Bei Therapie mit Sulfasalazin nicht auf den HbA1c verlassen!

Wenn Diabetiker wegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder rheumatoider Arthritis mit Sulfasalazin behandelt werden, ist ihre Blutzuckerkontrolle womöglich schlechter, als es der HbA1c vermuten lässt. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Bei Diabetikern, die aus anderen Gründen Sulfasalazin erhalten, sinkt der HbA1c: Dieser Effekt ist in Kasuistiken und Fallserien beschrieben. Es handelt sich dabei aber nicht um einen erfreulichen Nebeneffekt des antientzündlichen Wirkstoffs auf den Blutzuckerspiegel. Der Rückgang des HbA1c scheint vielmehr die Folge von hämatologischen Veränderungen zu sein. Entsprechende Vermutungen haben schottische Mediziner in einer Studie erhärtet. Sie warnen, dass bei Patienten mit Sulfasalazin „der HbA1c-Wert kein verlässliches Maß für den Blutzucker“ sei. Die Forscher um Samira N’Dow von der University of Dundee hatten postuliert, dass die Sulfonamidgruppe von Sulfasalazin über eine milde Hämolyse das HbA1c reduziert. Das Prodrug Sulfasalazin wird im Kolon in 5-Aminosalicylat (5-ASA) und Sulfapyridin gespalten. Sulfapyridin, ein Sulfonamid, wird systemisch resorbiert und hat bekanntermaßen hämatologische Nebenwirkungen. Um zu belegen, dass diese Komponente und nicht 5-ASA die Veränderung des HbA1c verursacht, haben die Mediziner retrospektiv Typ-2-Diabetiker unter Sulfasalazin mit Typ-2-Diabetikern unter Mesalazin verglichen. Mesalazin ist ebenfalls ein 5-ASA-Wirkstoff, der bei chronisch entzündlichen Darmerkerkrankungen eingesetzt wird, enthält aber keine Sulfonamidgruppe. Klinisch relevante HbA1c-Senkung 113 Typ-2-Diabetiker hatten eine Therapie mit Sulfasalazin, 103 eine mit Mesalazin begonnen. Die beiden Gruppen wiesen ähnliche Eigenschaften auf, sie waren durchschnittlich 65–66 Jahre alt, mit 58 Jahren erkrankt und hatten ein Ausgangs-HbA1c von 57mmol/mol (7,4%, Sulfasalazin) bzw. 61 mmol/mol (7,7%, Mesalazin). Sechs Monate nach Beginn der ASA-Medikation war das HbA1c mit Sulfasalazin im Mittel um 9 mmol/mol (0,9%) und damit statistisch signifikant zurückgegangen, in der Kontrollgruppe wurde dagegen ein nicht signifikanter Anstieg um 2 mmol/mol (0,2%) verzeichnet. Nach einem Jahr war der HbA1c-Wert mit Sulfasalazin immer noch um 6 mmol/mol (0,5%) niedriger als der Basiswert, mit Mesalazin lag er auf Ausgangsniveau. Der HbA1c-senkende Effekt von Sulfasalazin war unabhängig von der weiteren Begleitmedikation oder dem Vorliegen einer Anämie. Korrelation mit Blutbildveränderungen Ausschließlich in der Sulfasalazingruppe ergaben sich außerdem signifikante Veränderungen im Blutbild: Die Erythrozytenzahl war vermindert, der mittlere korpuskuläre Gehalt an Hämoglobin (MCH) und das mittlere Zellvolumen (MCV) waren erhöht. Dabei zeigte sich eine statistisch signifikante Korrelation des HbA1c mit der Erythrozytenzahl und mit dem MCV. All das spricht dafür, dass die HbA1c-Effekte von der Sulfonamidgruppe von Sulfasalazin ausgehen und dass sie über eine milde Hämolyse vermittelt werden. Dass (auch) andere Mechanismen an der HbA1c-Senkung beteiligt sind, wollen die Studienautoren allerdings nicht ausschließen, zumal ihnen von den Patienten keine Blutglukosedaten zur Verfügung standen. Sie raten jedoch davon ab, „bei Patienten mit Sulfasalazinverordnung den HbA1c-Wert zur Diagnose oder Überwachung eines Typ-2-Diabetes zu nutzen“. Ähnliches könnte auch für andere Sulfonamidmedikamente gelten. Laut N’Dow et al. gibt es entsprechende Fallberichte für Dapson und für Sulfamethoxazol. Ob auch bei häufiger verwendeten Substanzen wie Furosemid mit derartigen Effekten zu rechnen sei, müsse erst noch untersucht werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirkt sich bei Diabetikern eine Behandlung mit Sulfasalazin auf das HbA1c aus? Antwort: Unter Sulfasalazin kommt es zu einer signifikanten Reduktion des HbA1c, mit Mesalazin ist das nicht der Fall. Die HbA1c-Rückgang unter Sulfasalazin korreliert mit einer Reduktion der Erythrozytenzahl und einer Zunahme des MCV. Bedeutung: Sulfasalazin bewirkt wahrscheinlich über seine Sulfonamidgruppe eine Reduktion des HbA1c; mutmaßliche Ursache dafür ist eine milde Hämolyse. Einschränkung: Der HbA1c-Wert ist bei Diabetikern unter Sulfasalazin kein verlässliches Maß für den Langzeitblutzucker.

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