Können neue Antidiabetika chronische Nierenerkrankungen aufhalten?

Diabetikern droht häufiger als gedacht die Dialyse. Diese fatale Entwicklung ließ sich bisher medikamentös nur durch die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems verzögern, jetzt stehen nach Meinung von Prof. Jan Galle, Lüdenscheidt, zwei neue Prinzipien zumindest theoretisch zur Verfügung: die SGLT-2-Hemmer sowie das GLP-1-Analogon Liraglutid. Theoretisch, weil sie für die Nierenindikation (noch) nicht zugelassen sind. Auf der Jahrestagung der Nephrologie Mitte September in Mannheim war die Behandlung der diabetischen Nephropathie wie zu erwarten ein Schwerpunktthema: Von den Dialysepatienten ist praktisch jeder zweite Diabetiker, bei einem Viertel aller Dialysepatienten, so Galle, ist der Diabetes mellitus sogar die alleinige Grunderkrankung. Laut Angaben der Deutschen Diabetes Hilfe blüht dieses Schicksal in Deutschland etwa 2000 Diabetikern pro Jahr. Noch ein statistisches Signal: 30 bis 40% der Diabetiker weisen Nierenschäden auf, die in einem terminalen Nierenversagen enden können. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich die klinische Forschung weltweit bemüht, neue pharmakologische Ansatzpunkte zu finden, um die Progression in Richtung Dialyse aufzuhalten. Über zwei Hoffnungsträger berichtete Galle in Mannheim vor der Presse: SGLT-2-Hemmer, auch Gliflozine genannt und das GLP-1- Analogon Liraglutid, das zu den Inkretin-Mimetika zählt. Inzwischen sind bereits zwei SGLT-2-Hemmer in klinischer Prüfung: das Empagliflozin und das Canagliflozin. Die Effekte dieser Substanzen beruhen auf der selektiven Hemmung des Natrium-Glucose-Cotransporters 2 (SGLT2), der an der Niere für die Reabsorption der Glucose verantwortlich ist. Daraus resultiert eine verstärkte Ausscheidung von Glucose über den Harn. Das scheint aber nicht alles zu sein, wie großangelegte, randomisierte kontrollierte Studien belegen, in denen diese Substanzen eine geringere Progression der diabetischen Nephropathie erreichten als die Standardtherapie plus Placebo. Diesen Zusatznutzen hat Galle zufolge inzwischen auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestätigt. Überraschend war bei beiden Gliflozinen die positive Wirkung auf die Herzinsuffizienz, so dass in laufenden Studien nicht nur das renale Outcome, sondern auch die Hospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz untersucht wird. Als Hoffnungsträger gilt auch das langwirksame GLP-1-Analogon Liraglutid. Dieses Antidiabetikum aus der Gruppe der Inkretin-Mimetika wird bereits für die Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzt. Es ist auch für die Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit freigegeben. In der LEADER-Studie (Liraglutide Effect and Action in Diabetes: Evaluation of Cardiovascular Outcome Results) konnte der Beleg erbracht werden, dass durch diese Substanz bei Typ-2-Diabetikern langfristig das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen reduziert wird. In einer aktuellen präspezifizierten Subgruppenanalyse an 9.340 Patienten in 32 Ländern, die im Durchschnitt knapp 4 Jahre neben der Standardtherapie entweder mit Liraglutid oder Placebo behandelt wurden, ließ sich eine Risikoreduktion von 22% unter dem Verum nachweisen: (268 von 4668 Patienten versus 337 von 4672 unter Placebo). Vor allem wurde das Neuauftreten einer Makroalbuminurie verhindert, die Nebenwirkungsraten unter Liraglutid und Placebo waren vergleichbar und nicht signifikant, das GLP-1-Analogon führte wie zu erwarten zu gastrointestinalen Beschwerden. Diese Ergebnisse zum renalen Outcome erschienen kürzlich unter der Federführung des Münchner Nephrologen Prof. Johannes Mann im New England Journal of Medicine (2017; 377 (9):839-48. Wie Prof. Galle resümierte, können diese „neuen“ Antidiabetika die Progression der diabetischen Nephropathie verlangsamen. Offenbar steht einer Indikationsausweitung wenig entgegen.

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