Erschienen in:
01.02.2024 | COVID-19 | Schwerpunkt
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Übersterblichkeit im Kontext der COVID-19-Pandemie in Deutschland
Methoden, Daten, Muster
verfasst von:
Prof. Dr. Daniel Wollschläger, Sebastian Fückel, Maria Blettner, Emilio Gianicolo
Erschienen in:
Die Kardiologie
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Ausgabe 2/2024
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Zusammenfassung
Internationale Vergleiche der Krankheitslast der COVID-19-Pandemie verwenden oft die Übersterblichkeit als Maßstab – auch zur Bewertung der Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen. Für Deutschland gab es dabei starke Diskrepanzen zwischen Übersterblichkeitsschätzungen verschiedener Studien. Da den Schätzungen unterschiedliche Modelle und Datenquellen zugrunde liegen, ist eine eingehende Analyse ihrer Methodik notwendig. Diese Studie schätzt mit verschiedenen Methoden die Übersterblichkeit in Deutschland von 01/2020 bis 10/2023. Ziel ist es zum einen, zeitliche sowie räumliche Muster der Übersterblichkeit zu identifizieren, und zum anderen, die Auswirkungen unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen zu ermitteln. Im Referenzzeitraum 2011 bis 2019 wurde ein Regressionsmodell für die Mortalitätsraten der Bundesländer angepasst, und auf seiner Basis wurden die erwarteten monatlichen Sterbefälle im Indexzeitraum 2020 bis 2023 berechnet. Das Modell berücksichtigt Bevölkerungsgröße und -struktur, Temperatur, Influenzaaktivität und sozioökonomische Deprivation. Die Übersterblichkeit als Differenz von beobachteten und erwarteten Sterbefällen wird im Indexzeitraum mit den registrierten COVID-19-Sterbefällen verglichen. Als Alternativmodell wird die Übersterblichkeit im Indexzeitraum nur auf Basis der geschlechts- und altersspezifischen medianen Mortalitätsraten je Kalendermonat im Referenzzeitraum geschätzt. Übersterblichkeit und COVID-19-attribuierte Sterbefälle weisen klare zeitliche und räumliche Muster auf. Ab Herbst 2021 ist die Zahl der COVID-19-attribuierten Sterbefälle geringer als die Übersterblichkeit. Die höchste Übersterblichkeit wiesen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf. Die vereinfachte Übersterblichkeitsschätzung führt zu teils stark abweichenden Ergebnissen. Zeitliche und räumliche Muster weisen darauf hin, dass Diskrepanzen zwischen Übersterblichkeit und COVID-19-attribuierten Sterbefällen auf einer Untererfassung von COVID-19-Mortalität beruhen. Ohne Berücksichtigung starker Einflüsse auf das Sterbegeschehen kommt es zu verzerrten Schätzungen der Übersterblichkeit.