Erschienen in:
01.10.2015 | Originalien und Übersichten
Die wiederkehrende Notwendigkeit von Stechmücken-Surveillance und -Forschung
verfasst von:
Priv.-Doz. Dr. Helge Kampen, Dr. Doreen Werner
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 10/2015
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Zusammenfassung
Blut saugende Gliedertiere und die mit ihnen assoziierten Krankheiten stellen eine zunehmende Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier in Europa dar. Nachdem die endemische Malaria gegen Mitte des letzten Jahrhunderts ausgerottet worden war, gewinnen mit fortschreitender Globalisierung unter anderem Stechmücken als Überträger von Krankheitserregern (Vektoren) erneut enorme Bedeutung, da exotische Arten und stechmückenbürtige Pathogene zunehmend häufig eingeschleppt werden. Von Krankheitsausbrüchen und -fällen ist momentan insbesondere der südeuropäische Raum betroffen, aber auch nach Deutschland breiten sich invasive Stechmückenarten aus, darunter effiziente Vektoren. Während fundierte Kenntnisse zum Vektorpotenzial vieler tropischer und subtropischer Spezies existieren, sind entsprechende Daten über einheimische Arten rar. Ausnahmen bilden die Anopheles-Mücken, die im historischen Europa bereits als Überträger von Malariaparasiten fungierten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele weitere einheimische Arten unter bestimmten Bedingungen Krankheitserreger übertragen können und jedenfalls unter dem Szenario einer Klimaerwärmung an Vektorkompetenz gewinnen. Für Risikoanalysen und -modellierungen ist daher die Überwachung der einheimischen Stechmückenfauna und der in ihr kursierenden potenziellen Pathogene dringend angeraten, ebenso die Erforschung der Bedingungen zur Ausbreitung von Vektoren und Erregern sowie zur Übertragung. Nur eine ausreichende Datenbasis kann helfen, gezielte prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen und Bekämpfungsstrategien zu entwerfen. Internationale Gesundheitsorganisationen haben das längst erkannt und propagieren die kontinuierliche Sammlung von Daten zur Verbreitung von Stechmücken und mit ihnen assoziierter Krankheiten in der EU. Auf nationalen Ebenen sind die Behörden zurückhaltender, obwohl – ähnlich wie in vielen anderen Gesundheitsbereichen – sich auch bei den Stechmücken-assoziierten Krankheiten gezeigt hat, dass die Ergreifung präventiver Maßnahmen kostengünstiger ist als das Management von Krankheitsfällen und die Abdeckung der Folgekosten. Der vorliegende Beitrag soll die Notwendigkeit der Reintensivierung der Stechmückenüberwachung und -forschung in Deutschland und anderen europäischen Staaten illustrieren.