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06.09.2022 | DGRh 2022 | Nachrichten

Schwache Evidenz

Rheumaschub: War COVID-19 schuld?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Können Impfungen oder Infektionen Schübe von Autoimmunerkrankungen auslösen? Gerade im Zusammenhang mit COVID-19 werden solche Fälle mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Aber ist die Schubrate seit Pandemiebeginn wirklich gestiegen? Eine Rheumatologin fasst die aktuelle Datenlage zusammen.

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie begegnen Rheumatologen und Rheumatologinnen diesem Phänomen immer wieder: Erkrankte mit Lupus erythematodes oder rheumatoider Arthritis, die angeben, nach der SARS-CoV-2-Impfung seien die Symptome ihrer Autoimmunerkrankung plötzlich wieder aufgeflammt. Andere berichten von Schüben oder zumindest einer Verschlechterung der Symptome, nachdem sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatten.

Nach Dr. Johanna Mucke, Rheumatologin am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist die generelle Frage, ob Impfungen oder Infektionen Schübe von Autoimmunerkrankungen auslösen können, keinesfalls geklärt. „Wir alle denken: Ja, aber bislang gibt es hierzu ganz wenig Evidenz.“

Schubraten ähnlich wie vor der Pandemie

Immerhin, im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung kann man sich mittlerweile auf große Register berufen. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) präsentierte Mucke Daten aus der VACOLUP-Studie (international vaccination against COVID in systemic lupus), der COVAX-Initiative, dem COVID-19 Global Rheumatology Alliance Vaccine Survey und dem Johns-Hopkins-Register. Darin sind Schubfrequenzen von 3%, 4,4%, 13,4% und 11% angegeben, also eine erhebliche Spannbreite. Das Mittelfeld entspricht nach Mucke jedoch „der grundsätzlichen Schubrate von Patienten und Patientinnen ohne COVID-19 und ohne SARS-CoV-2-Impfung“, nämlich rund 7%. Berücksichtigen müsse man allerdings, dass außer COVAX alle genannten Register auf Fragebögen beruhten, die von den Betroffenen selbst ausgefüllt worden seien, betonte die Rheumatologin.

Nach Infektion häufig Therapiepausen

Nicht nur darin sieht Mucke ein erhebliches Verzerrungsrisiko. Problematisch sei auch die Tatsache, dass viele Betroffene vor einer Impfung oder auch nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 die immunsuppressive Therapie herunterführen oder gar komplett aussetzten. So belegt durch zwei Studien, die den Zusammenhang zwischen COVID-19-Erkrankungen und Schüben einer Autoimmunerkrankung untersucht haben. Die Schubraten lagen hier bei 34% bzw. 41%, wohlgemerkt noch bevor Impfungen gegen SARS-CoV-2 verfügbar waren. In beiden Studien hatte allerdings jede/r zweite Teilnehmende die verschriebenen Medikamente nach Bekanntwerden der Infektion pausiert. Auch das könnte laut Mucke zum vermehrten Auftreten von Schüben beigetragen haben.

Kommt die Arthritis von der Infektion?

Aber handelt es sich überhaupt um einen Schub der rheumatischen Grunderkrankung, wenn ein Patient sich nach einer Infektion verschlechtert, oder sind es vielleicht eher die Nachwehen der Infektion? Die inflammatorischen Mechanismen und Signalwege können nach Mucke in beiden Fällen ähnlich sein. „Es gibt Infektionen, die machen Arthritiden, wie soll ich differenzieren, ob das von der rheumatoiden Arthritis kommt?“ Manche Mikroorganismen bedienen sich Methoden wie molekularer Mimikry, B-Zell-Autoimmunitätsverstärkung oder Epitope-Spreading. Beispielsweise können Parvoviren einen kutanen Lupus imitieren; die Betroffenen denken, sie haben einen Schub, dabei kommen die Symptome von der Viruserkrankung. In der Kohorte der Johns-Hopkins-University waren sowohl ein Zustand nach COVID-19-Erkrankung als auch ein Schub im letzten halben Jahr vor der Impfung als auch eine immunsuppressive Kombitherapie mit der Wahrscheinlichkeit eines Schubs nach SARS-CoV-2-Impfung verknüpft.

Zur Zusammenfassung des aktuellen Stands zitierte Mucke den Rheumaexperten Prof. Christian Kneitz, Rostock: „Natürlich können, wie z. B. bei COVID-19, sowohl Impfung als auch Infektion Schübe auslösen, wenn auch selten. Studien gibt es kaum, sodass eine absolute Aussage schwierig ist.“

Basierend auf: Vortrag von Johanna Mucke, 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Berlin/online, 31.08.–3.09.2022

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