Appendizitis bei Kindern – Neues zur Risikoabschätzung

Um im Einzelfall die Wahrscheinlichkeit einer komplizierten Appendizitis einschätzen zu können, scheint es ratsam, einen Blick auf die Allergie-Anamnese des Kindes zu werfen. Denn mit einer IgE-vermittelten Allergie sinkt offenbar das Risiko für komplizierte Verlaufsformen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Von der Hypothese, dass es sich bei der Appendizitis um eine entzündliche Erkrankung handelt, die kontinuierlich voranschreitet und ohne Intervention zwangsläufig in der Perforation des Wurmfortsatzes endet, rückt man zunehmend ab. Mittlerweile legen Studien nahe, dass es sich bei der unkomplizierten und komplizierten Appendizitis um zwei verschiedene immunologische Entitäten handelt, und die komplizierte Verlaufsform eher von einer Th1- und Th17-dominierten Immunantwort charakterisiert ist, während bei unkomplizierten Verlaufsformen eine Th2-geprägte Immunantwort besteht. Mit Blick auf den ausgeprägten Zusammenhang zwischen Th2-dominierter Immunantwort und einer IgE-vermittelten Allergie haben Kinderärzte aus Schweden nun überlegt, ob bei Kindern mit Appendizitis eine bestehende Allergie eventuell Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit für einen komplizierten Verlauf zulässt. Dafür haben sie die Krankenakten aller Kinder ausgewertet, die in den Jahren 2007 bis 2017 in der Universitätsklinik in Lund aufgrund einer Wurmfortsatzentzündung operiert worden waren. Allergie senkt Risiko auf ein Drittel In diesem Zeitraum waren insgesamt 605 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren entsprechend versorgt worden, wovon 102 an einer IgE-vermittelten Allergie litten und 503 nicht. Tatsächlich wurde bei Kindern mit Allergie deutlich seltener eine komplizierte Appendizitis dokumentiert als bei Kindern ohne Allergie (20% vs. 47%). Das Risiko für einen komplizierten Verlauf war bei IgE-vermittelter Allergie nur ein Drittel so hoch wie ohne, dabei haben die Mediziner so wichtige Risikofaktoren wie jüngeres Alter, längere Symptomdauer sowie das Vorhandensein eines Appendikolithen in ihrer Auswertung bereits berücksichtigt. Durchaus einen Unterschied machte jedoch, worauf das Immunsystem der Kinder überschießend reagierte. Haustier- und Hausstaubmilbenallergie sowie Pollenallergie wirkten deutlich risikosenkend (OR 0,25 bzw. OR 0,29), während bei einer Allergie auf Ei- oder Milchproteine sowie auf Antibiotika der protektive Effekt weitaus geringer ausfiel (OR 0,61 bzw. OR 0,60). Zeit für ein neues Scoring-System? Der ausgeprägte Zusammenhang zwischen IgE-vermittelter Allergie und Verlaufsform einer akuten Appendizitis eröffnet einen neuen Blick auf die Pathogenese der Entzündung des Appendix vermiformis und seiner Verlaufsformen, so das Resümee der schwedischen Kinderärzte. Auch wenn über einen kausalen Mechanismus bislang nur spekuliert werden kann, empfehlen die Pädiater, IgE-vermittelte Allergien künftig in klinische Scoring-Systeme zur Beurteilung des Schwergrades einer Appendizitis bei Kindern aufzunehmen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es bei Kindern einen Zusammenhang zwischen IgE-vermittelter Allergie und dem Risiko einer komplizierten Appendizitis? Antwort: Junge Allergiker mit akuter Appendizitis haben nur ein Drittel des Risikos für schwere Verlaufsformen wie Kinder ohne Allergie. Bedeutung: Bei einer akuten Apendizitis kann bei Kindern die Allergie-Anamnese für die Risikobeurteilung herangezogen werden. Einschränkung: Das retrospektive Studiendesign lässt keine Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge zu.

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