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23.04.2019 | Morbus Alzheimer | Nachrichten

Pilotstudie mit Aducanumab

Fokussierter Ultraschall verstärkt Anti-Amyloid-Therapie

verfasst von: Thomas Müller

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Eine Ultraschallbehandlung des Gehirns öffnet die Blut-Hirn-Schranke temporär und verbessert darüber die Wirksamkeit von Amyloidantikörpern. Darauf deutet eine experimentelle Studie mit drei Alzheimerkranken.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Der Unterschied in der Amyloid-PET-Bildgebung ist offensichtlich: In der einen Hemisphäre des Alzheimerpatienten dominieren blaue und grüne Farben über einen größeren Bereich, in der anderen eine orange bis dunkelrote Färbung. Diese lässt trotz einer Behandlung mit Aducanumab eine erhebliche Amyloidlast erkennen. Der Grund, weshalb ein Areal fast frei von Amyloidablagerungen ist und nun in grün und blau dargestellt wird: Diese Region haben Neuroradiologen um Dr. Ali Rezai vom Rockefeller Neuroscience Institute in Morgantown, USA, mit fokussiertem Ultraschall behandelt. Die Begleittherapie sollte die Blut-Hirn-Schranke (BHS) kurz öffnen und dem Amyloidantikörper einen besseren Zugang zum Gehirn gewähren. Offenbar mit Erfolg.

Gasbläschen öffnen Tight-Junctions

Ein Grund, weshalb Antikörper gegen Amyloid nicht die erhoffte Wirksamkeit gegen Morbus Alzheimer zeigen, dürfte in ihrer mangelnden Hirngängigkeit liegen: Sie sind schlicht zu groß, um in nennenswerten Mengen über die BHS ins Gehirn zu gelangen. Es liegt daher nahe, dass eine kurzfristige Öffnung der BHS während einer Antikörpertherapie die Amyloid-Clearance verbessert. Eine solche temporäre Öffnung ist etwa mit fokussiertem Ultraschall (FUS) möglich. Ultraschall-Oszillationen komprimieren und expandieren Gasbläschen im Blut stärker als das umgebende Gewebe, was wiederum mechanischen Stress an den Wänden der Blutgefäße induziert und zur Dehnung sowie zur Öffnung von Tight-Junctions zwischen den Endothelzellen führt. Auch der aktive Vakuolentransport durch solche Zellen wird beschleunigt. Letztlich können auf diese Weise größere Moleküle ins Gehirn diffundieren – bis sich die BHS innerhalb von etwa sechs Stunden wieder schließt. Die Kunst liegt allerdings darin, die Intensität des FUS so einzustellen, dass sich die BHS öffnet, aber keine Gewebeschäden auftreten.

Zu diesem Zweck hat ein Team um Rezai das Verfahren unter MRT-Kontrolle erprobt – so lässt sich per Kontrastmittel ermitteln, ob die BHS offen oder geschlossen ist, zudem spürt die T2-Bildgebung Schäden über Extravasationen oder Blutungen auf.

Die FUS-Behandlung ist allerdings recht aufwendig: Die Testpersonen erhalten einen wassergefüllten Helm mit 1024 Schallquellen. Das Wasser erleichtert die Ausbreitung der Schallwellen, die auf einen kleinen Bereich fokussieren. Dort wird die Intensität jeweils so lange hochgefahren, bis im MRT spezifische Signale für eine Öffnung der BHS erkennbar sind. Dann erfolgt eine Beschallung über rund zwei Minuten, gefolgt vom Wechsel auf die Nachbarregion. Auf diese Weise können Ärztinnen und Ärzte sukzessive eine bestimmte Hirnregion behandeln.

Zur Erzeugung der Mikrobläschen eigenen sich typische Ultraschallkontrastmittel, wie sie zur Darstellung von Blutfluss und Gefäßen verwendet werden. In ihren Versuchen setzten die Forschenden um Rezai auf eine Suspension von Phospholipid-umhülltem Perfluorpropan. Die Lipidhülle stabilisiert die bis zu 10 Mikrometer großen Bläschen.

An der Pilotstudie nahmen drei Personen im Alter von 59 bis 77 Jahren teil. Bei ihnen war entweder eine leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI) oder eine leichte Alzheimerdemenz diagnostiziert worden, alle zeigten im Amyloid-PET erhebliche Beta-Amyloid-Ablagerungen. Bei allen wurde eine Behandlung mit Aducanumab begonnen, wobei auf jede der monatlichen Infusionen zwei Stunden später eine FUS-Behandlung in einem bestimmten, bis zu 40 ml großen Areal (Frontallappen, Temporallappen oder Hippocampus) in einer der beiden Hemisphären erfolgte – die andere Hemisphäre diente als Kontrolle. Die Maximaldosis des Antikörpers beschränkten die Neurologen aus Sicherheitsgründen auf 6 mg/kg. Nach dem Ende der FUS-Begleittherapie wurde die Aducanumab-Therapie mit den empfohlenen 10 mg/kg fortgesetzt.

Amyloidlast halbiert

Nach sechs Monaten hatte sich die Amyloidlast in den beschallten Arealen von Werten bis zu 250 auf teilweise unter 100 Zentiloide reduziert, wohingegen die Werte in den kontralateralen Arealen weitgehend konstant geblieben waren. Offenbar genügte eine deutlich reduzierte Dosis des Antikörpers in Kombination mit der Beschallung, um die Amyloidlast in etwa zu halbieren.

Häufigste Nebenwirkung der Beschallung waren Kopfschmerzen, schwere unerwünschte Wirkungen traten nicht auf, auch keine Amyloid-bezogenen Ödeme und Hirnblutungen (ARIA). Veränderungen der Kognition wurden im Laufe der FUS-Behandlung nicht registriert, bei einem der drei Teilnehmenden verschlechterte sich die Kognition allerdings in der Nachbeobachtungszeit von bis zu einem halben Jahr.

Unterm Strich scheint eine Zusatztherapie per FUS die Amyloid-Clearance unter einer Behandlung mit Amyloid-Antikörpern erheblich zu verbessern.

Ob das Verfahren jedoch Zukunft hat, steht auf einem anderen Blatt: Zunächst müsste es so vereinfacht werden, dass sich auch ohne MRT-Kontrolle wesentlich größere Hirnareale sicher beschallen lassen, so Dr. Kullervo Hynynen von der Universität in Toronto in einem Editorial zu der Studie. Zudem können Ärzte mit höheren Antikörperdosierungen oder anderen Amyloid-Antikörpern offenbar ähnliche Resultate ohne FUS erzielen. So gelang in der Phase-3-Studie TRAILBLAZER-ALZ-2 mit Donanemab nach einem Jahr bei knapp der Hälfte eine fast vollständige Amyloid-Clearance (Werte unter 11 Zentiloiden), nach eineinhalb Jahren bei fast 70% (siehe Bericht).

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Kann fokussierter Ultraschall (FUS) die Amyloid-Clearance im Gehirn während einer Behandlung mit Aducanumab verbessern?

Antwort: In einer Pilotstudie wurde die Amyloidlast unter FUS in etwa halbiert, blieb in den nicht beschallten Arealen aber weitgehend konstant.

Bedeutung: Die Öffnung der Blut-Hirn-Schranke durch FUS scheint die Wirksamkeit von Amyloidantikörpern zu verbessern.

Einschränkung: Nur drei Personen behandelt, nur kleines Hirnareal beschallt.

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Literatur

Rezai AR et al. Ultrasound Blood–Brain Barrier Opening and Aducanumab in Alzheimer’s Disease. N Engl J Med 2024; 390:55-62; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2308719

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