Wann Testosteron ok ist und wann nicht

Auch eine medizinisch indizierte Testosteron-Ersatz-Therapie bei funktionellem Hypogonadismus birgt Risiken. Es gilt, absolute und relative Kontraindikationen sowie mögliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Neben dem primären und dem sekundären Hypogonadismus stellt der funktionelle Hypogonadismus mit einer nachlassenden Stimulation von Hypothalamus und Hypophyse in Kombination mit einer abnehmenden Testosteron-Synthese-Leistung der Hoden die zahlenmäßig häufigste Form des Testosteronmangel-Syndroms dar. Dies vor allem, da diese Form des Hypogonadismus typischerweise dem Alters-Hypogonadismus entspricht, der aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland und Europa in den nächsten Dekaden deutlich zunehmen dürfte. Zur leitliniengerechten und evidenzbasierten Therapie (EAU, Society for Endocrinology) stehen mit transdermalen und intramuskulären Testosteron-Applikationen zwei gut etablierte Optionen zur Verfügung. Bei Vorliegen bestimmter Risiken kann eine solche Behandlung aber kontraindiziert oder zumindest mit erheblichen Risiken verbunden sein. So stellen ein unbehandeltes Prostata- oder Mammakarzinom beim Mann weiterhin eine klare Kontraindikation dar. Eine bereits bestehende Polyglobulie ist ebenfalls ein Ausschlusskriterium für eine Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT). Immer wieder vergessen wird auch, dass selbstverständlich ein noch bestehender Kinderwunsch nicht mit der exogenen Gabe von Testosteron vereinbar ist, da diese zu einer Suppression der Spermiogenese führt. Relative Kontraindikationen sind ein benignes Prostata-Syndrom (BPS) mit schon vorhandenen deutlichen klinischen Symptomen, bekannte familiär bedingte gehäufte Thromboembolien und ein akutes kardiales Ereignis oder eine schwere Herzinsuffizienz. Merkmale der funktionellen Form Im Gegensatz zum primären Hypogonadismus, der durch eine alleinige testikuläre Unterfunktion gekennzeichnet ist, und zum sekundären Hypogonadismus, welcher durch eine Hypothalamus- und/oder Hypophysen-Unterfunktion charakterisiert ist, liegt beim funktionellen Hypogonadismus in der Regel eine kombinierte nachlassende Testosteron-Synthese-Leistung der Hoden und eine rückläufige hypothalamisch-hypophysäre Stimulation vor. Die Diagnose eines Testosteronmangel-Syndroms darf nur gestellt werden, wenn neben dem laborchemisch nachgewiesenen Hormondefizit auch die entsprechenden typischen klinischen Symptome vorliegen. Typische Risikofaktoren für das Vorliegen eines Testosteronmangel-Syndroms sind vor allem Bewegungsmangel kombiniert mit einer viszeralen Adipositas, ein Diabetes mellitus oder metabolisches Syndrom und das Alter. Je nach Grenzwert (laut EAULeitlinie: eindeutiger Mangel bei Werten , 8 nmol/l; Grenzbereich 8 nmol/l – 12 nmol/l) liegt die Häufigkeit für einen funktionellen Hypogonadismus in den untersuchten Studienpopulationen zwischen circa 4 % und circa 15 %. Die Gesamt-Prävalenz steigt altersabhängig von 0,1 % in der Gruppe der Männer bis 50 Jahre bis auf 5,1 % in der Gruppe der Männer über 70 Jahre. In der EU sind 30 % aller Männer älter als 55 Jahre, was einer Gesamtzahl von etwa 65 Millionen Männern entspricht. Damit kann man in Europa von einer Gesamtzahl von wahrscheinlich 3 Millionen Männern mit einem funktionellen Hypogonadismus ausgehen. Die Tendenz dürfte in Anbetracht der demografischen Entwicklung weiter steigen. Für die Leitlinien-gerechte Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT) stehen heute mit verschiedenen transdermalen und zwei intramuskulären Präparaten gut etablierte Therapie-Optionen zur Verfügung. Bei der intramuskulären Applikation ist der langwirksame Testosteronundecanoat vor dem − nur wenige Wochen wirksamen − Testosteronenanthat zu bevorzugen, da hierbei der Serum-Testosteronspiegel deutlich weniger schwankt. Der Vorteil der transdermalen Präparate ist die sehr individuelle Dosierung und ein bei der empfohlenen frühmorgendlichen Auftragung besonders physiologischer Verlauf des Serum-Testosteronspiegels. Relative häufige Nebenwirkungen (bis zu 1 von 10 Patienten) einer Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT) können eine Polyglobulie mit Anstieg des Hämoglobins und des Hämatokrits, eine Gewichtszunahme durch Wasserretention oder eine Akne sein. Seltener treten unter der Behandlung eine Hypertonie oder eine Gynäkomastie auf. Bezüglich der Prostata können bei vorher lange bestehendem Testosteronmangel unter der Substitution primär die Größenzunahme einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) und ein relevanter PSA-Anstieg auftreten. Im weiteren Verlauf sistieren diese Phänomene aber. Bei der intramuskulären Injektion können lokale Nebenwirkungen wie Schmerzen, Hämatombildung und Reizungen durch die ölige Suspension vorkommen. Selten beschrieben ist in diesem Zusammenhang eine pulmonale Mikroembolie im Falle einer intravasalen Injektion. Im Rahmen einer transdermalen Testosteron-Gel Applikation können typische Hautreaktionen wie Erytheme und trockene Haut durch den enthaltenen Alkohol auftreten. Das Risiko einer möglichen Übertragung von Testosteron auf die Partnerin oder die Kinder scheint bei sachgerechter Anwendung klinisch keine Rolle zu spielen. Unter einer langfristigen, insbesondere hoch-dosierten Testosteron-Substitutionstherapie (TRT) wurde auch eine relevante Abnahme des Hodenvolumens beschrieben. Einschränkungen der Therapie Ein unbehandeltes Prostatakarzinom oder ein Mammakarzinom bei Mann stellen weiterhin eine klare Kontraindikation für eine Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT) dar. Beides gilt es daher vorher mit allen notwendigen Mitteln auszuschließen. Bei gleichzeitigem Vorliegen eines erfolgreich therapierten Prostatakarzinoms und eines deutlich symptomatischen funktionellen Hypogonadismus kann dagegen eine Testosteron-Behandlung unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht gezogen werden. Pathologisch erhöhte Hämoglobinund/oder Hämatokrit-Werte im Rahmen einer bereits bestehenden Polyglobulie sind ein weiteres Ausschlusskriterium für eine Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT). Ein aktiver bestehender Kinderwunsch stellt eine eindeutige Kontraindikation gegen die exogene Gabe von Testosteron dar. Ein benignes Prostata-Syndrom (BPS) mit schon vorhandenen deutlichen klinischen Symptomen, bekannte familiär bedingte gehäufte Thromboembolien und ein akutes kardiales Ereignis oder eine schwere Herzinsuffizienz sind nach den geltenden Empfehlungen nur relative Kontraindikationen für eine Testosteron-Ersatz-Therapie (TRT), bei denen die Indikation im Einzelfall kritisch geprüft werden muss. Insgesamt ist die Testosteron-Substitutionstherapie (TRT) bei funktionellem Hypogonadismus bei Beachtung möglicher Nebenwirkungen und Kontraindikationen eine sichere und effektive Behandlung mit großem klinischem Nutzen für die betroffenen Patienten. Empfehlung der Redaktion Der DGU-Kongress 2022 – alle Highlights Die 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie fand unter dem Motto "Gemeinsam Zukunft Gestalten" als Präsenzkongress in Hamburg statt. Diskutiert wurde zum Beispiel, wie es sich mit Dauerkatheter lebt, warum eine asymptomatische Bakteriospermie einen Kinderwunsch vereiteln kann oder welche Entwicklungen in der rekonstruktiven Urologie vielversprechend sind. Quelle: Kongressausgabe der Ärzte Zeitung zum 74. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), 21.–24.9.2022, Hamburg

Springer Medizin

Wann Testosteron ok ist und wann nicht

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Urologie

Adjuvante Immuntherapie verlängert Leben bei RCC

Bei Senioren mit Prostatakarzinom auf Anämie achten!

Stufenschema weist Prostatakarzinom zuverlässig nach

Harnwegsinfektprophylaxe: Es geht auch ohne Antibiotika

Update Urologie