Die Bedeutung des subchondralen Knochens in der Behandlung von Knorpeldefekten
verfasst von:
Dr. med. Jakob Ackermann, Daniel Günther, Brenda Laky, Dominic Mathis, Adrian Deichsel, Lukas N. Münch, Karl Friedrich Schüttler, Arasch Wafaisade, Lena Eggeling, Sebastian Kopf, Elmar Herbst
Der hyaline Knorpel und der subchondrale Knochen bilden zusammen eine komplexe osteochondrale Einheit, die eine enge Kommunikation und Abhängigkeit voneinander aufweist. Die Integrität des subchondralen Knochens ist sowohl im nativen Zustand als auch nach knorpelchirurgischen Eingriffen von entscheidender Bedeutung für den hyalinen Knorpel. Diese Gewebe befinden sich nicht nur in einem ständigen dynamischen biochemischen Austausch, sondern bilden gleichzeitig eine komplexe Mikroarchitektur, die dazu in der Lage ist, die alltäglichen mechanischen Belastungen optimal zu absorbieren und zu verteilen. Veränderungen in einem der beiden Gewebe, sei es im hyalinen Knorpel oder im subchondralen Knochen, führen zu signifikanten Anpassungen auf der jeweils anderen Seite. Daher ist es unerlässlich, den subchondralen Knochen bei der Bewertung und Behandlung von chondralen und osteochondralen Defekten zu evaluieren und ggf. chirurgisch zu behandeln, um ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen.
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Eine detaillierte Kenntnis der Gelenkhomöostase ist essenziell für die erfolgreiche Behandlung von chondralen und osteochondralen Läsionen. Ohne eine adäquate Therapie neigen diese Schäden zur Progression und können letztlich zur Entstehung von Arthrose führen [67, 90]. Um eine adäquate Therapie einleiten zu können, muss ein fundiertes Wissen über die komplexe Anatomie und Morphologie des artikulären Knorpels und des darunter liegenden subchondralen Knochens vorhanden sein. Der hyaline Knorpel besitzt die einzigartige Fähigkeit, hohen Belastungen zu widerstehen und dabei eine nahezu reibungslose Bewegung zwischen den artikulierenden Knochen herzustellen. Die hierbei entstehenden Lasten werden gemeinsam mit dem subchondralen Knochen aufgenommen und verteilt, um so eine optimale Funktion des Gelenks zu garantieren. Aufgrund der engen anatomischen, mechanischen und biochemischen Beziehung zwischen hyalinem Knorpel und subchondralem Knochen werden beide auch als osteochondrale Einheit zusammengefasst. Dieser Begriff deutet bereits auf die enge gegenseitige Abhängigkeit beider Strukturen hin und betont die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes. Ziel ist es, die physiologischen Eigenschaften der gesamten osteochondralen Einheit wiederherzustellen und letztendlich eine optimale Geweberegeneration zu erreichen. In der Vergangenheit wurde die Bedeutung des subchondralen Knochens für die Integrität des hyalinen Knorpels lange unterschätzt, und Behandlungsansätze fokussierten sich ausschließlich auf die Therapie des Knorpelschadens. Jedoch besteht ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung des subchondralen Knochens bei der Entstehung und Behandlung von pathogenen Prozessen des Gelenkknorpels [41, 66].
In der nachfolgenden Arbeit soll die Anatomie, Morphologie und Funktion der osteochondralen Einheit, insbesondere des subchondralen Knochens, erarbeitet und deren Bedeutung im Rahmen der Knorpelchirurgie beleuchtet werden.
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Anatomie des hyalinen Knorpels
Die osteochondrale Einheit, bestehend aus hyalinem Knorpel und subchondralem Knochen, welche durch eine feine Schicht, dem kalzifizierten Knorpel, getrennt wird, ist eine hochkomplexe Struktur mit charakteristischen Eigenschaften der einzelnen Substrukturen.
Der hyaline Knorpel ist ein avaskuläres und anervales Gewebe, das zum größten Anteil aus Wasser (> 70 %), Kollagen Typ II und dem Proteoglykan Aggrecan besteht, welche ein dichtes Netzwerk, auch die extrazelluläre Matrix (EZM) genannt, bilden. Nur etwa 1–2 % des gesamten Knorpelvolumens besteht aus dem einzig vorhandenen Zelltyp, den Chondrozyten [44, 48, 85]. Die EZM bildet mit ihrem dichten Netzwerk aus Kollagen und Proteoglykanen die Grundlage für die charakteristischen mechanischen Eigenschaften des Knorpels. Das Kollagen verleiht dem Gewebe eine hohe Zugfestigkeit, während die Proteoglykane durch ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Kompressionskräften aufweisen können [6, 42]. Die ausgereiften Chondrozyten hingegen zeigen keine mitotische Aktivität und befinden sich lediglich in einem Steady-state-Metabolismus, um so eine Balance zwischen den anabolen und katabolen Prozessen des Knorpels zu halten [47]. Zusammen mit der EZM bilden die Chondrozyten verschiedene Zonen, in welche der hyaline Knorpel eingeteilt werden kann: die oberflächliche (Tangentialzone), die mittlere (Übergangszone) und die tiefe Zone (Radiärzone; [35]).
In der oberflächlichen Zone des Knorpels (ca. 10–20 % der Gesamtdicke) sind die Kollagenfasern äußerst dicht verstrickt und verlaufen parallel zur Oberfläche. Diese Schicht weist eine vergleichsweise hohe Anzahl von Chondrozyten auf, die flach angeordnet sind und so eine Schutzschicht für die darunterliegenden Zonen bilden (Abb. 1). Zusätzlich konnten hier in mehreren Studien sog. Knorpelresidente Stamm‑/Progenitorzellen nachgewiesen werden, welche wahrscheinlich einen Einfluss auf die Chondrogenese, intrinsische Knorpelregenration nach Trauma und die Entwicklung von Arthrose haben [28, 53, 62, 104]. Aufgrund des direkten Kontakts mit der Synovialflüssigkeit und der gegenüberliegenden Gelenkfläche werden in dieser Zone die höchsten Zug- und Scherkräfte absorbiert. Die mittlere Zone (ca. 40–60 % der Gesamtdicke) präsentiert sich mit einer geringeren Dichte an Chondrozyten, welche rundlicher sind und vermehrt in Gruppen vorkommen. Hier ist die EZM vermehrt querstrukturiert und trägt zur arkadenförmigen Gestaltung dieser Schicht bei, wodurch eine bessere Absorption der Kompressionskräfte ermöglicht wird. Die tiefe Zone (ca. 30 % der Gesamtdicke), mit ihren zur Oberfläche perpendikulär angeordneten Kollagenfibrillen und Chondrozyten, ist mit ihrem hohen Proteoglykan-Anteil hauptverantwortlich für die Absorbierung von Kompressionskräften [35].
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Anatomie und Funktion des subchondralen Knochens
Allgemein lässt sich festhalten, dass die Zusammensetzung und Architektur des subchondralen Knochens sehr variabel sein kann. Diese beinhaltet die Dicke, Dichte und Mineralisation der einzelnen Komponenten, welche sich auch vor allem abhängig von der mechanischen Last verändern können [10, 17, 76, 77].
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Direkt unter der tiefen Zone des hyalinen Knorpels beginnt der kalzifizierte Knorpel, welcher in Verbindung mit dem subchondralen Knochen als sog. subchondrale Platte bezeichnet wird [66]. Die feine Schicht des kalzifizierten Knorpels hat die Aufgabe, den hyalinen Knorpel am subchondralen Knochen zu verankern und stellt somit einen integralen Teil für die Aufnahme und Verteilung der Kompressions- und Scherkräfte an den subchondralen Knochen dar [18]. Zwischen der kalzifizierten Knorpelschicht und dem hyalinen Knorpel liegt noch die histologisch abgrenzbare Tidemark mit ihrer komplexen dreidimensionalen Struktur, welche eine Transitionszone zwischen den zwei sehr unterschiedlichen Knorpelregionen darstellt [63, 64]. Interessanterweise überbrücken die Kollagenfibrillen des nichtkalzifizierten Knorpels die Tidemark und zeigen sich in Kontinuität mit denen des kalzifizierten Knorpels. Gegensätzlich hierzu bestehen jedoch keine verbindenden Kollagenfasern zwischen dem kalzifizierten Knorpel und dem subchondralen Knochen, welche durch die sog. Zementlinie getrennt sind [66]. Somit kann angenommen werden, dass die Tidemark einen wichtigen Teil zur mechanischen Lastverteilung zwischen dem weniger rigiden hyalinen Knorpel und steiferen kalzifizierten Knorpel beiträgt. Die Zementlinie stellt jedoch einen Schwachpunkt dar, da hier eine weniger starke Verbindung zwischen dem kalzifizierten Knochen und dem subchondralen Knochen besteht [66].
Der subchondrale Knochen, der direkt unter dem kalzifizierten Knochen liegt, besteht aus einem sehr dichten Netzwerk von perpendikulär verlaufenden Trabekeln, welche sich als ca. 0,2-0,4 mm dicke Platten darstellen, die mit einem Abstand von ca. 0,4–0,6 mm parallel zueinander liegen. Dieses dichte Netzwerk erstreckt sich jedoch nur über wenige Millimeter und geht dann graduell in den gröber geformten spongiösen Knochen über [96].
Durch diese hochkomplexe Architektur des hyalinen Knorpels mit dem darunterliegenden subchondralen Knochen werden die mechanischen Kräfte durch die verschiedenen elastischen Module der einzelnen Komponenten aufgenommen und verteilt. So hat der Knorpel ein von der Oberfläche bis zur tiefen Zone und dem kalzifizierten Knorpel graduell ansteigendes Elastizitätsmodul (höhere Steifigkeit). Ähnliches zeigt sich subchondral, wobei der subchondrale Knochen eine höhere Elastizität aufweist im Vergleich zum spongiösen und kortikalen Knochen [7, 14, 22]. Durch dieses feine Zusammenspiel können die alltäglichen Kräfte (ca. das 2‑ bis 3‑fache des Körpergewichts liegt auf dem Kniegelenk beim normalen Gehen [31]) aufgenommen und effizient verteilt werden, ohne die einzelnen Strukturen zu überlasten. Hierbei kann der hyaline Knorpel jedoch nur ca. 1–3 % der mechanischen Last verringern, wobei der subchondrale Knochen ca. 30 % der Last abschwächen kann [14]. Dies spiegelt die immense Bedeutung des subchondralen Knochens für die mechanische Belastbarkeit des darüber liegenden Knorpels wider. Eine Schädigung des subchondralen Knochens und das daraus resultierende Remodeling können zu einer Veränderung der mechanischen Eigenschaften des subchondralen Knochens führen, was wiederum die optimale Kraftübertragung von der Knorpeloberfläche bis in den spongiösen Knochen verhindert. Dieser Prozess führt zwangsläufig auch zu Schäden des dadurch überlasteten hyalinen Knorpels [40, 56, 65].
Diesen mechanischen Lasten passt sich der subchondrale Knochen dynamisch an. So konnten mehrere Studien zeigen, dass sowohl die Dicke, die Dichte, die Festigkeit, die Mineralisierung, als auch die Vaskularisierung des subchondralen Knochens an den Stellen des Gelenks mit der höchsten mechanischen Belastung am größten ist und sich diese bei einer Verschiebung der Hauptbelastung (z. B. nach einer Beinachsenkorrektur) verändern kann [4, 12, 23, 29, 33, 43, 59, 66, 70, 78, 80, 82]. Allgemein zeigt der subchondrale Knochen, im Gegensatz zum hyalinen Knorpel, eine hohe Vaskularisierung und hohe Dichte an Nervenfasern. Die sowohl arteriellen als auch venösen Blutgefäße geben hierbei kleinste Äste in den kalzifizierten Knorpel ab. Hierüber wird der Knorpel (vor allem die tiefen Zonen) per Diffusion mit Nährstoffen versorgt, so wie dies auch über die Synovialflüssigkeit an der oberflächlichen Zone des Knorpels geschieht [8, 89]. Zeigt sich diese subchondrale Versorgung jedoch eingeschränkt, so ist der hyaline Knorpel ausschließlich auf die Versorgung über die Synovialflüssigkeit angewiesen [66]. Neben dieser indirekten Versorgung durch Diffusion scheint jedoch auch teilweise ein direkter Kontakt zwischen Knorpel- und Knochenzellen zu bestehen [49, 64].
Somit lässt sich die Funktion des subchondralen Knochens in zwei Pfeiler unterteilen. Zum einen verleiht ihm seine Architektur mechanische Eigenschaften, die ihm es ermöglichen, den hyalinen Knorpel bei der Lastaufnahme und -verteilung zu unterstützen. Zum anderen trägt sein dichtes Netzwerk an Blutgefäßen und Nerven zur Versorgung des hyalinen Knorpels mit Nährstoffen bei und ist gleichzeitig Ort der Schmerzgenese im Falle von Pathologien [39, 51, 61, 75, 108].
Veränderung des subchondralen Knochens bei Arthrose
Der subchondrale Knochen durchläuft bedeutende Veränderungen während der Entstehung und Progression einer Arthrose. Diese Veränderungen verdeutlichen die entscheidende Rolle des subchondralen Knochens bei der Aufrechterhaltung der Homöostase des Gelenks.
Trotz vermehrten wissenschaftlichen Interesses an der Erforschung des subchondralen Knochens und dessen Veränderung im arthrotischen Gelenk ist es bis jetzt nicht final geklärt, ob die Alterationen des subchondralen Knochens der Auslöser oder doch nur die sekundären Folgen des Zusammenbruchs des hyalinen Knorpels sind [61, 66]. In den frühen Phasen der Arthrose zeigt sich ein erhöhtes ossäres Remodeling, welches zur Proliferation von Knochengewebe führt und somit letztendlich in einer Verdickung der subchondralen Platte endet. Gleichzeitig migriert die Tidemark nach artikulär, was zu einer Verdünnung des hyalinen Knorpels führt. Das Remodeling beeinflusst zudem die Mineralisierung des subchondralen Knochens und führt dadurch zu einer Alteration des Elastizitätsmoduls, was wiederum zu einer Veränderung der mechanischen Eigenschaften des subchondralen Knochens führt. Es konnte gezeigt werden, dass die Mineralisierung des subchondralen Knochens direkt mit der Elastizität des hyalinen Knorpels korreliert [34]. Letztendlich liegt somit ein verdünnter hyaliner Knorpel einer steifen subchondralen Platte auf, wodurch die Aufnahme und Verteilung von Kräften deutlich beeinträchtigt ist und somit zur Degradation des hyalinen Knochens beiträgt [9, 16, 18, 26, 27, 66].
Ferner zeigt sich eine erhöhte Vaskularisierung des subchondralen Knochens mit Invasion von Blutgefäßen in den kalzifizierten Knorpel und schließlich Penetration der tiefen Zone des hyalinen Knorpels [13, 46]. Die zusätzlich auftretenden Fissuren und Mikrobrüche des subchondralen Knochens aktivieren das „bone remodeling“. Es wird angenommen, dass die hierbei freigesetzten Zytokine und Prostaglandine den Katabolismus des hyalinen Knorpels anregen [57]. Allgemein konnte gezeigt werden, dass der insgesamt erhöhte biochemische Austausch zwischen dem subchondralen Knochen und dem hyalinen Knorpel schließlich zur Knorpeldegeneration und Progression der Arthrose führt [88].
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Neben dem erhöhten biochemischen Austausch konnte gezeigt werden, dass durch die Neovaskularisation, gesteuert durch den Endothelwachstumsfaktor („vascular endothelial growth factor“, VEGF), auch die Neurogenese angeregt wird und somit gleichzeitig neue Nervenfasern in den Knorpel einsprossen, welche wiederum zur Schmerzgenese beitragen [99, 101]. Während Schmerzen in einem arthrotischen Gelenk auch häufig von der gleichzeitig bestehenden Synovitis stammen können, so konnte jedoch in einer Querschnittsstudie gezeigt werden, dass Schmerzen in einem arthrotischen Gelenk mit der in der Magnetresonanztomographie (MRT) gemessenen Fläche des freiliegenden subchondralen Knochens korreliert [74]. Der Kontakt der freiliegenden Nervenfasern mit der Synovialflüssigkeit bzw. der gegenüberliegenden Gelenkfläche trägt somit signifikant zur Schmerzempfindung bei Arthrose bei, was auch den Schmerz bei Verletzungen der osteochondralen Einheit erklären kann [60].
Neben der Arthrose gibt es noch zwei weitere Hauptpathologien, welche den subchondralen Knochen betreffen und zu einer Veränderung seiner Morphologie führen und somit den darüberliegenden hyalinen Knorpel beeinflussen können: Osteochondrosis dissecans und Osteonekrose.
Osteochondrosis dissecans (OCD) beschreibt die lokalisierte, idiopathische Veränderung des subchondralen Knochens mit dem Risiko der Fragmentinstabilität und der Schädigung des hyalinen Knorpels [32]. Ursprünglich wurde eine inflammatorische Komponente angenommen, welche jedoch nie nachgewiesen werden konnte. Vielmehr geht man heute von einer multifaktoriellen Genese aus, wobei hauptsächlich die Vaskularisierung des subchondralen Knochens beeinträchtigt wird, welche wiederum zu einer Degenerierung des hyalinen Knorpels führen kann [19, 66]. Die Osteonekrose hingegen ist charakterisiert durch die segmentale Nekrose des Knochens mit folglich Fraktur und Einbruch des subchondralen Knochens, wobei wir hier auf den Artikel des AGA Research Komitees von Münch et al. verweisen möchten [79].
Es lässt sich festhalten, dass der subchondrale Knochen sowohl bei Arthrose als auch bei OCD und Osteonekrose signifikante Veränderungen seiner Morphologie erlebt, welche eine hohe Bedeutsamkeit für die Integrität des hyalinen Knorpels haben. Dementsprechend sollten knorpelchirurgische Verfahren immer eine Evaluation der gesamten osteochondralen Einheit und ggf. Adressierung des subchondralen Knochen beinhalten.
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Veränderung des subchondralen Knochens nach Knorpelchirurgie
Für die Behandlung von Knorpeldefekten steht eine Vielzahl von operativen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Diese können per se in drei etablierte Prinzipien unterteilt werden: knochenmarkeröffnende Verfahren (Mikrofrakturierung, Nanodrilling, autologe matrixinduzierende Chondrogenese), zell- oder vielmehr chondrozytenbasierende Verfahren (autologe Chondrozyten-Implantation [ACT] der verschiedenen Generationen, „minced cartilage“) und Ersatz der osteochondralen Einheit (autologe oder allogene osteochondrale Transplantation). Neben dem grundsätzlichen Prinzip der Knorpelrekonstruktion unterscheiden sich diese Techniken auch in der Beeinflussung des subchondralen Knochens, wobei die knochenmarkeröffnenden Verfahren diesen penetrieren, die chondrozytenbasierenden Verfahren ihn nicht direkt beeinflussen (außer bei gleichzeitiger Knochenaugmentation bei osteochondralen Defekten), und die osteochondralen Transplantationen ihn lokal als Ganzes ersetzen.
Knochenmarkeröffnende Verfahren (z. B. Mikrofrakturierung)
Bei knochenmarkeröffnenden Verfahren zeigen sich ähnliche subchondrale Veränderungen, wie sie in der Entwicklung von Arthrose gesehen werden [41]. Mehrere Studien konnten zeigen, dass ca. 30–50 % der Patienten, die mit Mikrofrakturierung für einen symptomatischen Knorpelschaden behandelt wurden, eine Verdickung der subchondralen Platte mit Elevation der Tidemark und Osteophyten innerhalb des Defekts aufwiesen [55, 73, 95]. Dies führt zu einer Versteifung des subchondralen Knochens und dementsprechend eingeschränkten Kraftübertragung an der Knorpel-Knochen-Grenze mit schlussendlich Überlastung des hyalinen Knorpels [91]. Teilweise zeigt sich auch eine frühe subchondrale Knochenresorption mit Verlust an subchondraler Knochenmasse, welche dann wahrscheinlich im Verlauf die Ausbildung von Knochenzysten begünstigt, welche sich nach Mikrofrakturierung erst nach mehreren Monaten zeigen [24, 36]. Es wird angenommen, dass vor allem die Veränderungen des subchondralen Knochens zu den über die Zeit schlechter werdenden Ergebnissen nach Mikrofrakturierung führen [41]. Dies mag auch die bis zu 3‑fach erhöhte Versagensrate von ACT in Patienten nach Mikrofrakturierung erklären, da diese interessanterweise bei Patienten mit subchondralen Alterationen (z. B. Knochenödem) deutlich akzentuiert ist [68, 71]. Neuere Studien konnten beweisen, dass die Art der Knochenmarkeröffnung sowie die Tiefe der Eröffnung von mindestens 6 mm nicht nur von entscheidender Bedeutung für die Qualität des Knorpelregenerats, sondern auch für das Ausmaß der Alteration des subchondralen Knochens ist [20, 54, 106, 109]. Hierbei zeigt sich, dass vor allem das sog. Nanodrilling im Gegensatz zum klassischen Mikrofrakturieren sowohl einen positiven Einfluss auf die Qualität des Knorpelregenerats als auch auf die Alteration des subchondralen Knochen hat [37]. Anscheinend hat hierbei nicht nur die Größe der gebohrten Löcher einen Einfluss auf den subchondralen Knochen, sondern auch, wie diese in den Knochen appliziert werden und ihn dabei impaktieren. Weniger knochenimpaktierende Verfahren scheinen hierbei den subchondralen Knochen besser zu erhalten ([109]; Abb. 2).
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Chondrozytenbasierende Verfahren (z. B. ACT und „minced cartilage“)
Ähnliche Veränderungen des subchondralen Knochens wurden auch bei Patienten nach ACT gesehen. So zeigte sich auch hier eine Verdickung der subchondralen Platte in bis zu etwa einem Drittel der Patienten. Interessanterweise korrelierte das Auftreten dieser subchondralen Alteration signifikant mit der Defektgröße [15, 45, 95, 100]. Es können auch Osteophyten nach ACT in der ursprünglichen Defektzone auftreten, welche vor allem bei sekundärer ACT nach Mikrofrakturierung oder initial osteochondralem Defekt beobachtet werden [15, 100, 105]. Leider gibt es keine robusten histologischen Daten bzgl. der subchondralen Alterationen nach ACT, welche das Gewinnen von osteochondralen Zylindern benötigen würde, was häufig aus ethischen Gründen abgelehnt wird [86]. Insbesondere wäre der Unterschied zwischen ACT mit und ohne gleichzeitiger Knochenaugmentation interessant, um zu evaluieren, wie sich der impaktierte spongiöse Knochen in seiner Architektur verändert, um sich den Gegebenheiten des subchondralen Knochens anzupassen. Mehrere Studien konnten jedoch gute MRT-Ergebnisse sowohl des Knorpelregenerats als auch des subchondralen Knochens nach ACT mit Knochenaugmentation beobachten [50, 72, 81, 83, 107]. Um eine möglichst genaue anatomische Rekonstruktion der osteochondralen Einheit zu schaffen, haben hierbei Ochs et al. und Zellner et al. den subchondralen Defekt nicht mittels impaktierter Knochenspongiosa aufgefüllt, sondern entnahmen kortikospongiöse Knochengrafts aus dem Beckenkamm. Durch die erhaltene Kortikalis des Beckenkamms wurde somit die subchondrale Platte der osteochondralen Einheit rekonstruiert. Beide Studien zeigten gute Ergebnisse mit in der MRT nachgewiesen wiederhergestellter subchondraler Morphologie [81, 107]. Während des Maturationsprozesses zeigte sich hierbei eine hohe Korrelation zwischen den chondralen und subchondralen Parametern [81]. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in einer neueren Studie mittels qualitativer und quantitativer MRT-Analyse nach ACT mit Knochenaugmentation rapportiert. Jung et al. konnten in 21 Patienten nach durchschnittlich 2,5 Jahren zeigen, dass die Qualität des Knorpelregenerats und das klinische Outcome mit der Integrität des subchondralen Knochens korrelierte [50]. Diese Ergebnisse sprechen für eine synchrone Regeneration des hyalinen Knorpels und subchondralen Knochens und unterstreichen den gegenseitigen dynamischen Austausch beider Gewebe.
Osteochondrale Transplantation
Anstatt eine biphasische Rekonstruktion mittels Knorpelchirurgie und darunterliegender Knochenaugmentation durchzuführen, kann die osteochondrale Einheit auch als Ganzes mittels osteochondralem Allo- oder Autograft ersetzt werden. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass bereits die endgültige Architektur der osteochondralen Einheit inkl. der hochkomplexen subchondralen Platte transplantiert wird. Abstrahiert kann man dies mit dem Verlegen von Rollrasen anstatt des Aussäens von Rasen und dem Warten auf dessen Wachstum vergleichen. Der Erfolg von osteochondralen Transplantationen, ob allo- oder autogen, beruht darauf, dass der transplantierte knöcherne Anteil des Knochenknorpelzylinders mit dem umgebenden Knochen des Empfängers vollständig integriert. Basierend auf der am besten verfügbaren Evidenz haben kürzlich Cole und Kollegen einen Algorithmus zur Optimierung der biologischen Einheilung von osteochondralen Allografts publiziert [5]. Die Autoren weisen auf 8 wichtige Schritte hin, welche beachtet werden sollten, um eine bestmögliche Heilung zu erzielen. Unter anderem sollen dabei alle immunogenen Knochenmarkbestandteile mit Hilfe von Pulse-Lavage und Kohlenstoffdioxid-Hochdruck aus dem subchondralen Knochen entfernt werden, da die Immunreaktionen des Empfängerknochens mit einer schlechteren Einheilung und deutlichen subchondralen Alterationen verbunden sind [69, 97]. Des Weiteren sollte der transplantierte subchondrale Knochen eine Dicke zwischen 4 und 6 mm besitzen, um so eine möglichst hohe mechanische Stabilität zu gewährleisten, ohne jedoch zu viel Knochen und somit potenzielle Immunogene zu transplantieren. In einer MRT-Studie von 74 osteochondralen Allografts konnte nämlich gezeigt werden, dass dünne Grafts ein ca. 5-fach erhöhtes Risiko hatten, postoperative subchondrale Zysten aufzuweisen, wohingegen dickere Grafts eine schlechtere ossäre Integration zeigten [1]. Ein genauer Grund für die subchondrale Zystenbildung nach osteochondraler Allografttransplantation ist bis jetzt noch nicht endgültig geklärt, jedoch werden mechanobiologische Ursachen, wie entweder das Eindringen von Synovialflüssigkeit an den Rändern der Grafts oder mechanische Instabilität und somit Knochenresorption an deren Basis diskutiert [87]. Um die ossäre Integration zu fördern, wird zusätzlich empfohlen den subchondralen Knochen der osteochondralen Grafts mit (konzentriertem) Knochenmarksaspirat zu beladen [5]. Hierzu besteht aber keine klare Evidenz in der Literatur mit widersprüchlichen Daten bezüglich des Benefits der Augmentation von Knochenmarkaspirat bei osteochondraler Transplantation [2, 84, 98, 102].
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Unbestritten ist jedoch die Bedeutung des subchondralen Knochens auch für die Integrität des hyalinen Knorpels bei der Implantation von osteochondralen Einheiten. Die Gruppe um von Rechenberg konnte in ihren Tiermodellen zeigen, dass vor allem das Remodeling des subchondralen Knochens während der ersten 6 Monate nach Transplantation entscheidend für die Integrität des hyalinen Knorpels und letztendlich den Erfolg der Prozedur ist, da jegliche subchondrale Alterationen (z. B. Zystenformationen) zur Dislokation des ganzen Transplantats als auch zur Knorpeldegeneration führen können [92, 93]. So können auch plötzliche Unterschiede in Knorpeldicke und der Dicke des subchondralen Knochens (z. B. bei Mismatch der Knorpeldicke zwischen Empfängerknochen und des Transplantat) zu erhöhten Kompressions- und Scherkräften an diesen Lokalisationen führen und folglich zur Knorpeldegeneration beitragen [11, 30, 58, 94]. In einer Studie, welche das klinische und radiologische Outcome mittels MRT nach durchschnittlich ca. 5 Jahren nach Refixation von osteochondralen Frakturen im Knie untersuchte, konnte gezeigt werden, dass lediglich die subchondralen MRT-Parameter (z. B. Knochenmarködem und subchondrale Zysten) mit dem klinischen Outcome korrelierten [3]. Jedoch ist auch hier die Literatur bzgl. histologischer Daten nach osteochondraler Transplantation spärlich.
Ausblick
Die Behandlung von osteochondralen Defekten benötigt die Adressierung sowohl des hyalinen Knorpels als auch des subchondralen Knochens. Die limitierte Verfügbarkeit von osteochondralen Allografts, die Morbidität der Entnahmestelle bei der Verwendung von Autografts sowie die hohen Kosten bei Chondrozytentransplantationen (mit und ohne Knochenaugmentation) führt dazu, dass Biomaterialien und Bioengineering zunehmend in den Fokus der Wissenschaft geraten. Die hierfür eingesetzten Materialen sollen eine vorübergehende 3‑dimensionale Struktur bilden, welche den osteochondralen Defekt auffüllt und ein geeignetes Mikromilieu, d. h. eine antiinflammatorische Umgebung durch Senkung von proinflammatorischen Molekülen, wie z. B. Zytokinen, Chemokinen und reaktiver Sauerstoffspezies, für die Regeneration der komplexen osteochondralen Einheit schafft [103]. Dabei sind sowohl die bereits besprochenen biochemischen als auch mechanischen Eigenschaften von herausragender Bedeutung. Die hierfür zum Einsatz kommenden Biomaterialien bestehen entweder komplett oder partiell aus natürlichen (z. B. Hyaluronsäure und Kollagen) und synthetischen Polymeren (z. B. Polyethylenglykol [PEG] und Polylactid-Säure [PLA]), anorganischen Materialien (z. B. Biokeramik wie Hydroxyapatite und Tricalciumphosphat), EZM-basierenden Materialien (z. B. dezellularisierte EZM als Biotinte) und Metallen (z. B. Titan und Kobalt). Zur Rekonstruktion von chondralen und osteochondralen Defekten können verschiedene Trägerstrukturen zur Verwendung kommen. Diese lassen sich hierbei in mono-, bi- und triphasisch unterteilen, wobei auch multiphasische mit einem Gradienten zur Anwendung kommen. Die distinkte Anatomie des hyalinen Knorpels und des subchondralen Knochens erfordert vor allem die Verwendung von bi- und triphasischen Trägerstrukturen, wobei die triphasischen zudem die Zone des kalzifizierten Knorpels berücksichtigen [41, 103]. Wenn auch die Forschung hier noch in den Anfängen steht, so finden bereits mehrere dieser biologischen Trägerstrukturen in der klinischen Anwendung Gebrauch [103]. Einige Studien konnten hier bereits das große Potenzial dieser Biomaterialen nicht nur bzgl. der Rekonstruktion des hyalinen Knorpels, sondern vor allem der Wiederherstellung der komplexen Struktur des subchondralen Knochens und der osteochondralen Einheit als Ganzes zeigen [25, 38, 52].
Fazit für die Praxis
Die Evaluation und Behandlung von Knorpeldefekten erfordert eine Beurteilung des subchondralen Knochens.
Es stehen verschiedene operative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, welche ihre distinktiven Indikationen besitzen und dabei in chondrale und osteochondrale Therapien eingeteilt werden können.
Knorpelchirurgische Verfahren, die sich bei abnormalem subchondralem Knochen nur auf den hyalinen Knorpel konzentrieren, sind häufig nicht erfolgreich.
Es können Kombinationen von Therapien zur Verwendung kommen, um das optimale operative Ergebnis zu erzielen (z. B. ACT mit Knochenaugmentation).
Biomaterialien und Bioengineering haben das Potenzial, sowohl die hochkomplexe Struktur der osteochondralen Einheit zu rekonstruieren als auch die derzeit noch hohen Kosten und limitiere Verfügbarkeit von knorpelchirurgischen Verfahren zu verbessern.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Ackermann, D. Günther, B. Laky, D. Mathis, A. Deichsel, L.N. Münch, K.F. Schüttler, A. Wafaisade, L. Eggeling, S. Kopf und E. Herbst geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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