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2022 | Buch

Depression, Angst, traumatischer Stress und internistische Erkrankungen

Eine psychosomatische und somatopsychische Perspektive

verfasst von: Hans-Peter Kapfhammer

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Körperliche Erkrankungen gehen in ihrem Verlauf mit einer hohen psychischen Komorbidität einher. Vor allem eine koexistente Depression und Angst, ein chronischer oder traumatischer Stress üben einen relevanten negativen Einfluss auf das dynamische Krankheitsgeschehen aus. Sie sind nicht nur häufig mit einer erhöhten Morbidität, einer ungünstigeren Lebensqualität und belasteten psychosozialen Integration assoziiert. Sie sind oft auch mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko und einem bedenkenswerten Suizidrisiko verbunden. Depression, Angst, chronischer und posttraumatischer Stress können auch die Entwicklung von körperlichen Krankheiten beeinflussen, indem sie allgemeine somatische Krankheitsrisiken vermitteln. Sowohl eine psycho-somatische als auch ein somato-psychische Perspektive ist notwendig, um die komplexen Interaktionen zwischen psychologischer, psychosozialer und biologischer Ebene zu erfassen.

Ein allgemeiner Teil nimmt das Thema von psychischer und somatischer Komorbidität in einer bidirektionalen Wirkrichtung auf. Er befasst sich mit theoretischen Konzepten und empirischen Befunden zu möglichen Beziehungen zwischen somatischer Krankheit und medizinischer Behandlungsmodalität einerseits und psychischer Vulnerabilität und Störung andererseits, die traditionellerweise einer „psychosomatischen Perspektive“ in der Medizin zugeordnet werden.

In einem speziellen Teil werden diese allgemeinen Aspekte einer biopsychosozialen Betrachtung von Depression, Angst und traumatischem Stress in ihrem potentiellen Einfluss auf definierte internistische Krankheitsrisiken bzw. von koexistenter depressiver, Angst- und posttraumatischer Belastungsstörung bei internistischen Erkrankungen in ihren möglichen Auswirkungen auf Krankheitsdynamik und Krankheitsverlauf jeweils nach traditionellen Organsystemen bzw. nach speziellen medizinischen Behandlungskontexten je gesondert dargestellt.

Dieses umfangreiche Werk richtet sich gleichermaßen an die Kolleg*innen aus Psychiatrie und Psychotherapie wie aus den medizinischen Fächern, sowie an alle Leser*innen, die an einer psychosomatischen und somatopsychischen Perspektive auf die komplexen wechselseitigen Beziehungen zwischen psychischen Störungen und körperlichen Krankheiten interessiert sind.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Allgemeiner Einführungsteil

Frontmatter
Kapitel 1. Koexistenz von Depression, Angst, traumatischem Stress und körperlicher Krankheit – allgemeine Positionen
Zusammenfassung
Führen Depression, Angst und chronischer/traumatischer Stress zu erhöhten somatischen Krankheitsrisiken, und umgekehrt, bewirken klinisch manifeste somatische Erkrankungen ein höheres Inzidenzrisiko für koexistente affektive und Stress-bezogene Störungen? Und wie wirken sich diese psychischen Komorbiditäten auf die Dynamik des Krankheitsgeschehens, auf die Morbidität und die gesundheitsbezogene Lebensqualität, auf das Mortalitäts- und das Suizidrisiko aus? Depression, Angst und chronischer/traumatischer Stress sind als systemische Störungen der evolutionären Stresssysteme einer Organismus-internen Regulation von Homöostase und Allostase zu konzipieren. Auf einer Verhaltensebene sind sie häufig mit gesundheitsschädlichen Lebensstilen verbunden, die ebenfalls somatische Krankheitsrisiken vermitteln. Körperliche Erkrankungen erfordern wiederum komplexe psychologische Prozesse der Auseinandersetzung mit existentiellen Krisen, belastenden körperlichen Symptomen und nachteiligen Krankheitsfolgen. Dieser Bewältigungsprozess kann adaptiv, aber auch maladaptiv verlaufen. Somatische Krankheiten und ihre spezifischen Therapien wirken in ihren systemischen Auswirkungen eigenständig auf zentralnervöse Regelkreise zurück und können affektive sowie kognitive Vulnerabilitätsrisiken induzieren. Es ist eine „psycho-somatische“ und auch eine „somato-psychische Perspektive“ innerhalb eines biopsychosozialen Modells einzunehmen.
Hans-Peter Kapfhammer

Koexistenz von Depression, Angst, traumatischem Stress und internistischen Krankheiten – Spezielle körperliche Krankheitsgruppen

Kapitel 2. Kardiovaskuläre Erkrankungen
Zusammenfassung
Das Thema der affektiven Komorbidität wird für folgende kardiovaskuläre Krankheiten skizziert: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, akute Stress-Kardiomyopathie (Takotsubo-Syndrom), arterielle Hypertonie, kardiale Arrhythmien, kardiologische und herzchirurgische Interventionen. Epidemiologische Studien belegen, dass vorbestehende affektive und Stress-bezogene Störungen das Inzidenzrisiko einer kardiovaskulären Krankheit erhöhen. Umgekehrt ist eine kardiovaskuläre Krankheit mit einem erhöhten Inzidenzrisiko von affektiven und Stress-bezogenen Störungen im Krankheitsverlauf assoziiert. Hiermit gehen eine erhöhte Morbidität und Mortalität sowie eine ungünstigere Lebensqualität einher. Vorbestehende affektive und Stress-bezogene Störungen vermitteln spezielle kardiometabolische Krankheitsrisiken sowohl auf einer systemisch-biologischen Ebene als auch auf einer Verhaltensebene. Langzeiteffekte in der Entwicklung zur klinischen Manifestation und im Verlauf sind von Akuteffekten zu unterscheiden, die zu kritischen kardialen Ereignissen führen. Psychotherapeutische und psychopharmakologische Ansätze weisen auf differentielle, häufig aber auch auf inkonsistente Effekte in der Behandlung koexistenter depressiver, Angst- und posttraumatischer Störungen hin. Trotz ermutigender Hinweise bestehen noch keine klaren empirischen Belege dafür, dass eine wirksame psychotherapeutische oder psychopharmakologische Behandlung dieser koexistenten psychischen Störungen auch schon den Verlauf des biologischen kardiovaskulären Krankheitsgeschehens entscheidend beeinflusst.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 3. Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Zusammenfassung
Schlaganfälle stellen die klinisch bedeutsamste Gruppe bei den Erkrankungen des zerebralen Gefäßsystems dar. Epidemiologische Studien belegen, dass vorbestehende affektive und Stress-bezogene Störungen das Inzidenzrisiko für die zerebrovaskulären Krankheiten erhöhen, und klinisch manifeste Schlaganfälle eigenständig ein erhöhtes Inzidenzrisiko für koexistente affektive und Stress-bezogene Störungen induzieren. Diese beeinflussen wiederum den Krankheitsverlauf signifikant negativ. Im akuten Erkrankungsgeschehen eines Schlaganfalls sind koexistente Symptome von Depression, Angst und traumatischem Stress von einer Reihe weiterer neuropsychiatrischer Syndrome abzugrenzen. Es können auf psychologischer, biologischer und sozialer Ebene sowohl wichtige Risikofaktoren als auch entscheidende Mechanismen identifiziert werden, die abhängig von der Vorentwicklung, der Auslösesituation und im Verlauf differentiell die Assoziation von Depression, Angst, posttraumatischem Stress und Schlaganfall vermitteln. Psychotherapeutische und psychopharmakologische Ansätze zur Behandlung von koexistenten affektiven und Stress-bezogenen Störungen post-Stroke zeigen ermutigende, aber nicht immer konsistenten Resultate. Psychopharmakologische Interventionen werden auch zur Prävention inzidenter affektiver Störungen post-Stroke sowie zur Förderung der Rehabilitation Schlaganfall-bedingter motorischer Defizite durchgeführt.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 4. Diabetes mellitus
Zusammenfassung
Diabetes mellitus zählt zu den Krankheitsgruppen mit den höchsten Risiken einer vorzeitigen Mortalität. Vor allem für den Typ-2 Diabetes ist weltweit ein Anstieg der Inzidenzraten zu beobachten. Ätiopathogenese und Pathophysiologie von Typ-1 und Typ-2 Diabetes unterscheiden sich wesentlich. Beide teilen sich aber gemeinsame Spätkomplikationen im Krankheitsverlauf. Koexistente affektive und Stress-bezogene Störungen sind bei beiden Formen des Diabetes mellitus erhöht und mit je bedeutsamen negativen Effekten auf den Krankheitsverlauf assoziiert. Vorausgehende psychische Störungen und Stressfaktoren nehmen einen differentiellen Einfluss auf das jeweilige somatische Erkrankungsrisiko. Zu den Interaktionen zwischen psychischer und somatischer Komorbidität existieren detaillierte biopsychosoziale Erkenntnisse. Trotz einiger ermutigender Resultate erweisen sich sowohl Psychotherapien als auch Pharmakotherapien in der Behandlung von koexistenten affektiven und Stress-bezogenen Störungen bei Diabetes mellitus als weniger wirksam als ohne diesen somatische Krankheitskontext. Um den biologischen Krankheitsverlauf nachhaltig zu beeinflussen, genügen beide psychologischen und medikamentösen Verfahren je alleine nicht. Eine Änderung langfristig etablierter ungesunder Verhaltensweisen ist am ehesten durch gezielte gesundheitspsychologische Ansätze im Rahmen integrativer Versorgungsmodelle zu erreichen.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 5. Lungenerkrankungen
Zusammenfassung
Lungenerkrankungen nehmen sowohl in der Todesursachenstatistik als auch in der Perspektive einer globalen Krankheitsbelastung Spitzenränge ein. Das Thema der affektiven Komorbidität wird für Asthma bronchiale, chronische obstruktive Lungenkrankheit, zystische Lungenfibrose, interstitielle Lungenerkrankung, pulmonale Hypertonie, obstruktive Schlafapnoe, Lungenkarzinom, akutes Lungenversagen dargestellt. Epidemiologisch sind erhöhte Prävalenzraten koexistenter affektiver und Stress-bezogener Störungen mit je signifikanten negativen Einflüssen auf die komplexe Dynamik des jeweiligen Krankheitsgeschehens im Verlauf nachgewiesen. Vorbestehende Depressionen, Ängste und posttraumatische Stressoren nehmen in der Entwicklung einzelner Lungenerkrankungen, insbesondere von Asthma bronchiale und COPD eine bedeutsame, wenngleich differentielle Rolle ein. Ein eventueller Risikostatus ist wiederum bei anderen Lungenkrankheiten schwieriger zu beurteilen. In einer ätiopathogenetischen Perspektive sind genetische, neuroendokrine, (auto-) immunologisch-inflammatorische und vor allem auch Einflüsse der autonom-nervösen Regulation der Atmung je speziell in der Zusammenschau zu analysieren. Es liegen ermutigende, aber nicht immer konsistente Resultate aus Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Störungen vor.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 6. Gastrointestinale Erkrankungen
Zusammenfassung
In einer Perspektive der psychischen und somatischen Komorbidität werden folgende gastrointestinale Krankheiten betrachtet: gastroduodenale Ulkuskrankheit, gastroösophageale Refluxkrankheit, entzündliche und maligne Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Erhöhte Prävalenzraten einer affektiven und Stress-bezogenen Komorbidität sind mit je negativen Auswirkungen auf das dynamische Krankheitsgeschehen im Verlauf assoziiert. Potentielle Einflüsse vorbestehender depressiver, ängstlicher oder posttraumatischer Störungen auf erhöhte Inzidenzrisiken einzelner gastrointestinaler Krankheiten sind differentiell zu betrachten. Sie sind selbst beim Ulkus pepticum mit seinem identifizierten Hauptkausalfaktor einer Helicobacter pylori-Infektion konstruktiv zu diskutieren, bei den Malignomen des Gastrointestinaltrakts aber empirisch weiter offenzuhalten. Ätiopathogenetisch sind komplexe Interaktionen zwischen zentralen und peripheren Prozessen innerhalb einer „brain-gastrointestinal tract-brain“ Achse zu diskutieren. Empirische Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Symptome werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 7. Erkrankungen von Leber und Pankreas
Zusammenfassung
In einer Perspektive der psychischen und somatischen Komorbidität werden folgende Krankheiten der Leber und der Bauchspeicheldrüse betrachtet: Virus-Hepatitis C, alkoholische Fettleberhepatitis, nicht-alkoholische Fettleberhepatitis, Endstadien chronischer Lebererkrankungen mit Zirrhose sowie Pankreaskarzinom. Der Einfluss vorbestehender affektiver und Stress-bezogener Störungen auf die Entwicklung spezifischer hepatischer Erkrankungsrisiken ist vielschichtig zu beurteilen. Patienten mit Virus-Hepatitis C und alkoholischer Fettleberhepatitis akquirieren ihre Erkrankungen häufig in einem psychosozialen Risikokontext, der per se mit erhöhten Raten vorbestehender psychischer, sowohl affektiver als auch Substanz-bezogener Störungen assoziiert ist. Auch bei Personen mit nicht-alkoholischer Fettleberhepatitis ist ein pathologisches Essverhalten häufig ebenfalls auf dem Boden affektiver und Stress-bezogener Einflüsse zu untersuchen. Das signifikant erhöhte Niveau von Depression und Angst vor der Diagnose eines Pankreaskarzinoms ist am ehesten als eine zentralnervös vermittelte Prodromalmanifestation eines klinisch noch okkulten kanzerogenen Prozesses zu verstehen. Resultate aus empirischen Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Symptome bei den diversen hepatischen Krankheiten werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 8. Nierenerkrankungen
Zusammenfassung
Zwischen 8% und 16% der Weltbevölkerung leiden an einer chronischen Erkrankung der Niere (CKD). Hiermit gehen eine bedeutsame globale Krankheitslast und massive Behinderungsgrade einher. Die Prävalenz der psychischen Komorbidität ist epidemiologisch signifikant erhöht und mit negativen Verlaufskonsequenzen assoziiert. Präexistente affektive oder Stress-bezogene Störungen sind als Prädiktoren für ein CKD-Inzidenzrisiko bisher selten untersucht worden. Für eine „psycho-somatische“ und „somato-psychische“ Perspektive sind stets komplexe Interaktionen zwischen psychologischen und biologischen Ebenen ins Auge zu fassen. Eine Dialyse stellt im Endstadium die einzige lebenserhaltende Nierenersatz-Therapie neben einer Nierentransplantation dar. Sie erfordert höchste psychologische Anpassungsleistungen. Pathophysiologische Rückwirkungen eines chronischen Nierenversagens auf zentralnervös vermittelte affektive und kognitive Vulnerabilitätsrisiken sind eigenständig zu reflektieren. Resultate empirischer Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Symptome werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 9. Endokrine Störungen
Zusammenfassung
Endokrine Krankheiten verweisen auf Störungen komplexer hormoneller Regelkreise mit multiplen systemischen Auswirkungen. Sie können prinzipiell in einer Unter- oder Überfunktion imponieren. Störungen der Schilddrüse, der Nebenschilddrüsen sowie der Nebennieren werden skizziert. Eine affektive Komorbidität ist mit bedeutsamen negativen Effekten auf den Krankheitsverlauf assoziiert. Bei Unterformen von Schilddrüsenüberfunktionen (Morbus Basedow) wird eine mögliche pathogenetische Rolle von schwerwiegenden psychosozialen Stressoren in der Auslösung von hyperthyreoten Krisen und auch von Rezidiven im weiteren Krankheitsverlauf diskutiert. In einer „psycho-somatischen“ und „somato-psychischen“ Perspektive sind komplexe psychologische und biologische Interaktionen zu beachten. Zentralnervöse Auswirkungen können auch mit psychotischen Symptomen oder diffusen Persönlichkeitsveränderungen einhergehen. Trotz hoher empirischer Assoziation liegen bisher keine explizit störungsorientierten Studien zur Psychotherapie und Psychopharmakotherapie einer affektiven Komorbidität bei Schilddrüsenerkrankungen vor. Untersuchungen zur Augmentation einer antidepressiven Medikation mit Schilddrüsenhormonen bei Therapie-refraktären Depressionen sind klinisch relevant. Bei selteneren endokrinen Störungen (Hypo-/ Hyperparathyreoidismus, M. Cushing, Addison Syndrom, Phäochromozytom) stützen sich psychopharmakologische Interventionen lediglich auf Einzelfallbeobachtungen.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 10. Rheumatische Erkrankungen
Zusammenfassung
Rheumatische Krankheiten definieren eine heterogene Krankheitsgruppe mit prominenten Schmerzen des Bewegungsapparats und resultierender Bewegungseinschränkung. Es liegen häufig systemische Autoimmunprozesse zugrunde. Die Prävalenzraten von koexistenten Depressionen und Ängsten sind bei allen rheumatischen Krankheiten signifikant erhöht und je mit negativeren Krankheitsverläufen verbunden. Zumindest für eine rheumatoide Arthritis und einen systemischen Lupus ist empirisch nachgewiesen, dass präexistente affektive und Stress-bezogene Störungen mit einem erhöhten Inzidenzrisiko assoziiert sind. Psychologisch ist der Einfluss von chronischen Schmerzen mit Einschränkungen der allgemeinen Bewegungsfähigkeit prominent. Diese Zusammenhänge müssen auch neurobiologisch reflektiert werden. In den Schmerzzirkel sind Effekte von Angst, Depression und PTBS integral miteinzubeziehen. Lokale pathophysiologische (autoimmune, degenerative, inflammatorische) Prozesse in den Gelenken und angrenzenden Bindegewebsstrukturen gehen über einen Feedbackmechanismus mit einer neuroinflammatorischen Aktivität des ZNS einher. Hierüber werden eine erhöhte affektive und kognitive Vulnerabilität, chronische Müdigkeit, verstärkte Schmerzsensitivität sowie Schlafstörungen induziert. Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Symptome bei den diversen rheumatischen Krankheiten werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 11. Infektionskrankheiten
Zusammenfassung
Infektionskrankheiten zählten noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu den häufigsten Todesursachen. Die Entdeckung von spezifischen Krankheitserregern, die Entwicklung wirksamer Antibiotika und Impfungen schienen diese Bedrohungen fast vollständig zu kontrollieren. Moderne Lebensweisen, übertriebene Hygienestandards, unreflektierter Einsatz von Antibiotika, rücksichtsloses Vordringen in unberührte ökologische Habitate von Mikroorganismen haben aber zu bedenkenswerten soziobiologischen Konsequenzen geführt und gerade in den zurückliegenden Jahren auch wieder mit bedrohlichen Pandemien konfrontiert. Es werden zunächst die Zusammenhänge von erhöhter psychosozialer Stressexposition und allgemeiner Infektanfälligkeit sowie die somatopsychischen Auswirkungen von Infektionen auf psychologische (affektive, kognitive) und psychophysiologische Reaktionssysteme am Modell des „sickness behaviour“ aufgezeigt. Das Komorbiditätsthema wird anschließend an zwei speziellen Infektionskrankheiten näher ausgeführt, der HIV-Infektion und der SARS-CoV2-Infektion. Beide Infektionskrankheiten verweisen paradigmatisch auf einen biopsychosozialen Kontext in der Entstehung, in der Auslösung und im Verlauf. Hierauf müssen die hohen Prävalenzen koexistenter affektiver und Stress-bezogener Störungen, die komplexen „psycho-somatischen“ und „somato-psychischen“ Wechselwirkungen in der ätiopathogenetischen Diskussion, aber auch die entwickelten und prinzipiell verfügbaren psychotherapeutischen und psychopharmakologischen Behandlungen bezogen werden.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 12. Onkologische Krankheiten
Zusammenfassung
Krebserkrankungen stellen führende Todesursachen in den meisten Ländern dar. Fortschritte der modernen Medizin haben in vielen Fällen aber ermöglicht, mit Krebs als einer „chronischen Krankheit“ zu leben. Krebserkrankungen sind mit signifikant erhöhten Prävalenzraten koexistenter affektiver und Stress-bezogener Störungen assoziiert. Komorbide psychische Störungen führen zu einem erhöhten Krankheits-inhärenten Distress, zu einer beeinträchtigten Lebensqualität und zu einer nachteiligen psychosozialen Integration. Die Frage aber, inwieweit affektive und Stress-bezogene Störungen die Entwicklung zu einer definierten Krebserkrankung im Sinne eines erhöhten Inzidenzrisikos beeinflussen, wird höchst kontrovers diskutiert, ebenso auch ein potentieller Einfluss auf die biologische Krankheitsdynamik, die Morbidität und Mortalität. In einer ätiopathogenetischen Perspektive existieren erste Modellvorstellungen, wie psychologische/ psychosoziale Stressfaktoren auf einzelne Abschnitte der Kanzerogenese, auf unterschiedliche onkobiologische Mechanismen Einfluss nehmen und umgekehrt in einer Rückmeldung an zentralnervöse Prozesse zu einer erhöhten affektiven und kognitiven Vulnerabilität beitragen könnten. Onkologische Behandlungsmodalitäten (Chemo-, Hormon-, Immun-, Radiotherapie, Chirurgie) beeinflussen eigenständig das Risiko koexistenter affektiver, Stress-bezogener und kognitiver Störungen. Studien zur Psychotherapie und Pharmakotherapie koexistenter affektiver und Stress-bezogener Symptome bei onkologischen Krankheiten werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Kapitel 13. Intensivmedizin
Zusammenfassung
Für die psychische und somatische Komorbidität von Intensivpatienten rückt der besondere psychologische, interpersonale und auch physikalisch-technische Behandlungskontext selbst in den Brennpunkt der Analyse. Veränderte Bewusstseinslagen, eingeschränkte kognitive Verstehens- und Bewältigungsmöglichkeiten tragen wesentlich dazu bei, dass lebenserhaltende Maßnahmen mit komplexer apparativer Unterstützung (z. B. mechanische Beatmung) einen traumatischen Einfluss entfalten können. Die Qualitätskriterien der modernen Intensivmedizin sind nicht allein auf Überlebensquoten gerichtet. Sie berücksichtigen auch die biopsychosozialen „Kosten“ einer solchen Behandlung. Diese geht nicht nur mit hohen Raten koexistenter affektiver, Stress-bezogener, kognitiver und anderer neuropsychiatrischer Störungen auf ICU einher. Erhöhte Prävalenzen von oft langfristig persistierenden depressiven, Angst- und posttraumatischen Störungen, von kognitiven Dysfunktionen und körperlichen Behinderungen charakterisieren den Verlauf auch post-ICU. In der Analyse von Risikofaktoren kommt vorbestehenden affektiven Störungen und kognitiven Dysfunktionen, soziodemographischen und sozioökonomischen Variablen, pathophysiologischen Grundkonstellationen der intensivpflichtigen Erkrankung, dem Modus der Sedierung und Analgesie, lebensunterstützenden Maßnahmen, häufigen ICU-Deliren und traumatischen Erfahrungen/Erinnerungen auf ICU eine besondere pathogenetische Bedeutung zu. Studien zur intensivmedizinischen Prävention, zur psychotherapeutischen und pharmakologischen Behandlung koexistenter affektiver, kognitiver und Stress-bezogener Störungen werden referiert.
Hans-Peter Kapfhammer
Metadaten
Titel
Depression, Angst, traumatischer Stress und internistische Erkrankungen
verfasst von
Hans-Peter Kapfhammer
Copyright-Jahr
2022
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-65873-4
Print ISBN
978-3-662-65872-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-65873-4

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