Frühzeitige Messung der Durchblutung beugt Amputationen vor

Mit einer rechtzeitigen Durchblutungsdiagnostik könnte jede vierte Amputation aufgrund eines diabetischen Fußsyndroms (DFS) verhindert werden, so Dr. Berthold Amann, Chefarzt der Inneren Medizin am Franziskus-Krankenhaus, Berlin. Laut dem Angiologen sollte diese am besten schon bei Diagnosestellung des Diabetes erfolgen. Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) ist in Deutschland die häufigste Ursache für Amputationen oberhalb des Sprunggelenks. So ein Eingriff ist folgenschwer, nicht nur für die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten. Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2023 ist die Mortalität nach einer Major-Amputation ohne Fußerhalt dramatisch erhöht: „Mehr als die Hälfte wird nach fünf Jahren verstorben sein“, schreibt Dr. Michael Eckhard, ärztlicher Leiter des Diabeteszentrums am Uniklinikum Gießen/Marburg in dem Bericht. Aber auch wenn die Amputation nur einen Teil des Fußes betreffe, liege die 5-Jahres-Mortalität noch bei rund 46%. Das Sterberisiko beginnt allerdings schon viel früher zu steigen: Bereits das Vorliegen eines diabetischen Fußulkus ist laut Gesundheitsbericht mit einer Mortalität von über 30% innerhalb der nächsten fünf Jahre assoziiert. Messung schon zum Zeitpunkt der Diabetesdiagnose Um solche Verläufe zu verhindern, müsse bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eines Typ-2-Diabetes angesetzt werden, forderte Dr. Berthold Amann von der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) im Vorfeld der Diabetes-Herbsttagung. „Schon bei der Diagnosestellung des Diabetes ist die Chance, dass eine Durchblutungsstörung am Bein vorliegt, über 50%“, so DGA-Tagungspräsident Amann. In diesem Fall steige das Risiko, ein Bein zu verlieren, bereits bei Vorliegen einer kleinen Wunde auf bis zu 20%. „Da kommen dann auch die 30.000 Amputationen pro Jahr her, die bei Diabeteserkrankten durchgeführt werden.“ Kritisch werde es immer dann, wenn die Durchblutung nicht ausreiche, um eine Wundheilung zu erlauben. Empfehlung der Redaktion Diabetestherapie Ein gut eingestellter Diabetes vermeidet Diabetesfolgen. Wie Sie Blutzuckerspiegel kontrollieren und Hyper- und Hypoglykämien vermeiden erfahren Sie hier, immer aktuell. Ein Viertel der Amputationen könnte verhindert werden Ein Großteil, nämlich rund 80% der insgesamt über 8 Millionen an Diabetes erkrankten Menschen in Deutschland, wird primär in hausärztlichen Praxen versorgt. Nach Amann kommt Hausärzten daher in der Diagnostik von Diabetes-bedingten Durchblutungsstörungen eine entscheidende Rolle zu. Eine von Amann zitierte Studie aus England zeigt: Bis zu einem Viertel der Amputationen könnten verhindert werden, wenn rechtzeitig eine angemessene Durchblutungsdiagnostik durchgeführt worden wäre. Dabei gibt es dem Angiologen zufolge allerdings gleich mehrere Probleme, welche die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (Ankle Brachial Index, ABI) in der Praxis betreffen. Das eine ist die diagnostische Herausforderung: Ein Diabetes mellitus verursacht nicht nur die Polyneuropathie, die dafür sorgt, dass Schmerzen als Warnsignal bei Fußverletzungen wegfallen. Er kann auch zu einer Verhärtung der inneren Muskelschicht in den Unterschenkelarterien führen, der sogenannten Mediasklerose. „Dann ist der Blutdruck am Bein plötzlich doppelt so hoch wie am Arm“, erklärte Amann. In diesem Fall sei das Ergebnis der ABI-Messung für die Durchblutungsdiagnose nicht zu verwerten. Das andere Problem betrifft die Gesundheitspolitik: Die Knöchelblutdruckmessung durch den Hausarzt wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vergütet. Amann sieht darin eine „gravierende Versorgungslücke“; es sei, als ob man „dem Kardiologen verbieten würde, ein EKG zu machen“. Sein Appell an die Entscheidungsträger lautet, sich „bei dieser basalen Diagnostik vorwärtszubewegen“. Frühzeitig zur Duplexsonografie! Dem Hausarzt bleibe inzwischen nur, von Anfang auf die Patienten zuzugehen, sich die Füße anzuschauen und zu versuchen, den Puls am Knöchel zu tasten – was allerdings alles andere als trivial sei. „Wenn der Puls da ist, können Sie sich erst einmal entspannen. Ist er nicht da, und das passiert ganz häufig, muss man durch apparative Methoden feststellen, ob eine Durchblutungsstörung vorliegt.“ Für die sichere und zuverlässige Messung, die auch im Verlauf, spätestens aber bei Auftreten einer Fußwunde durchzuführen sei, stehe die Duplexsonografie zur Verfügung, am besten beim Angiologen. „Wir plädieren für einen relativ frühen Einsatz dieser Untersuchungsmethode“, schloss der DGA-Experte. Basierend auf: Vortrag von B. Amann, Vorab-Pressekonferenz zur 16. Diabetes-Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), online, 16. November 2022

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