Aktivierende Rückenorthese lindert Schmerzen

Eine „aktivierende“ Rückenorthese, die über ein Biofeedbacksystem die Wirbelsäule aufrichtet und die Rückenmuskeln trainiert, bewirkt bei Seniorinnen mit osteoporotisch bedingter Wirbelkörperfraktur eine signifikante Besserung von Rückenschmerzen bei deutlich vermindertem Kyphosewinkel. Nach Erfolgen bei akuten Wirbelkörpereinbrüchen haben Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg nun auch die Wirksamkeit bei älteren Frakturen getestet. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zu den unangenehmen Folgen von Wirbelkörpereinbrüchen bei Osteoporose zählen die übermäßige Kyphosierung der Wirbelsäule, Abnahme der Muskelkraft im Rücken und Verschlechterung der Lungenkapazität. Um solchen Veränderungen und der damit einhergehenden Behinderung vorzubeugen bzw. diese abzumildern, empfiehlt der Dachverband Osteologie e.V. (DVO) unter anderem semirigide Orthesen, die die Wirbelsäule aufrichten sollen. Biofeedbacksystem erinnert ans Aufrichten Ein Team der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Furtwangen hat nun ein solches Verfahren, das über einen Biofeedbackmechanismus funktioniert (Spinomed® active), in einer randomisierten Studie getestet. Das Wirkprinzip: In einen Body eingearbeitete zugelastische Materialien üben gemeinsam mit der Rückenschiene Zugkräfte auf den Becken- und Schulterbereich aus. Verfallen die Patientinnen in eine Fehlhaltung, werden sie von dem System durch sanften Druck daran „erinnert“ sich wieder aufzurichten. Daten zur Wirksamkeit bei akuten Wirbelkörperfrakturen liegen bereits vor. Die aktuelle Studie diente dazu, die aktiv aufrichtende Orthese, die herausnehmbar im Rückenteil eines individuell angepassten Bodys integriert ist, auch bei länger bestehenden Frakturen zu testen. Patientinnen mit älteren Wirbelkörperfrakturen An der Studie nahmen 80 Patientinnen über 65 Jahren teil, die sich vor mindestens drei Monaten eine osteoporotisch bedingte Wirbelkörperfraktur zugezogen hatten und seitdem an chronischen Rückenschmerzen litten. Pflegeheimbewohnerinnen waren ausgeschlossen. 40 zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen erhielten den Body mit integrierter Orthese, die sie zweimal täglich jeweils zwei bis drei Stunden lang tragen sollten. Nach 16 Wochen wurden die Ergebnisse mit der Kontrollgruppe verglichen. Im primären Endpunkt, Rückenschmerzen in den letzten vier Wochen, hatte sich die Gruppe mit Spinalorthese (SOG) am Ende der Nachbeobachtung signifikant stärker gebessert. Bei einem Ausgangswert von median 4,0 bzw. 3,4 (von maximal 10 Punkten) auf der numerischen Rating-Skala (NRS) hatten die Schmerzen in der SOG-Gruppe im Mittel um 1,49, in der Kontrollgruppe dagegen um 0,52 abgenommen. Das Tragen der Orthese hatte außerdem dazu geführt, dass signifikant weniger Schmerzmedikamente eingenommen wurden als zuvor. Dagegen war der Schmerzmittelkonsum in der Kontrollgruppe sogar leicht gestiegen. Signifikante Verbesserung im Kyphosewinkel Signifikante Verbesserungen durch die Orthese ergaben sich ferner im mittels Kyphometer gemessenen Kyphosewinkel (Verbesserung um 4,6° bei einem Ausgangswinkel von median 47°) sowie im Roland and Morris Disability Questionnaire, welcher körperliche Einschränkungen misst. Die Autoren sprechen in beiden Fällen von einer „großen Effektstärke“. Dagegen habe die Kontrollgruppe bei den entsprechenden Kriterien keine nennenswerten Änderungen gezeigt. Die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren nach vier Monaten jeweils signifikant. Signifikant verstärkt hatte sich bei den Ortheseträgerinnen außerdem die Muskelkraft im Rücken (Extensoren) im Vergleich zum Ausgangswert. Die Lungenfunktion der SOG-Teilnehmerinnen hatte sich durch die Anwendung des Systems allerdings nicht, wie erhofft, gebessert. Auch beim Aufstehtest oder im Late Life Function and Disability Index (LLFDI) hatten sich keine signifikanten Verbesserungen gegenüber der Kontrollgruppe ergeben. Geringe Nebenwirkungsrate Positiv zu werten sind nach Matthias Hettchen von der Universität Erlangen-Nürnberg und seinem Team die gute Compliance (> 80%) und die geringe Nebenwirkungsrate. Von den 40 Patientinnen in der SOG hätten zu Beginn fünf über „Muskelkater“ geklagt, dieser sei jedoch nach der zweiwöchigen Eingewöhnungsphase verschwunden. Hautreizungen seien in zwei Fällen aufgetreten, bei beiden hätten sich die Beschwerden aber nach fachkundiger Einstellung des Systems gegeben. Das An- und Ablegen der Orthese bzw. des Bodys habe außerdem drei Teilnehmerinnen mit Schulterproblemen zu schaffen gemacht. Training für die Rückenmuskeln Laut Hettchen und Kollegen sprechen die Befunde insgesamt für einen „aufrichtenden Effekt“ der Orthese, welcher auf die Aktivierung und Stärkung vor allem der Rückenextensoren zurückzuführen sei. Der Biofeedbackmechanismus sorge nachweislich für eine bessere Körperhaltung. Frühere Studien hätten gezeigt, dass bei Patienten mit übermäßig kyphosierter Wirbelsäule der Körperschwerpunkt nach vorne wandere, was mit Instabilität, beeinträchtigtem Gleichgewicht und einer verstärkten Sturzneigung verbunden sei. Im Umkehrschluss, vermutet das Forscherteam, könnte die Reduktion der Kyphose, wie sie durch die Orthese erreicht werde, auch für eine Verbesserung der Gangunsicherheit, der Funktionseinschränkungen und des Sturzrisikos sorgen. Dem Forscherteam zufolge kommt die aktivierende Spinalorthese bei Osteoporosepatientinnen nicht nur nach akuten Wirbelkörpereinbrüchen infrage, sondern auch dann, wenn die Fraktur bereits mehrere Monate alt ist. Das System sei vor allem für ältere Patientinnen geeignet, die zu konventionellem Rückentraining entweder nicht mehr in der Lage seien oder hierfür keine ausreichende Motivation aufbrächten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Effekt einer aktivierenden Spinalorthese mit Biofeedbacksystem bei nicht akuten (mindestens drei Monate alten) osteoporotischen Wirbelköpereinbrüchen. Antwort: Bei über 65-jährigen Osteoporosepatientinnen mit älterer Wirbelkörperfraktur führte die Spinalorthese, anders als eine Kontrollintervention, zu signifikanten Verbesserungen von Rückenschmerzen, Kyphosewinkel und Rückenmuskelkraft. Bedeutung: Durch ihre aufrichtende und muskelkraftstärkende Wirkung wirkt die Spinalorthese auch bei länger bestehenden Wirbelkörperfrakturen einer fortschreitenden Kyphosierung entgegen, was offenbar mit einer Besserung chronischer Rückenschmerzen verbunden ist. Einschränkung: Keine männlichen Teilnehmer; intensive Betreuung durch einen Orthopädietechniker während der gesamten Studiendauer.

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