Anaphylaxie: Wer bekommt ein Notfall-Set, wer sogar zwei?

Schwere Anaphylaxien sind ein seltenes Ereignis. Trotzdem sollten die Patientinnen und Patienten danach adäquat für den Notfall versorgt werden. Wie, das erklärte Professorin Dr. Margitta Worm aus Berlin auf dem diesjährigen Allergo Update. Neben der Haut und Schleimhaut, dem kardiovaskulären System sowie dem Respirations- und Magen-Darm-Trakt wird in neuesten Veröffentlichungen auch von einer möglichen Beteiligung des Nervensystems bei einer Anaphylaxie berichtet. Symptome wie Kopfschmerz, Schwindel, Bewusstseinsverlust, Ohnmacht und Krampfsymptomatik können bei den Patientinnen und Patienten auftreten. „Auch bei neurologischen Symptomen sollte man durchaus an eine Anaphylaxie denken“, sagte Prof. Dr. Margitta Worm von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Bei Erwachsenen ist Insektengift mit knapp 50% der häufigste Auslöser der Anaphylaxie. Medikamente stehen auf Platz zwei, Nahrungsmittel an dritter Stelle, wobei Weizen (13%), gefolgt von Krusten- und Schalentieren (11%), Haselnuss (7%), Soja (6%) sowie Erdnuss und Sellerie (jeweils 5%) die häufigsten Auslöser schwerer allergischer Reaktionen im Erwachsenenalter sind. Sowohl bei Weizen- als auch bei Krusten- und Schalentierallergien ist eine rekombinante Allergiediagnostik möglich. „Ich möchte Sie aber auch nochmal darin bestärken, einen Pricktest durchzuführen, der ein einfaches und schnelles Instrument ist, um eine Sensibilisierung nachzuweisen“, sagte Worm. Vor allem Medikamenten-induzierte Anaphylaxien verlaufen häufiger schwer: 5,7% der Reaktionen erreichen Grad IV. Bei Insektengift und Nahrungsmitteln sind es lediglich 2,2% bzw. 0,8%. „Nehmen Sie es ernst, wenn Patienten von Reaktionen auf Medikamente berichten“, betonte Worm. „Klären Sie es ab – soweit es Ihnen möglich ist. Und das Allerwichtigste: Versorgen Sie die Patientinnen und Patienten mit einem Allergiepass, um das wiederholte Auftreten von Reaktionen zu verhindern.“ Versorgung mit Notfall-Sets Indikationen für die Verordnung eines Adrenalin-Autoinjektors sind: Patientinnen und Patienten mit systemischer allergischer Reaktion und Asthma bronchiale (auch ohne Anaphylaxie in der Vorgeschichte) progrediente Schwere der Symptomatik der systemischen allergischen Reaktion Vorgeschichte früherer anaphylaktischer Reaktionen gegen nicht sicher vermeidbare Auslöser systemische Allergie mit extrakutanen Symptomen auf potente Allergene wie Erdnüsse, Baumnüsse, Milch und Sesam hoher Sensibilisierungsgrad mit erhöhtem Anaphylaxierisiko – vor allergischer Provokationstestung Patientinnen und Patienten, die bereit auf kleinste Mengen des Allergens reagieren Erwachsene mit Mastozytose (auch ohne bekannte Anaphylaxie) Jedoch ist ein einzelner Adrenalin-Autoinjektor nicht immer ausreichend. Wer sollte einen zweiten erhalten? Darüber wird laut Worm unter den Expertinnen und Experten diskutiert. In folgenden Situationen empfiehlt Worm die Verordnung von zwei oder sogar mehr Autoinjektoren: Zunächst bei besonders schweren Anaphylaxien in der Vergangenheit. „Das gilt für mich immer bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Insektengift- oder Nahrungsmittelallergie“, erklärte sie. Zusätzlich sind ein hohes Körpergewicht > 100 kg, unkontrolliertes Asthma bronchiale, schlechte Erreichbarkeit der nächsten Klinik, ein besonders hohes Risiko für eine schwere Anaphylaxie (etwa bei Personen mit Mastozytose) sowie organisatorische Gründe, wie Besuch einer Kita bzw. Schule oder besondere familiäre Situationen, eine Indikation für mehr als einen Adrenalin-Autoinjektor. Jedoch sollte nicht nur Adrenalin verordnet, vielmehr sollten die Patienten auch geschult werden. Bestimmung der Serum-Tryptase Seit kurzem wird bei der Diagnostik von Anaphylaxiepatientinnen und -patienten die Bestimmung der Tryptase bis zu 24 Stunden nach der Reaktion empfohlen, mit der das individuelle Anaphylaxierisiko abgeschätzt werden kann. Auch bei Personen nach wiederholten Krankenhausaufenthalten mit unklaren Anaphylaxien sollte die Untersuchung stattfinden. Gerade in Fällen, wo nicht sicher ist, ob eine Primärreaktion stattgefunden hat, ist die Bestimmung des Basal- sowie des Akutwertes ein hilfreiches Instrument. Sollte der Akutwert 2,5-fach höher als die basale Tryptasekonzentration sein, bedeutet dies einen klinisch relevanten Anstieg der Tryptase. Eine akute Zunahme der Tryptase im Serum weist auf eine Degranulation der Mastzellen hin. Der Anstieg der Tryptasewerte beginnt im Serum innerhalb von Minuten nach der Anaphylaxie und kehrt in den nächsten 6–24 Stunden allmählich auf den Normalwert zurück. Nach einem Vortrag von: Prof. Dr. Margitta Worm. Insektengiftallergie und Anaphylaxien. Allergo Update 2023. Frankfurt/Main, 3. März 2023

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