Besser kein Adrenalin bei der Reanimation von Kindern?

Werden Kinder mit Bradykardie und schlechter Perfusion einer kardiopulmonalen Reanimation unterzogen, ist Adrenalin mitunter ungünstig. In einer US-Studie war die Prognose unter einer Adrenalintherapie schlechter als ohne. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ist bei Kindern mit Bradykardie und schlechter Perfusion eine kardiopulmonale Reanimation nötig, so raten die meisten Leitlinien zu einer Adrenalinbehandlung, vor allem, wenn die Kinder zwei Minuten nach Beginn der Reanimation noch immer hämodynamisch instabil sind. Dies soll den Übergang in einen pulslosen Herzstillstand verhindern. Allerdings ist der Nutzen einer Adrenalingabe in dieser Situation bislang wenig untersucht. Nach der Analyse von Registerdaten kommen Notfallmediziner um Dr. Mathias Holmberg vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston zu dem Schluss, dass Adrenalin sogar mehr schaden als nützen könnte. So überlebten Kinder, welche Adrenalin bekamen, seltener als solche ohne, auch kam es damit seltener zur spontanen Wiederaufnahme der Zirkulation, dafür häufiger zum Pulsverlust. Einen Indikationsbias können die Ärzte jedoch nicht ganz ausschließen. Für ihre retrospektive Analyse verglich das Team um Holmberg das Schicksal von knapp 6800 Kindern, die zwischen den Jahren 2000 und 2018 in den USA reanimiert worden waren. Die Daten stammen aus dem Register „Get With The Guidelines-Resuscitation“ (GWTG-R) der American Heart Association. Das Register sammelt Angaben zu stationären Herzstillständen in den gesamten USA. Holmberg und Mitarbeiter konzentrierten sich auf Ereignisse bei Patienten unter 18 Jahren, die allermeisten waren unter zwölf Jahren, drei Viertel sogar jünger als ein Jahr. Alle mussten vor der Reanimation noch einen Puls gehabt haben, auch sollten sie mindestens zwei Minuten reanimiert worden sein. In der Gruppe mit Adrenalintherapie sollte diese innerhalb von zehn Minuten nach Beginn des Ereignisses erfolgt sein. Insgesamt hatten zwei Drittel der Kinder Adrenalin bekommen, die übrigen nicht. Um einen Indikationsbias möglichst zu vermeiden, nahmen die Ärzte die Zeit bis zur Adrenalingabe in ihre Berechnung auf. So wurden etwa Kinder, die in Minute zwei noch kein Adrenalin bekommen hatten mit solchen verglichen, die in Minuten zwei Adrenalin erhielten. Ein Kind konnte also zuerst in der Gruppe ohne, dann in der mit Adrenalin sein. Weiter berücksichtigten die Ärzte Faktoren wie Alter, Geschlecht, Jahr des Ereignisses und dessen Ursachen. Schließlich stellten sie rund 3500 weitgehend vergleichbare Kinder mit und ohne Adrenalin für die erste bis zehnte Minute der Reanimation gegenüber (propensity score matching). 21% mehr Todesfälle unter Adrenalin Insgesamt konnte rund die Hälfte aller Kinder lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden. Wie die Berechnungen über die unterschiedlichen Zeitpunkte ergaben, geht eine Adrenalinbehandlung mit einer deutlich geringeren Überlebenschance einher: 38% für Kinder mit Adrenalin und 48% für Kinder unter ähnlichen Umständen, aber ohne Adrenalin. Den relativen Unterschied beziffern die Ärzte auf 21%. Der Kreislauf kommt nach diesen Daten bei 78% der Kinder mit, aber bei 83% ohne Adrenalin wieder in Gang, ein günstiges neurologische Ergebnis erzielen jeweils 22% und 29%, einen pulslosen Herzstillstand entwickeln 30% und 26%. Die Adrenalintherapie scheint bei allen untersuchten Parametern von Nachteil zu sein, und dieser Nachteil wurde vor allem bei Säuglingen deutlich, weniger bei älteren Kindern. Die Forscher um Holmberg sind von dem Ergebnis überrascht, hatten doch placebokontrollierte Studien bei Erwachsen positive Effekte der Adrenalintherapie ergeben. Entweder würden bei Kindern die negativen Effekte von Adrenalin überwiegen, oder es gebe doch einen Indikationsbias durch Faktoren, die nicht berücksichtigt werden konnten. In einem Editorial geben Experten um Dr. Barnaby Scholefield von der Universität Birmingham zu bedenken, dass die Herzleistung von Säuglingen vor allem durch den Puls und weniger durch das Herzschlagvolumen bestimmt wird, was den Nutzen von Adrenalin limitiere. Zudem könne Adrenalin den Sauerstoffbedarf erhöhen und die Schäden durch die Minderperfusion daher noch verstärken. Letztlich müssten aber weitere Arbeiten zeigen, ob Adrenalin eher von Vor- oder Nachteil sei. Das Wichtigste in Kürze Frage: Unterstützt Adrenalin die kardiopulmonale Wiederbelebung von stationär behandelten Kindern mit Herzstillstand und noch vorhandenem Puls? Antwort: Eine Registeranalyse deutet auf eine erhöhte Mortalität unter Adrenalin. Bedeutung: Möglicherweise schadet Adrenalin mehr, als es nützt. Einschränkung: Nur retrospektive Registeranalyse, Indikationsbias möglich.

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