Vor Kortikoidspritzen in die Hüfte wird gewarnt!

Der Verdacht, dass es zwischen Kortikoidinjektionen ins Hüftgelenk und einer rasch fortschreitenden destruierenden Arthrose einen kausalen Zusammenhang geben könnte, scheint sich zu erhärten. In einer Studie aus Hawaii nahm das Risiko mit der Dosis und der Zahl der Injektionen deutlich zu. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Dass es mit den Kortikoidinjektionen ins Gelenk zu tun haben könnte, wenn sich eine bestehende Hüftarthrose nach Behandlung beim Orthopäden rapide verschlechtert, wurde schon öfter gemutmaßt. Jetzt gibt es erstmals Daten aus einer Kohortenstudie, die einen Zusammenhang der Injektionen mit der sogenannten Rapid Destructive Hip Disease (RDHD) nahelegen. Bis zu zehnmal höheres RDHD-Risiko Dr. Kanu Okike vom Kaiser Moanalua Medical Center in Honolulu und sein Team konnten zunächst anhand einer Fallserie zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine nachgewiesene RDHD achteinhalbmal höher war, wenn die Patienten zuvor Kortikosteroide ins Hüftgelenk gespritzt bekommen hatten. Der Effekt war klar dosisabhängig: Bei einmaligem oder wiederholtem Einsatz von hohen Dosen (ab 80 mg Triamcinolon) betrug die Wahrscheinlichkeit fast das Zehnfache. An der Fallserie waren 40 Patienten mit einer röntgenologisch bestätigten RDHD und 717 Kontrollen beteiligt. Letztere hatten wie die RDHD-Patienten eine Hüft-TEP erhalten, allerdings aufgrund einer anderen Diagnose. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 66 Jahren. Diagnose im Schnitt fünf Jahre nach Injektion In der zusätzlich durchgeführten Kohortenstudie betrug die RDHD-Rate nach Kortikoidinjektion ins Hüftgelenk insgesamt 5,4% (37 von 688 Fällen). Laut Okike und Kollegen wurde die RDHD im Schnitt fünf Monate nach der Injektion diagnostiziert. Die Patienten mussten für die Diagnose folgende Kriterien erfüllen: eine rasch fortschreitende Verschmälerung des Gelenkspalts im Röntgenbild sowie Osteolyse, partieller Einbruch und Aszension des Femurkopfes. Die Studie basiert auf der Datenbank der Kaiser Permanente Hawaii, einer Abteilung des US-Gesundheitsunternehmens Kaiser Permanente. Daraus wurden die Daten von allen Patienten mit Hüftarthrose entnommen, die zwischen 2013 und 2016 am Moanalua Medical Center eine Kortikosteroidinjektion erhalten hatten. Wie Okike und Kollegen betonen, war dieser Eingriff in allen Fällen unter fluoroskopischer Kontrolle durchgeführt worden. Für die Injektionen hatte man zumeist Triamcinolon in einer Konzentration von 40 mg/ml verwendet. Bei den Ärzten des Zentrums hatte sich ab 2014 der Verdacht erhärtet, dass zwischen den Injektionen und den RDHD-Fällen ein Zusammenhang bestehen könnte. Etwa ab diesem Zeitpunkt hatte man zumindest hochdosierte Steroidinjektionen deutlich zurückgefahren. Seit 2016 werden sie bei Patienten mit Hüftarthrose praktisch nicht mehr eingesetzt. Wie eine Post-hoc-Analyse zeigt, gingen die Gelenkersatzoperationen aufgrund einer RDHD nach der Beschränkung rapide zurück (von 19 Fällen in 2015 auf 0 in 2018). Mit Hüftinjektionen das Gegenteil erreicht Laut Studienkommentator Dr. Philippe Hernigou von der Universität Paris lässt sich mit der Studie zumindest teilweise erklären, warum die Hüft-TEP-Rate nach dem Jahr 2000 paradoxerweise deutlich angestiegen ist. Um diesen Zeitpunkt herum habe man begonnen, Arthrosepatienten vermehrt Kortikosteroide ins Gelenk zu spritzen, einerseits zur Behandlung von Schmerzen, andererseits in der Hoffnung auf ein Hinauszögern des Gelenkersatzes. Offensichtlich habe man mit der Hochdosis-Injektionstherapie bei Hüftpatienten aber gerade das Gegenteil erreicht. Lokale Steroidinjektionen haben nach Hernigou zwar den Ruf, unbedenklich zu sein; dabei werde allerdings meist ihre chondrotoxische Wirkung vernachlässigt. Neben der RDHD seien Nebenwirkungen wie subchondrale Insuffizienzfrakturen, Osteonekrosen sowie explizit auch das Fortschreiten der Arthrose beschrieben. „Kortikosteroide sind wahrscheinlich nicht so sicher, wie wir gedacht haben, wenn man sie ins Hüftgelenk spritzt“, so das Resümee des Orthopäden. Gemäß dem alten Leitsatz „primum nil nocere“ solle man daher den Einsatz möglichst auf schwere Fälle begrenzen und die Patienten über das Risiko einer möglichen Krankheitsverschlechterung aufklären. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es eine Assoziation zwischen Kortikoidinjektionen ins Hüftgelenk und einer rasch fortschreitenden destruierenden Hüftarthrose (RDHD)? Antwort: In einer Fallserie mit 40 RDHD-Patienten war das Erkrankungsrisiko nach einer Injektionstherapie um den Faktor 8,5 erhöht. Es zeigte sich eine klare Dosisabhängigkeit. Die RDHD-Rate betrug bei 688 Kortikoidinjektionen 5,4%. Bedeutung: Kortikoidinjektionen ins Hüftgelenk sollten, wenn überhaupt, nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen. Einschränkung: Retrospektive monozentrische Studie; ein Kausalzusammenhang lässt sich damit nicht belegen.

Springer Medizin

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