Hepatitis C: Nierenfunktion vor Beginn der Therapie prüfen!

Eine chronische HCV-Infektion ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine Nierenfunktionsstörung.1 Bei fast jedem zehnten HCV-Patienten ist die Nierenfunktion verringert.2 Nicht alle HCV-Regime können hier gleichermaßen eingesetzt werden. Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir ± Dasabuvir ist laut Leitlinie der DGVS als derzeit einzige Therapieoption bei HCV-Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz möglich.3, 4 Beim Verordnen von Medikamenten empfehlen die KDIGO*-Leitlinien, immer auch die Nierenfunktion der Patienten zu beachten.5 Bereits ab einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von <60 ml/ min/1,73 m2 sollten potenziell nephrotoxische oder renal eliminierte Substanzen entweder zeitweise abgesetzt oder deren Dosis angepasst werden, insbesondere wenn weitere Erkrankungen vorliegen, die eine akute Nierenschädigung begünstigen. Diese Empfehlung ist aus mehreren Gründen klinisch relevant. Zum einen wird die Hälfte aller Medikamente renal ausgeschieden.6 Zum anderen sinkt die eGFR bereits ab dem 20. bis 30. Lebensjahr pro Jahr um zirka 1 ml/min/1,73 m2, im Alter von 70 Jahren liegt sie im Mittel bei etwa 70 ml/min/1,73 m2 mit einem breiten Schwankungsbereich.7 In Deutschland ist die Prävalenz der Niereninsuffizienz im europäischen Vergleich sehr hoch: Unter den 45- bis 74-jährigen HCV-Patienten kommt eine Niereninsuffizienz aller Stadien (>90 bis <15 ml/min/1,73 m2 oder Dialyse) bei 25,6 Prozent und der Stadien III-V (<60 ml/min/1,73 m2 oder Dialyse) bei bis zu 11,5 Prozent der Allgemeinbevölkerung vor.8 Das ist insbesondere in der Hepatitis-C-Therapie von klinischer Relevanz, da die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) ein eigenständiger Risikofaktor für die Entstehung und Progression einer Niereninsuffizienz ist.1 In einer Studie mit 552 HCV-Patienten und einer Kontrollgruppe mit 313 Nicht-Infizierten war die Prävalenz einer chronischen Niereninsuffizienz mit 9,6 Prozent ebenfalls signifikant erhöht.2 Zwar wirkt eine effektive antivirale Therapie der Hepatitis C dem Fortschreiten der Nierenfunktionsstörung entgegen, aber nicht alle interferonfreien direkt antiviral wirkenden Therapieregime können aufgrund ihrer renalen Eliminierung eingesetzt werden.3, 4 Beim häufigsten HCV-Genotyp (GT) dem GT19, ist laut der deutschen Leitlinie bei schwerer Niereninsuffizienz (eGFR <30 ml/min/1,73 m2) nur das Therapieregime Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir (Viekirax®; OBV/PTV/r ) ± Dasabuvir (Exviera®; DSV) mit oder ohne Ribavirin (RBV) einsetzbar.4 Die Zulassung erlaubt aufgrund der primär hepatobiliären Elimination die Anwendung bis zu einer eGFR von ≥15 ml/min/1,73 m2.10, 11 Auch bei schwerer Niereninsuffizienz Eine gepoolte Analyse der Daten von mehr als 2000 HCV-Patienten mit GT1-Infektion aus den Zulassungsstudien ergab bei Patienten mit leichter, mittelgradiger oder schwerer Nierenfunktionsstörung eine erhöhte, wenn auch klinisch nicht signifikante Wirkstoff-Exposition von OBV/PTV/r + DSV im Vergleich zu Patienten ohne Nierenfunktionsstörung – Dosisanpassungen sind deshalb nicht nötig.12 Phase-IIIb-Studie RUBY-I Die Phase-IIIb-Studie RUBY-I zeigte, dass mit OBV/PTV/r + DSV auch bei GT1-Patienten mit einer schweren chronischen Nierenerkrankung (CKD) Stadium 4 und 5 (eGFR 15-29 bzw. <15 ml/min/1,73 m2 oder Dialyse) hohe Heilungsraten erzielt werden. In der Kohorte 1 erreichten mit diesem Therapieregime 90 Prozent (n = 18/20) der therapienaiven, nicht-zirrhotischen GT1-Patienten mit einer CKD 4 oder 5 bei guter Verträglichkeit ein anhaltendes virologisches Ansprechen 12 Wochen nach Therapieende (sustained virological response, SVR12).13 In der Kohorte 2 erzielten 89 Prozent (n = 16/17) der GT1-Patienten mit einer CKD 4 oder 5 sowie mit und ohne kompensierter Zirrhose (Child-Pugh A) und mit und ohne Therapievorerfahrung eine SVR12.14 Von den in Kohorte 1 und 2 therapierten GT1b-Patienten, konnten 100 Prozent nach einer Behandlung mit OBV/PTV/r + DSV geheilt werden.13, 14 Die Praxis bestätigt die Daten Dass OBV/PTV/r ± DSV sich auch im Praxisalltag bei HCV-Patienten mit Niereninsuffizienz bewährt und zu hohen Heilungsraten unabhängig von einer eingeschränkten Nierenfunktion geführt hat, belegt eine Auswertung des „Deutschen Hepatitis CRegisters“ (DHC-R, s. Abb.). *KDIGO = Kidney Disease Improving Global Outcomes „Deutsches Hepatitis C-Register“: Sustained virological response (SVR) bei Patienten mit Genotyp 1 oder Genotyp 4 Springer Medizin Verlag GmbH × Entwicklung geht weiter Studien der Phase IIIb Das Therapieregime Ombitasvir/ Paritaprevir/Ritonavir (OBV/ PTV/r) + Dasabuvir (DSV) mit oder ohne Ribavirin (RBV) ist zugelassen zur Therapie der chronischen HCV-Infektion vom Genotyp 1 (GT1). OBV/PTV/r mit oder ohne RBV ist zugelassen zur Behandlung von GT4-HCV-Patienten.10, 11 In der Regel wird eine Therapiedauer von 12 Wochen empfohlen. Damit wird bei nahezu allen Patienten eine Heilung bei guter Verträglichkeit erreicht. Resistenzassoziierte Varianten (RAVs), die den Heilungserfolg vermindern könnten, haben keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit.16 Darüber hinaus ist OBV/PTV/r ± DSV die derzeit wirtschaftlichste interferonfreie 12-Wochen-Therapie im Bereich Hepatitis C.17 Seit einer Zulassungserweiterung im April 2016 ist bei allen GT1b-Patienten der Einsatz von OBV/PTV/r + DSV ohne RBV möglich. In dieser Patientengruppe erzielt die Kombinationstherapie Heilungsraten von 100 Prozent, auch bei Patienten mit kompensierter Leberzirrhose (Child-Pugh A).10, 11 Dies ist ein Beispiel dafür, wie auch über die Zulassung hinaus die Entwicklung weiter geht, um so vielen Patienten wie möglich eine Therapie anbieten zu können und die Anwendung zu verbessern. Therapieverkürzung auf 8 Wochen In der Phase-IIIb-Studie GARNET wurde eine Therapieverkürzung unter OBV/PTV/r + DSV untersucht. 98 Prozent (n = 160/163*) der therapienaiven GT1b-Patienten ohne Leberzirrhose erreichten nach acht Wochen Behandlung eine SVR12 – bei gleichzeitig guter Verträglichkeit.19 *mITT-GT; 3 Patienten, die nicht den GT1b aufwiesen, wurden in der Analyse ausgeschlossen HCV testen, wenn Nierenfunktion abnimmt Wir fragten Dr. Ansgar Rieke, Leitender Arzt Infektiologie und Nephrologie am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, Kemperhof in Koblenz, was hinsichtlich der Nierenfunktion bei HCV-Patienten im Praxisalltag zu beachten ist. Wie häufig ist eine Nierenfunktionsstörung bei Hepatitis-C-Patienten? Dr. Rieke: Die Niereninsuffizienz bei chronischer Hepatitis C reicht von der Proteinurie als Zeichen einer meist membranoproliferativen Glomerulonephritis bis hin zu Niereninsuffizienz mit Kreatininanstieg und Einschränkung der glomerulären Filtrationsrate. HCV-Patienten haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein 23 Prozent höheres Risiko, eine Niereninsuffizienz zu entwickeln. Und unter den Dialysepatienten in Deutschland haben 4,7 Prozent eine chronische Hepatitis C. Gibt es einen Zusammenhang zwischen einer Nierenfunktionsstörung und einer Hepatitis-CInfektion? Hepatitis C selbst prädisponiert für eine Niereninsuffizienz und ist ein unabhängiger und signifikanter Risikofaktor für das Entstehen einer Proteinurie. Das Virus haftet an der Oberflächenstruktur der Glomeruli an und löst immunologische Prozesse aus, die zu einer membranoproliferativen Glomerulonephritis führen. Ein zweiter Mechanismus ist eine Kryoglobulinämie, eine durch Ablagerungen von Immunkomplexen hervorgerufene Glomerulonephritis. Hat die Therapie der chronischen Hepatitis C Einfluss auf die Nierenfunktionsstörung? Eine antivirale Therapie der chronischen Hepatitis C führt zu einer deutlichen Verbesserung der Niereninsuffizienz, selbst das Überleben eines Nierentransplantats wird durch diese Therapie günstig beeinflusst. Allerdings werden einige der HCV-Medikamente renal eliminiert und sind deshalb nicht immer einsetzbar. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für diese Patientengruppe? Bei einer mäßigen Niereninsuffizienz mit einer eGFR über 30 ml/min/1,73 m2 gibt es mehrere interferonfreie Therapieoptionen. Ist die Niereninsuffizienz fortgeschritten, d.h. liegt die eGFR zwischen 30 und 15 ml/min/1,73 m2 kann laut Zulassung und Leitlinie zurzeit nur das Therapieregime Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir + Dasabuvir eingesetzt werden, und zwar auch ohne eine Dosisanpassung bei leichter, mittlerer und schwerer Niereninsuffizienz. Studien haben gezeigt, dass Patienten mit einer terminalen Niereninsuffizienz genauso gut von der Hepatitis C geheilt werden können wie HCV-Patienten ohne Niereninsuffizienz. Sollte bei Patienten mit abnehmender Nierenfunktion immer an eine Hepatitis-C-Infektion gedacht und ggf. auf Hepatitis C getestet werden? Bei einer progredienten Niereninsuffizienz, d.h. bei einem Patienten mit einer Proteinurie und Albuminurie, sollte immer auf immunologische und Infektionserkrankungen geprüft werden, also auch an eine Hepatitis C als Auslöser gedacht werden. Die HCV-Therapie ist bereits auf einem sehr hohen Standard. Wo sehen Sie aktuell dennoch Bedarf zur Optimierung oder Entwicklung? Optimierungsbedarf besteht einmal bei der HCV-Therapie der dialysepflichtigen HCV-Patienten. Eine Option, diese Lücke zu schließen, könnte in Zukunft Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir + Dasabuvir bieten, da die Daten der RUBY-I-Studie Aussicht auf eine mögliche Zulassungserweiterung für dialysepflichtige HCV-Patienten geben. Großer Handlungsbedarf besteht noch in der Therapie der HCV-Patienten mit Genotyp 3 und Niereninsuffizienz. Bisherige Therapieregime sind entweder für diesen HCV-Genotyp nicht zugelassen oder dürfen bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz nicht eingesetzt werden. Und wir müssen den oft noch herrschenden therapeutischen Nihilismus beenden, auch bei den Nephrologen, denn die Zeit der Interferon-Therapie ist vorbei, es gibt neue gut verträgliche Substanzen mit großen Heilungschancen. Dr. Ansgar Rieke, Leitender Arzt Infektiologie und Nephrologie, Kemperhof, Koblenz privat × Literatur Molnar MZ et al., Hepatology 2015, 61, 5: 1495-1502 Satapathy SK et al., Hepatol Int 2012, 6, 1: 369-378 Hsu YC et al., Hepatology 2014, 59: 1293-1302 Sarrazin C et al., Z Gastroenterol 2015, 53: 320-334, aktuelle Leitlinie bei Texterstellung am 30.09.2016 KDIGO Guidelines CKD. 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Oktober 2016 Nr. 111-204D Mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co.KG, Wiesbaden (DE/HC-V/2316/2466) Corporate Publishing (verantwortl. i. 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