Start frei für die eAU – so halbwegs

Am 1. Oktober beginnt die Übergangsphase für die elektronische AU-Bescheinigung. Wer sich umhört, wie weit die Technik in Praxen und Krankenkassen ist, bekommt je nach Ansprechpartner ein unterschiedliches Bild. Noch fehlt es an vielem. Die erste Massenanwendung in der Telematikinfrastruktur startet zum Quartalswechsel am 1. Oktober. Mehr als 75 Millionen AU-Bescheinigungen werden jährlich von Ärzten ausgestellt. Das Formular für die Krankenkassen soll in Zukunft über die Telematikinfrastruktur (TI) über den Kommunikationsdienst KIM versendet werden, elektronisch signiert von Arzt oder Ärztin. Der Start der eAU ist bereits von Januar auf Oktober 2021 verschoben worden. Und nachdem sich die Vorarbeiten immer weiter verzögert haben, immer noch viele Praxen weder über einen E-Arztausweis (eHBA) noch über einen KIM-Anschluss verfügen und nachdem erst Ende August erste echte Test-AU von Praxen verschickt werden konnten, ist das vierte Quartal zur Übergangsfrist erklärt worden. Zeitplan für die eAU 1. Oktober 2021: Start der elektronischen AU-Bescheinigung im Echtbetrieb, aber noch nicht als Pflichtanwendung für Vertragsärzte. Muster 1 bleibt als Formular und im Blankoformulardruck noch gültig. 1. Januar 2022: Stand jetzt, wird die eAU zur Pflichtanwendung. Die Online-Formulare werden an die Krankenkassen verschickt. Das Formular für Arbeitgeber und für den Versicherten wird weiterhin ausgedruckt. Muster 1 (und seine Blankoformulardruck-Version) verliert seine Gültigkeit. Auch das E-Rezept wird für Vertragsärzte verpflichtend. 1. Juli 2022: Auch das Formular für Arbeitgeber wird online verschickt. Sie erhalten ihren „Durchschlag“ über den Umweg der Krankenkasse. Können also jetzt zumindest die Ärzte, die über alle nötigen Komponenten verfügen – KIM-Anschluss und -Mailadresse, eHBA, Update der Praxis-EDV, Update auf den E-Health- oder ePA-Konnektor (PTV3 bzw. PTV4) –, direkt loslegen? gematik gibt sich zuversichtlich Die Betriebsgesellschaft der TI, die gematik, gibt sich überzeugt davon. Der eAU-Test sei „im vollen Gange“, heißt es. Bisher könne eine positive Bilanz gezogen werden. Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser sowie „bereits zahlreiche Krankenkassen“ nähmen an dem Test teil. Die teilnehmenden Kassen repräsentierten etwa die Hälfte aller gesetzlich Versicherten. Laut Auskunft der Kassen versendeten Praxen sogar bereits echte eAU über KIM. „Sehr zeitnah“ planten derzeit weitere Krankenkassen die Nutzung von KIM. Optimistisch zum Start der eAU äußert sich auch Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung des IT-Dienstleisters Bitmarck, der für mehr als 80 Krankenkassen tätig ist: „Wir haben unseren Part bei der eAU frühzeitig erfüllt, zum Beispiel die Anschlüsse an KIM realisiert. Jetzt sind wir im Feldtest und die Kassen, die wir betreuen, haben bereits über 250 echte eAU empfangen und konnten diese auch verarbeiten.“ Wie das dann unter Volllast aussehe, müsse man sehen, so Strausfeld weiter, aber durch die Übergangsfrist werde der Produktivbetrieb zunächst Zug um Zug hochgefahren. „Viele Sorgen mache ich mir da nicht. Genau genommen ist die eAU schließlich nicht viel mehr als die verschlüsselte Übertragung von Nachrichten.“ „Möglichkeit zum Umstieg im gesamten vierten Quartal“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat eine andere Perspektive auf den 1. Oktober als Starttag für den Echtbetrieb der eAU. Sie gab KV-Mitgliedern zuletzt den Rat, sich auf die Umstellung zur eAU gut vorzubereiten und dafür einen geeigneten Termin zu wählen. Ausdrücklich heißt es, die Möglichkeit zum Umstieg „besteht im gesamten vierten Quartal 2021“. Grund für die Zurückhaltung sei der „verspätete und bisher unzureichende Feldtest“. Unzureichend sei vor allem die Teilnehmerzahl am Feldtest, außerdem habe es „Verzögerungen bei der notwendigen Technik auf Seiten der Krankenkassen“ gegeben, wodurch der Feldtest zwei Monate später als geplant gestartet sei. Angesichts der Verzögerungen hatte die KBV-Vertreterversammlung gefordert, die Pflicht zur eAU und zum E-Rezept, die beide am 1. Januar kommen sollen, nochmals auszusetzen. Praxis-IT-Anbieter skeptisch Auf Nachfrage bei den Praxissoftware-Anbietern dominiert ebenfalls eher die Skepsis über einen reibungslosen eAU-Start. Zwar schreibt der Branchenverband bvitg, die Industrie unterstütze die Anwendung „vollumfänglich“. Die Verbandsmitglieder, die nach eigenen Angaben bei IT-Systemen in Arztpraxen einen Anteil von 80 Prozent haben, hätten „alle Vorkehrungen getroffen, damit zum Quartalswechsel die Einbindung der eAU in die Systeme gewährleistet ist“. Jedoch seien andere Komponenten, die für den Anschluss nötig sind, teilweise noch nicht gewährleistet, so könnten noch nicht alle Krankenkassen eAU empfangen. Die Dringlichkeit des Themas scheint bei Herstellern wie auch bei den Ärzten selbst angekommen zu sein. So meldet der Praxis-EDV-Anbieter medatixx vierstellige Teilnehmerzahlen bei Webinaren zur Umsetzung der eAU in der Praxis. Das eAU-Update sei zur besseren Vorbereitung des Umstiegs bereits jetzt ausgeliefert, heißt es auf Anfrage. Eine andere Herangehensweise hat der Anbieter Zollsoft (Tomedo). Er will das Update, das bereits fertig sei, „zur Entlastung der Anwender rund um den Quartalswechsel und zur weiteren Optimierung des Workflows“ erst Mitte des Quartals versenden. Nach dem Rollout werde Muster 1 für Anwender nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch das genossenschaftlich organisierte Systemhaus duria meldet auf Anfrage, „eAU-ready zu sein“. Für die Anwender bedeute dies aber zunächst „nichts“, weil die Anwendungen mit den Krankenkassen nicht genügend getestet worden seien – „von Lasttests ganz zu schweigen“. Man gebe daher noch keine Empfehlung ab umzustellen. So erhielten Praxen, die im Feldtest eine korrekt signierte eAU verschicken, von manchen Kassen Fehlermeldungen zurück. Duria erstelle jetzt eine „Blacklist“ mit Krankenkassen, bei denen es Probleme gibt, „um die Praxen vor einer Flut von Fehlermeldungen zu schützen“. KIM-Anbieter DGN Deutsches Gesundheitsnetz, der nach eigenen Angaben Anwender von zehn Systemen mit KIM ausstattet, verweist derweil auf Anfrage darauf, dass auch die Praxisausweise SMC-B übergangsweise zur Signatur von eAU genommen werden könne. Zahlenspiele: eAU-Einstieg – überall noch Lücken KIM-Adresse, PTV3- oder PTV4-Konnektor, eHBA, Praxissoftware-Update: Diese Komponenten brauchen Vertragsärzte, aber auch Krankenkassen, um elektronische AU-Bescheinigungen empfangen zu können. Tatsächlich gibt es bei vielen geforderten Voraussetzungen noch Lücken: Alle drei Konnektor-Anbieter haben ihre Hausaufgaben gemacht und stellen das erforderliche E-Health- und das ePA-Update zur Verfügung. Ob alle Ärzte die Updates eingespielt haben, ist unbekannt, aber nicht unwahrscheinlich. Es gibt natürlich auch noch die TI-Verweigerer – je nach Region zwischen fünf und 20 Prozent –, die die eAU nicht bedienen können. E-Arztausweis: Gut die Hälfte der ambulant tätigen Ärzte waren Stand 7. September mit elektronischem Heilberufsausweis ausgestattet, hat die Bundesärztekammer berichtet. Er wird dazu benötigt, die eAU elektronisch zu signieren. KIM-Adressen Ärzte: Nach Informationen aus der KV Nordrhein hatten am 10. September rund 20.500 KV-Praxen bundesweit eine KIM-Adresse, außerdem gut 8000 Zahnärzte. Das entspreche 23 Prozent der Praxen, die AU-Bescheinigungen ausstellen. KIM-Adressen Krankenkassen: Die KVNo hat zum 10. September sechs von mehr als 100 Krankenkassen gezählt, die über eine KIM-Adresse verfügen und damit eAU empfangen können. Praxis-EDV-Update: Zwei Drittel der Hersteller sind laut KBV in der Lage, Updates für die eAU bereitzustellen. Manche verzögern die Auslieferung, um Praxen vor Frust zu bewahren, weil am Anfang nur wenige Empfänger verfügbar sein werden. Quelle: Ärzte Zeitung

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