudien aus den USA auch mit einer Verbesserung glykämischer Parameter verbunden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wer über viele Jahre an Typ-1-Diabetes leidet, ist oft übergewichtig oder adipös. Das hängt nicht nur mit der Insulinbehandlung bzw. der dadurch verbesserten Kohlenhydratverwertung zusammen, sondern oft genug auch mit Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel oder schlechter Ernährung. Diese Konstellation ist insofern gefährlich, als Übergewicht per se zur Insulinresistenz und zu Blutzuckerentgleisungen beiträgt. Nicht selten entwickeln Erkrankte mit Typ-1-Diabetes im Alter zusätzlich einen Typ-2-Diabetes. Kleine Studien mit kurzer Nachbeobachtung Im Barbara Davis Center for Diabetes an der Universität Colorado hat ein Forschungsteam in zwei getrennten retrospektiven Studien untersucht, ob Betroffene mit langjährigem Typ-1-Diabetes und Übergewicht bzw. Adipositas von einer Off-label-Therapie mit einem Inkretinmimetikum profitieren. In der ersten Studie wurde der GLP(Glucagon-like Peptid)-1-Agonist Semaglutid eingesetzt [1], in der zweiten das „Twinkretin“ Tirzepatid, welches sowohl am GLP-1- als auch am GIP(glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid)-Rezeptor wirkt [2]. Als Vergleichsgruppe dienten nach Alter, Geschlecht, Gewicht/BMI, Diabetesdauer und Ausgangs-HbA1c angepasste Kontrollpersonen ohne gewichtsreduzierende Medikation. Beide Studien waren mit 50 bzw. 62 Teilnehmenden klein. Die jeweilige Substanz musste mindestens drei Monate angewendet worden sein. Nachbeobachtet wurde jeweils ein Jahr. Deutlicher Gewichtsverlust in beiden Studien In der Semaglutid-Studie waren die Beteiligten zu Beginn median 42 Jahre alt, seit median 27 Jahren an Diabetes erkrankt und hatten einen BMI von median 33,5 kg/m2. Die anfängliche Wirkstoffdosis betrug 0,63 mg pro Woche, diese wurde innerhalb von zwölf Monaten in mehreren Schritten auf letztlich 0,92 mg pro Woche gesteigert. Am Studienende hatte die Semaglutid-Gruppe median rund 7 kg oder knapp 8% ihres Körpergewichts verloren, der BMI war um 2,6 kg/m2 gesunken. Dagegen hatte die Kontrollgruppe um fast ein Kilo zugelegt. Der tägliche Insulinbedarf (TDD, Total Daily Dose) hatte sich in dieser Studie in beiden Gruppen nicht signifikant verändert; dafür hatte der HbA1c über den gesamten Studienzeitraum in der Semaglutid- im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant stärker abgenommen und auch die Time in Range (TIR), also die Zeit im HbA1c-Zielbereich, war unter dem Inkretinmimetikum signifikant länger. Mit Tirzepatid mehr als 20 Kilo verloren In der zweiten Studie war die Tirzepatid-Gruppe median 40, die Kontrollgruppe median 41 Jahre alt, die Teilnehmenden waren seit 24 bzw. 27 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankt und der mediane Ausgangs-BMI lag bei 35,6 bzw. 32,8 kg/m2. Im Tirzepatid-Arm wurde ein Gewichtsverlust von rund 21 kg erreicht, mit einer BMI-Reduktion um median 6,5 kg/m2. Die wöchentliche Wirkstoffdosis war dabei von anfänglich 5,6 mg auf 9,7 mg gestiegen. Wie das Studienteam betont, war unter dem Twinkretin auch die TDD im Studienzeitraum signifikant zurückgegangen, nach Adjustierung um median 24,7 gegenüber 1,4 Einheiten pro Tag in der Kontrollgruppe. Ähnliches galt für Basal- und Bolusinsulin mit Reduktionen um 9,7 (gegenüber 1,5) bzw. 14,7 (gegenüber 0,3) Einheiten pro Tag. Auch Blutzucker und HbA1c waren unter Tirzepatid signifikant stärker gesunken. Schwere Hypoglykämien oder Ketoazidosen, die einer stationären Behandlung bedurft hätten, waren in beiden Studien ausgeblieben, berichten Dr. Satish K. Garg von der University of Colorado und sein Team. In einem Fall sei es allerdings nach dem Umstieg von Semaglutid auf Tirzepatid zu einer schweren Hypoglykämie gekommen, schreibt Garg im begleitenden Editorial. Nur durch das rasche Eingreifen eines Rettungssanitäters, welcher der Patientin nasal Glukagon verabreichte, konnte die Klinikeinweisung vermeiden werden. Das Team weist darauf hin, dass man bei der Gabe von Tirzepatid bei Diabetes gegebenenfalls die Insulindosierung anpassen müsse, um Hypoglykämien zu vermeiden. Grundsätzlich sei außerdem mit akuten Nebenwirkungen wie Gastroparese, Darmverschluss, Pankreatitis, Gallensteinen und Cholezystitis zu rechnen. Randomisierte Langzeitstudien erforderlich Beide Substanzen hätten sich in den vorliegenden Pilotstudien als effektiv in der Reduktion von Gewicht und BMI sowie in der Verbesserung glykämischer Parameter erwiesen, so das Fazit der Studiengruppe. Allerdings seien randomisierte Studien mit deutlich größerer Teilnehmerzahl und über einen längeren Zeitraum erforderlich, einerseits um die langfristige Sicherheit zu gewährleisten, andererseits um herauszufinden, ob die Gewichtsreduktion auch nach dem Absetzen der Substanzen von Dauer sei. Aus Studien mit Typ-2-Diabetikern wisse man zum Beispiel, dass nach dem Absetzen von Tirzepatid weniger als 20% ihr Gewicht halten konnten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Auswirkungen einer Therapie mit Inkretinmimetika (Semaglutid, Tirzepatid) bei Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes. Antwort: In zwei Pilotstudien, an ein und demselben Zentrum in den USA durchgeführt, war die Behandlung mit Semaglutid wie auch mit Tirzepatid mit einer signifikanten Gewichtsreduktion sowie mit der Verbesserung glykämischer Parameter assoziiert. Unter Tirzepatid sank darüber hinaus der Insulinbedarf signifikant. Bedeutung: Beide Substanzen scheinen nicht nur die Gewichtsabnahme zu erleichtern, sondern auch die Blutzuckerkontrolle zu verbessern. Einschränkung: Retrospektive Studien, monozentrisch; geringe Teilnehmerzahl; Off-label-Therapie; relativ kurze Nachbeobachtung.

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