Schwere Nierenverletzungen: weniger Operationen, mehr Kontrollen

Selbst höhergradige Nierenverletzungen werden heute meistens nichtoperativ versorgt. Routinemäßige bildgebende Kontrollen gewinnen damit an Bedeutung. Das zeigen die Erfahrungen eines großen Traumazentrums. Um die heute übliche Akutversorgung von Patienten mit Nierentrauma zu beschreiben, haben britische Ärzte entsprechende Daten aus dem prospektiven Traumaregister des Imperial College London extrahiert. Die 90 zumeist männlichen Patienten im Alter von einem bis über 90 Jahren hatten in drei Viertel der Fälle ein stumpfes Trauma erlitten. Alle Verletzten wurden zunächst einer Multiphasen-CT unterzogen. Dabei wurden Nierenverletzungen aller Schweregrade festgestellt (Grad 1 nach AAST: 20%, Grad 2: 21%, Grad 3: 30%, Grad 4: 24%, Grad 5: 4%). 84% konservativ behandelt Die meisten Patienten wurden konservativ behandelt. Nur 14 (16%) wurden innerhalb der ersten 24 Stunden einem Eingriff unterzogen. Bei neun Patienten war dies eine Angiografie verbunden mit einer Embolisation. Die Blutung konnte damit in allen Fällen erfolgreich gestillt werden – auch bei zwei Patienten mit Grad-5-Trauma. Nicht erfolgreich war dagegen der Versuch einer Stentimplantation bei einem Patienten mit devaskularisierter Niere. Ein weiterer Patient konnte per Ureterstenteinlage behandelt werden. Bei den übrigen vier Patienten wurde wegen hämodynamischer Instabilität auf eine CT verzichtet und sofort eine offene Nierenexploration vorgenommen. Bei zweien konnten per Renorrhaphie die Nieren gerettet werden, die beiden anderen benötigten eine Nephrektomie. Bei 19 Patienten wurde außerdem wegen der Begleittraumen eine Laparotomie vorgenommen, allerdings ohne Exploration der Nieren. Drei dieser Patienten wurden interventionell behandelt. Relevante Zusatzbefunde bei Routinekontrollen Bei zwei Drittel der Patienten wurde nach durchschnittlich drei Tagen erneut eine CT des Abdomens gefahren. Dabei handelte es sich mehrheitlich um eine routinemäßige Kontrolle, nur bei zehn Patienten bestand eine klinische Indikation wie Fieber, Schmerzen oder Blutungsverdacht. In der letztgenannten Gruppe gab es einen weiteren Nierenbefund, ohne Folgen für die Therapie. In der Gruppe mit Routinekontrollen zeigten sich dagegen bei sechs Patienten relevante Zusatzbefunde (Urinparavasate, Ureterobstruktion, Pseudoaneurysmen), die therapeutische Konsequenzen hatten. In den ersten Tagen starben zwölf Patienten (13%). Bei zehn Patienten war der Tod unabhängig vom Nierentrauma, bei zwei Patienten mit Grad-5-Trauma und Nephrektomie wurde ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Empfehlungen für die Versorgung Die Studienautoren um Mohammed Aldiwani vom Imperial College London heben einige zentrale Erkenntnisse ihrer Analyse hervor: Eine konservative Versorgung, ohne jede Intervention, ist sicher und machbar für stabile Patienten mit Grad-1- bis -4-Nierentrauma. Patienten mit aktiver Blutung können durch Angiografie und Embolisation erfolgreich behandelt werden, selbst bei leichter hämodynamischer Instabilität. Auch bei Verletzungen des ableitenden Systems ist nicht immer ein Ureterstent notwendig (18 von 21 betroffenen Registerpatienten mit Grad-4-Trauma waren ausschließlich konservativ behandelt worden). Bei einer Laparotomie wegen begleitender Verletzungen sollte – entgegen den Empfehlungen der European Association for Urology (EAU) – die Extraploration der Nieren vermieden werden. Laut Aldiwani et al. erhöht sie die Gefahr für Blutungen, längere Op.-Dauer und Nephrektomie. Die retroperitoneale Exploration sollte Patienten mit sich ausdehnenden oder pulsierenden Blutungen oder anhaltender hämodynamischer Instabilität vorbehalten sein. Eine erneute Bildgebung zur Überwachung früher Komplikationen wird aufgrund der wachsenden Zahl von Patienten, die nichtoperativ versorgt werden, immer wichtiger. Das Team um Aldiwani rät, alle Patienten mit einem Nierentrauma ab Grad 3 routinemäßig zwischen Tag 3 und 5 ein zweites Mal per CT zu untersuchen. Die EAU-Empfehlung, lediglich beim Auftreten von Symptomen ein weiteres CT anzufertigen, berge die Gefahr, Zusatzbefunde mit therapeutischen Konsequenzen zu übersehen.

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