Antibiotika vor Kaiserschnitt: Leidet das Mikrobiom beim Kind?

Ob eine prophylaktische Antibiotikagabe bereits vor der Inzision zum Kaiserschnitt erfolgt oder erst nach dem Abnabeln, scheint keine maßgeblichen Auswirkungen auf die Zusammensetzung des kindlichen Darmmikrobioms zu haben. Eine randomisierte Studie aus den Niederlanden bestätigte jedoch den negativen Einfluss der Sectio selbst. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Um das Infektionsrisiko für Mutter und Kind während einer Entbindung per Kaiserschnitt zu minimieren, gilt international die Empfehlung, den Müttern prophylaktisch Antibiotika zu verabreichen. Die 2011 revidierte Leitlinie des britischen NICE*-Instituts und mittlerweile auch die deutsche Leitlinie sehen dabei explizit vor, das Antibiotikum, in der Regel Cefuroxim, noch vor dem ersten Hautschnitt zu applizieren. Woran das Expertengremium dabei offenbar nicht gedacht hat, sind die möglichen Auswirkungen der intrauterinen Exposition auf die kindliche Darmflora. Ob vor oder nach dem Abnabeln spielt fürs Mikrobiom keine Rolle Ein Team aus den Niederlanden hat den Zusammenhang jetzt in einer aufwendigen randomisierten Studie untersucht – und gibt zumindest in diesem konkreten Punkt Entwarnung: Mithilfe von Genanalysen konnten die Forscher zeigen, dass es für die Zusammensetzung des kindlichen Mikrobioms keinen Unterschied machte, ob die Mütter das Antibiotikum vor oder nach Durchtrennung der Nabelschnur erhalten hatten. Das Ergebnis überrascht, denn im ersten Fall hatte die Cefuroximkonzentration mit median fast 14 mg/l im Nabelschnurblut deutlich die minimale Hemmkonzentration für die meisten Bakterienspezies überschritten. Nach Thomas Dierikx vom UMC Amsterdam und seinen Kollegen bestätigt die Studie aber auch einen bereits bekannten und durchaus bedenklichen Zusammenhang: Den größten Einfluss auf die Entwicklung des Mikrobioms scheint der Geburtsweg selbst zu haben. Dies zeigte der Vergleich von Stuhlproben der per Kaiserschnitt entbundenen Kinder mit denen von Kindern, die auf natürlichem Weg zur Welt gekommen waren. Deutlich eingeschränkte Diversität nach Sectio Um die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms im Verlauf zu dokumentieren, hatten die Forscher Stuhlproben untersucht, die man zu verschiedenen Zeitpunkten entnommen hatte: am Tag nach der Geburt, nach einer Woche und nach 28 Tagen. In 20 Fällen hatten die Kinder das Antibiotikum über die Nabelschnur abbekommen, in ebenfalls 20 Fällen war die Nabelschnur zuvor durchtrennt worden. Als Kontrollen diente eine Gruppe von 23 Kindern, die vaginal zur Welt gekommen waren. Gegenüber diesen zeigte das Mikrobiom in den beiden Gruppen von Kaiserschnitt-Kindern eine deutlich eingeschränkte Diversität. Sowohl bei den Antibiotika-exponierten als auch bei den nicht exponierten Kindern erbrachte die Gensequenzierung nach Sectio vor allem deutlich geringere Mengen von Bacteroides und Bifidobacterium, die generell zu den gesundheitsfördernden Keimen gerechnet werden. Dagegen waren humanpathogene Gattungen wie Klebsiella, Pseudomonas, Enterococcus und andere Proteobakterien im ersten Monat in deutlich größerer Zahl vorhanden als bei den vaginal geborenen Kindern. Bei einer erneuten Untersuchung drei Jahre später hatten sich die Unterschiede jedoch relativiert. „Durch die Entbindung per Kaiserschnitt erfährt die initiale Besiedlung des Darms einen empfindlichen Schlag“, resümieren Dierikx und sein Team. Dagegen habe es keinen Hinweis gegeben, dass die intrauterine Antibiotikaexposition die intestinale Flora der Kinder noch weiter beeinträchtigt habe. Wundinfektionsrate bei Müttern halbiert Für die Empfehlung zum Timing der Antibiotikaprophylaxe hatte sich das NICE-Institut auf Studien berufen, in denen die Rate von Wundinfektionen und Endometritiden bei den Müttern fast halbiert wurde, wenn die Applikation bereits vor Beginn der Sectio und nicht erst nach der Abnabelung erfolgte. Angesichts der weltweit zunehmenden Entbindungen per Kaiserschnitt sind nach Dierikx et al. weitere Studien erforderlich, die klären müssen, wie sich die damit verbundenen Störungen des Darmmikrobioms auf die langfristige Gesundheit der Kinder auswirken. Hinweise auf eine spätere gesundheitliche Beeinträchtigung hatte es in der vorliegenden Studie allerdings nicht gegeben. So war laut einer Elternbefragung, die die Forscher drei Jahre nach der Entbindung durchgeführt hatten, der gesundheitliche Zustand der Kinder in allen drei Gruppen vergleichbar. *National Institute for Health and Care Excellence Das Wichtigste in Kürze Frage: Trägt das Timing der prophylaktischen Antibiotikagabe vor einem Kaiserschnitt zu Störungen in der bakteriellen Darmbesiedlung der Kinder bei? Antwort: Ob eine intrauterine Antibiotikaexposition stattgefunden hatte oder nicht, schien auf die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms keine Auswirkungen zu haben, wohl aber die Entbindung per Kaiserschnitt selbst. Bedeutung: Die Ergebnisse sprechen nicht gegen eine Verabreichung der Antibiotikaprophylaxe vor der Abnabelung. Einschränkung: Elternbefragung zur Einschätzung von Langzeitfolgen unzureichend.

Springer Medizin

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