Skip to main content
Erschienen in: Die Ophthalmologie 12/2022

Open Access 03.03.2022 | Katarakt | Kasuistiken

Fuchs-Endotheldystrophie, Katarakt und Astigmatismus

Ein Vergleich der Korrektur des Astigmatismus mittels DMEK plus simultaner vs. sequenzieller Kataraktoperation mit torischer IOL-Implantation

verfasst von: Loïc Hamon, Tim Berger, Berthold Seitz, Loay Daas

Erschienen in: Die Ophthalmologie | Ausgabe 12/2022

download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
Hinweise
QR-Code scannen & Beitrag online lesen

Anamnese

Eine 59-jährige Patientin stellte sich bei Fuchs-Endotheldystrophie (FECD) in unserer ambulanten Sprechstunde zur Mitbeurteilung vor. Anamnestisch gab die Patientin eine seit Monaten zunehmende Lichtempfindlichkeit, hauptsächlich vormittags, sowie eine progressive Visusminderung an beiden Augen an. Neben einer Anisohyperopie links (sphärisches Äquivalent: +2,75 D) mehr als rechts (sphärisches Äquivalent: 0 D) lag ein stabiler hoher regulärer Astigmatismus beidseits vor. Aufgrund dieser Refraktionsamblyopie betrug anamnestisch der bestkorrigierte Visus am linken Auge maximal 0,5 (dezimal).

Befunde

Bei Erstvorstellung betrug der bestkorrigierte Brillenvisus (RA: +2,25/−4,50/A 170°; LA: +6,25/−6,75/A 5°) am rechten Auge (RA) 0,4 und 0,25 am linken Auge (LA). Es zeigte sich spaltlampenbiomikroskopisch rechts eine fortgeschrittene Hornhaut-Endothel-Epithel-Dekompensation (HEED) mit endothelialen Guttae sowie einer feinblasigen fokalen bullösen Keratopathie von 5 bis 10 Uhr (Abb. 1a). Links zeigte sich eine beginnende HEED mit endothelialen Guttae ohne bullöse Keratopathie (Abb. 1b). Der restliche Vorderabschnitt war – bis auf eine Cataracta corticonuclearis incipiens – unauffällig.
In der Scheimpflug-Tomographie der Hornhaut (Pentacam HR – Oculus GmbH, Wetzlar, Deutschland) ergab sich rechts eine zentrale Pachymetrie (CCT) von 785 µm mit einer parazentralen Verdickung von 1000 µm im Bereich der Bullae (Abb. 2a). Links betrug die CCT 657 µm. Topographisch zeigte sich ein beidseitiger regulärer Astigmatismus nach der Regel in Höhe von 4,0 D (flache Achse bei 175°) rechts und 5,8 D (flache Achse bei 180°) links (Abb. 2b). Die Abb. 3a, b stellt die Hornhautrückfläche dar.

Therapie und Verlauf

Wir führten am rechten Auge eine „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ (DMEK) mit einem Transplantatdurchmesser von 7,5 mm ohne Linsenoperation (sog. „phake DMEK“) durch. Die 8,0-mm-Descemetorhexis erfolgte unter kontinuierlicher Lufteingabe mittels eines „anterior chamber maintainer“ (ACM). Nach Luftentfernung wurde die Endothellamelle in die Vorderkammer injiziert und mithilfe einer 20 %igen SF6-Gasblase zum Anliegen gebracht [6]. Der bestkorrigierte Visus (+4,00/−5,25/A 160°) betrug 6 Wochen postoperativ 0,6. Die CCT sank auf 534 µm mit Resorption der fokalen HEED. Der korneale Astigmatismus änderte sich auf 5,1 D bei 164° (Abb. 4 und 5).
Wir führten sequenziell, 10 Wochen nach der DMEK, eine Phakoemulsifikation mit Implantation einer torischen Intraokularlinse (IOL) (RayOne Toric 610T + 19,00 D, Zyl. 6,00 D @ 71° – Rayner Intraocular Lenses Limited, Worthing, UK) durch. Die Zielrefraktion betrug 0 bis −0,5 D mit Vollkorrektur des Astigmatismus („target induced astigmatism“ [TIA] = 6,00 @ 71°), ein schnittinduzierter Astigmatismus von 0,25 D @ 90° wurde mitkorrigiert. Postoperativ wurde ein Visus von 0,8 (−0,75/−2,50/A 105°) nach 6 Wochen erreicht. Der „surgically induced astigmatism“ (SIA) betrug 6,33 @ 88°. Der Differenzvektor (DV, entspricht SIA – TIA) betrug 3,62 @ 122° (Abb. 6).
Wir führten 5 Wochen später eine kombinierte DMEK mit Phakoemulsifikation und Implantation einer torischen IOL (RayOne Toric 610T + 20,00 D, Zyl. 7,00 D @ 94°) (sog. torische Triple-DMEK) am LA durch. Die Zielrefraktion betrug 0 bis −0,5 D. Ein prädiktiver Fehler („prediction error“ [PE]) von −1,0 D wurde bei Antizipation des sog. hyperopen Shifts mitberechnet, sodass eine IOL mit zuzüglicher Korrektur von −1,0 D sowie mit Vollkorrektur des Astigmatismus (TIA = 7,00 @ 94 °) ausgewählt wurde. Ein schnittinduzierter Astigmatismus von 0,25 D @ 90° wurde darüber hinaus berechnet und mitkorrigiert. Die subjektive Refraktion war +0,75/−1,00/76° mit einem bestkorrigierten Visus von 0,5 (maximal erreichbarer Visus aufgrund der Amblyopia ex anisohyperopia et astigmatismo). Die CCT nahm auf 534 µm ab (Abb. 4 und 5). Der SIA betrug 8,12 @ 93°. Der DV betrug 1,15 @ 87° (Abb. 6).

Diskussion

Die DMEK hat sich aufgrund ihrer überzeugenden klinischen Ergebnisse und niedrigen Komplikationsraten als erste Wahl zur Behandlung von endothelialen Pathologien wie der FECD oder der pseudophaken bullösen Keratopathie etabliert [6].
Torische IOLs wurden entwickelt, um einen postoperativen Hornhautastigmatismus nach Kataraktoperationen zu reduzieren und auszugleichen. Aufgrund der exzellenten visuellen Ergebnisse und der refraktiven Stabilität nach DMEK werden Berechnungen der (torischen) IOL-Stärke bei Patienten nach „phaker DMEK“ oder im Rahmen einer sog. Triple-DMEK in der klinischen Praxis mit großem Interesse verfolgt [2]. Voraussetzung für eine simultane torische IOL-Implantation ist eine möglichst genaue Vorhersagbarkeit der postoperativen keratorefraktiven Änderungen nach DMEK.
Bereits 2015 hat die Arbeitsgruppe um Wacker et al. die direktionalen Profiländerungen der Hornhautrückfläche bei FECD untersucht. Sie konnten zeigen, dass die hintere Torizität der Hornhaut sich bei fortgeschrittener FECD abnormal ändert, da die horizontale Hornhautverdickung relativ größer ist als die vertikale [7]. Diese Verdickung führt nicht selten zu einer leichten postoperativen Hyperopisierung von etwa 0,4 D (sog. hyperoper Shift) [3]. Aus diesem Grund sollte bei der Triple-DMEK mit Emmetropiewunsch einen PE von −0,5 bis −1,0 D mitgerechnet werden, damit postoperativ eine Zielrefraktion zwischen 0 und −0,5 D erreicht wird [3].
Die ungleiche Verdickung verursacht einen leichten Astigmatismus nach der Regel an der kornealen Rückfläche [2]. Nach einer (Triple‑)DMEK ändert sich die korneale Rückfläche wieder zu einem Astigmatismus gegen die Regel wie vor dem Auftreten der FECD. Diese Änderungen des Astigmatismus sind für die Mehrheit der Patienten klinisch irrelevant (ca. 0,25 D) [2]. In diesem Sinne sollte der Astigmatismus in der steilen Achse vollkorrigiert werden. Ein Schnitt-induzierter Astigmatismus von 0,25–0,3 D (90° perpendikulär vom Hauptschnitt) sollte auch bei der Berechnung der torischen IOL mitkorrigiert werden [5].
Bei unserer Patientin führten wir am rechten Auge zunächst eine DMEK aufgrund der Keratopathia bullosa mit anschließender Kataraktoperation durch. Dieser sequenzielle Eingriff ermöglichte eine genauere IOL-Berechnung durch Regularisierung und Kompensierung der Hornhaut post DMEK. Nach der phaken DMEK war eine deutliche Hyperopisierung von +2,2 D zu sehen. Diese kann durch das präoperativ ausgeprägte Ödem mit fokaler Prominenz an der Hornhautrückfläche (Abb. 3) und die postoperative (para)zentrale Verdünnung der Hornhaut – ähnlich wie nach einer phototherapeutischen Keratektomie an der Vorderfläche [4] – erklärt werden. Eine mögliche Erklärung für die postoperative Zunahme des Astigmatismus rechts könnte eine Unterschätzung des primären Astigmatismus aufgrund der Irregularität der Keratometrie (durch die Bullae) und eine darauffolgende genauere Messung des regulären Astigmatismus nach DMEK und Linsenoperation sein. Am linken Auge führten wir die Operation als „torische Triple-DMEK“ mit Antizipation des hyperopen Shifts und Mitberechnung eines PE von −1,0 D sowie einer Vollkorrektur des Astigmatismus durch. In beiden Fällen führten die Operationen zu einer deutlichen Emmetropisierung, jedoch links (DV = 1,15 @ 87°) besser als rechts (DV = 3,62 @ 122°) (Abb. 6).
Die torische Triple-DMEK stellt für Augen mit „einfach vorhersehbaren“ refraktiven Ergebnissen, wie z. B. bei FECD, einen sicheren Eingriff dar [8]. Im Gegensatz dazu sollte bei erschwerter Linsenberechnung, wie z. B. in zuvor vitrektomierten Augen [1], in sehr kurzen Augen oder bei bullöser Keratopathie, eine sequenzielle Operationsmethode gewählt werden.

Fazit für die Praxis

  • Ideale Kandidaten für eine torische Triple-DMEK haben eine leichte bis mäßige HEED mit Cataracta und regulärem Astigmatismus.
  • Eine fortgeschrittene FECD oder eine bullöse Keratopathie stellen aufgrund möglicher postoperativer Refraktionsabweichungen keine sichere Indikation dar.
  • Bei (torischer) Triple-DMEK sollte ein prädiktiver Fehler in Richtung leichter Myopie (−0,50 bis −1,00 D) aufgrund des Risikos einer Hyperopisierung bei der IOL-Auswahl mitberechnet werden, bei torischer IOL-Implantation sollte zusätzlich eine Vollkorrektur des Astigmatismus angestrebt werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L. Hamon, T. Berger, B. Seitz und L. Daas geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Unsere Produktempfehlungen

Die Ophthalmologie

Print-Titel

  • Umfassende Themenschwerpunkte mit klaren Handlungsempfehlungen
  • Praxisrelevante CME-Fortbildung in jedem Heft
  • Organ der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

Literatur
2.
Zurück zum Zitat Alnawaiseh M, Zumhagen L, Rosentreter A, Eter N (2017) Changes in anterior, posterior and total corneal astigmatism after descemet membrane endothelial keratoplasty. J Ophthalmol 2017:4068963CrossRef Alnawaiseh M, Zumhagen L, Rosentreter A, Eter N (2017) Changes in anterior, posterior and total corneal astigmatism after descemet membrane endothelial keratoplasty. J Ophthalmol 2017:4068963CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Geerling G, Sekundo W (2006) Phototherapeutische Keratektomie (PTK). Unerwünschte Wirkungen, Komplikationen und Vermeidungsstrategien. Ophthalmologe 103:576–582CrossRef Geerling G, Sekundo W (2006) Phototherapeutische Keratektomie (PTK). Unerwünschte Wirkungen, Komplikationen und Vermeidungsstrategien. Ophthalmologe 103:576–582CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Langenbucher A, Viestenz A, Szentmáry N, Seitz B, Viestenz A (2008) Pseudophake und phake torische Linsen zur Korrektur des kornealen Astigmatismus – Theorie und klinische Aspekte. Klin Monbl Augenheilkd 225:541–547CrossRef Langenbucher A, Viestenz A, Szentmáry N, Seitz B, Viestenz A (2008) Pseudophake und phake torische Linsen zur Korrektur des kornealen Astigmatismus – Theorie und klinische Aspekte. Klin Monbl Augenheilkd 225:541–547CrossRef
6.
Zurück zum Zitat Seitz B, Daas L, Flockerzi E, Suffo S (2020) „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ DMEK – Spender und Empfänger Schritt für Schritt. Ophthalmologe 117:811–828CrossRef Seitz B, Daas L, Flockerzi E, Suffo S (2020) „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ DMEK – Spender und Empfänger Schritt für Schritt. Ophthalmologe 117:811–828CrossRef
8.
Zurück zum Zitat Yokogawa H, Sanchez PJ, Mayko ZM, Straiko MD, Terry M (2017) Astigmatism correction with toric intraocular lenses in descemet membrane endothelial keratoplasty triple procedure. Cornea 36:269–274CrossRef Yokogawa H, Sanchez PJ, Mayko ZM, Straiko MD, Terry M (2017) Astigmatism correction with toric intraocular lenses in descemet membrane endothelial keratoplasty triple procedure. Cornea 36:269–274CrossRef
Metadaten
Titel
Fuchs-Endotheldystrophie, Katarakt und Astigmatismus
Ein Vergleich der Korrektur des Astigmatismus mittels DMEK plus simultaner vs. sequenzieller Kataraktoperation mit torischer IOL-Implantation
verfasst von
Loïc Hamon
Tim Berger
Berthold Seitz
Loay Daas
Publikationsdatum
03.03.2022
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Katarakt
Erschienen in
Die Ophthalmologie / Ausgabe 12/2022
Print ISSN: 2731-720X
Elektronische ISSN: 2731-7218
DOI
https://doi.org/10.1007/s00347-022-01591-w

Weitere Artikel der Ausgabe 12/2022

Die Ophthalmologie 12/2022 Zur Ausgabe

Neu im Fachgebiet Augenheilkunde

Update Augenheilkunde

Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.