Die Defibrillatorweste („wearable cardioverter-defibrillator“, WCD) ist sicher und effektiv in der Prävention des plötzlichen Herztods und hat inzwischen Einzug in internationale Leitlinien und den klinischen Alltag gehalten. Mittlerweise sind nahezu 40.000 Patienten mit WCD-Versorgung innerhalb von klinischen Registerstudien publiziert; inzwischen wurde auch eine randomisierte Studie vorgestellt. Gerade Patienten in der Frühphase einer Kardiomyopathie mit reduzierter linksventrikulärer Funktion zeigen ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien und können von einem WCD profitieren. Gerade bei diesen Patienten ohne etablierte ICD-Indikation bietet der WCD in der Phase der Etablierung und Optimierung der Herzinsuffizienzmedikation einen Schutz vor dem plötzlichen Herztod. Entscheidend für den Erfolg der WCD-Versorgung sind eine gewissenhafte Patientenselektion und ein strukturiertes Patientenmanagement. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die aktuelle Datenlage und Empfehlungen zum WCD.
Der plötzliche Herztod zählt zu den häufigsten Todesursachen, meist infolge ventrikulärer Tachyarrhythmien. Zum Schutz vor dem plötzlichen Herztod ist die Therapie mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) bei Patienten mit einem dauerhaft erhöhten Risiko etabliert. Für Patienten mit einem (noch) unbekannten oder möglicherweise temporären Risiko für den plötzlichen Herztod ist seit einigen Jahren eine Defibrillatorweste („wearable cardioverter-defibrillator“, WCD) zur Vermeidung eines plötzlichen Arrhythmie-bedingten Todes verfügbar. Insofern ist der WCD nicht als Alternative, sondern als Ergänzung der ICD-Therapie zur Vermeidung des plötzlichen Herztodes zu sehen.
Die tragbare Defibrillatorweste besteht aus einem tragbaren Gurtsystem mit eingearbeiteten, nichtklebenden EKG-Elektroden, über die 2 EKG-Ableitungen kontinuierlich abgeleitet und analysiert werden (Abb. 1). Detektiert der WCD eine Tachyarrhythmie, wird eine Alarmkaskade (taktile, optische und akustische Alarme) gestartet. Der Patient kann diese Alarmkaskade durch Drücken zweier Reaktionstasten jederzeit zurücksetzen und damit eine Therapieabgabe verhindern. Im Fall einer hämodynamisch relevanten ventrikulären Tachyarrhythmie läuft die Alarmkaskade jedoch weiter ab und endet mit bis zu 5 automatisierten WCD-Schocks von bis zu 150 Joules. Die EKGs aller aufgezeichneten Episoden sowie die Trageadhärenz sind per Fernnachsorgeserver durch den behandelnden Arzt einsehbar.
×
Anzeige
Aktuelle Empfehlungen
Zur Reduktion des plötzlichen Herztods und der Gesamtmortalität ist eine primärprophylaktische ICD-Therapie nach aktuellen Leitlinien bei Patienten mit ischämischer (ICM) oder nichtischämischer Kardiomyopathie (NICM) und symptomatischer Herzinsuffizienz mit einer LVEF ≤35 % trotz optimaler medikamentöser Therapie über mindestens 3 Monate empfohlen [34].
Gerade die medikamentöse Herzinsuffizienztherapie ist bei Erstdiagnose einer Kardiomyopathie meist nicht etabliert und muss erst kontinuierlich und schrittweise auftitriert werden. Die Notwendigkeit der schrittweisen und kontrollierten Auftitration von ACE-Hemmer, β‑Blocker, Mineralokortikoidrezeptorantagonist und ggf. Angiotensin-Neprilysin-Inhibitor ist langwierig und zeigt, dass eine optimierte Herzinsuffizienzmedikation von mindestens 3 Monaten – wie von den Leitlinien gefordert – 3 Monate nach Erstdiagnose per se nicht möglich ist.
Von einer frühen ICD-Implantation ohne optimierte Herzinsuffizienzmedikation profitieren aber weder Patienten mit einer ischämischen [23, 48] noch mit einer nichtischämischen Kardiomyopathie [42]. Gleichzeitig haben aber Patienten auch in der Frühphase einer Kardiomyopathie oder nach Myokardinfarkt ein Risiko für den plötzlichen Herztod [44, 46].
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und einem temporär erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod kann ein WCD erwogen werden (Klasse-IIb/C-Empfehlung) [34]. Neben den Patienten mit Erstdiagnose einer ICM oder NICM können dies Patienten auf der Herztransplantationswarteliste, mit einer peripartalen Kardiomyopathie, mit aktiver Myokarditis oder auch mit Arrhythmien in der Frühphase nach Myokardinfarkt sein (Klasse-IIb/C-Empfehlung; [35]). Bei Patienten mit einer inflammatorischen Herzkrankheit mit schwerer linksventrikulärer (LV) Dysfunktion und/oder elektrischer Instabilität sollte ein WCD erwogen werden (Klasse-IIa/C-Empfehlung; [35]). Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie werden aktuell überarbeitet und aktualisiert. Übliche Indikationen für den Einsatz der Defibrillatorweste zeigt Tab. 1.
Tab. 1
Übliche Indikationen für den Einsatz der Defibrillatorweste
Indikationen Defibrillatorweste (WCD)
Akuter Myokardinfarkt mit/ohne Revaskularisierung und einer LVEF ≤35 %
Z. n. Koronarrevaskularisierung (PCI oder ACB) mit einer LVEF ≤35 %
Die klinische Effektivität des WCD wurde inzwischen in einer Vielzahl retrospektiver und prospektiver Register beschrieben [14]. Seit Anfang der 2000er Jahre wurden mittlerweile kumulativ nahezu 40.000 Patienten publiziert (Abb. 2). Eine Übersicht über die publizierten WCD-Register gibt Tab. 2.
In all diesen Studien konnte die Effektivität des WCD in der Terminierung ventrikulärer Tachyarrhythmien bei gleichzeitig sehr niedrigem Risiko inadäquater Therapien gezeigt werden. Neben dem Einsatz bei Erwachsenen erscheint der WCD auch bei Kindern erfolgreich einsetzbar, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie an 455 pädiatrischen Patienten zeigte [47]. In annähernd allen publizierten Registern zeigte sich eine sehr gute Trage-Compliance mit überwiegend >20 h/Tag.
VEST-Studie
Als erste prospektive randomisierte Studie zum WCD in diesem Jahr die VEST-Studie publiziert worden [31]. Hier wurden mehr als 2000 Patienten mit einer LVEF ≤35 % nach akutem Myokardinfarkt eingeschlossen und 2:1 randomisiert in Patienten mit WCD und leitliniengerechte Medikation (Interventionsgruppe) sowie Patienten ohne WCD und nur leitliniengerechter Medikation (Kontrollgruppe). Der gewählte primäre Endpunkt (plötzlicher Herztod oder Tod durch ventrikuläre Tachyarrhythmie innerhalb von 3 Monaten nach Myokardinfarkt) wurde durch den WCD nicht signifikant beeinflusst (1,6 % vs. 2,4 %; p = 0,18). Die Gesamtmortalität als sekundärer Endpunkt war in der WCD-Gruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (3,1 % vs. 4,8 %; p = 0,04). In der Kontrollgruppe traten unter den nichtkardialen Todesursachen signifikant mehr schlaganfallbedingte Todesfälle auf als in der WCD-Gruppe (0,5 % vs. 0 %; p = 0,01). Andere Todesarten waren gleich verteilt. Zwei Aspekte fallen auf: zum einen eine hohe Cross-over-Rate von ca. 20 %, zum anderen eine auffällig niedrige Trage-Compliance, die erheblich geringer ist als in allen bisher publizierten Registern. Das Konzept der unselektierten oder unreflektierten Versorgung aller Patienten mit einer LVEF ≤35 % nach Myokardinfarkt ohne Berücksichtigung weiterer Parameter wird durch die Ergebnisse VEST-Studie nicht unterstützt. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der WCD-Versorgung die Trage-Compliance sein wird. Hier sind insbesondere der Hersteller, Kostenträger und möglicherweise auch verordnende Ärzte gefragt, neue strukturierte Versorgungsmodelle zu erarbeiten, die eine gute Verordnungsqualität gewährleisten können, indem sie genau die Patienten identifizieren und dann auch zeitnah versorgen lassen, die später auch von einer WCD-Versorgung profitieren können. Nach den VEST-Ergebnissen sollten dies die Patienten sein, die den WCD auch konsequent tragen.
Optimierung der Herzinsuffizienztherapien unter WCD-Schutz
In der Frühphase einer Kardiomyopathie nach Erstdiagnose einer schwer reduzierten LV-Funktion kann der WCD genutzt werden, um in der Phase der Therapieinitiierung und -optimierung sowie ggf. weiterer Diagnostik zur Risikostratifikation einen Schutz vor ventrikulären Tachyarrhythmien zu ermöglichen. Die PROLONG-Studie untersuchte den Verlauf der LVEF bei Patienten mit Erstdiagnose einer LVEF ≤35 % während der Initiierung und Optimierung der medikamentösen Herzinsuffizienztherapie [13]. Insgesamt 156 Patienten mit Erstdiagnose einer Kardiomyopathie, die mit einem WCD versorgt waren, wurden analysiert. Alle Patienten erhielten nach 3 Monaten eine Reevaluation der LV-Funktion. Patienten mit (1) einer LVEF von 30–35 %, (2) einer LVEF-Veränderung von ≥5 % oder (3) einer noch nicht optimalen Herzinsuffizienzmedikation wurde eine Verlängerung der WCD-Periode empfohlen. Es konnte gezeigt werden, dass es bei Verlängerung der Wartezeit unter sorgfältiger Optimierung der Herzinsuffizienzmedikation über 3 Monate hinaus bei 33 % der Patienten zu einer weiteren Verbesserung der LVEF über die 35 % hinaus kam und damit keine Indikation zur primärprophylaktischen ICD-Implantation mehr bestand. Dennoch kam es im Studienverlauf bei 11 Patienten zu 12 adäquaten WCD-Schocks bei ventrikulären Tachyarrhythmien, was zeigt, dass die Patienten in dieser frühen Phase der Kardiomyopathie ein Risiko für den plötzlichen Herztod haben.
Auch wenn gezeigt wurde, dass Patienten bereits intrahospital von der WCD-Versorgung profitieren können [17], so liegt die übliche Versorgungsdauer in den meisten publizierten Registern bei 1–3 Monaten. Patienten können den WCD auch über ein Jahr hinaus sicher und effektiv tragen [28]. Dass es sowohl bei Patienten nach Myokardinfarkt als auch mit nichtischämischer Kardiomyopathie zu einer Verbesserung der LVEF auch über 3 Monate hinaus kommt, war in anderen Studien ebenfalls bereits gezeigt worden [7, 44]. Gerade ältere Patienten ab 65 Jahre zeigen eine höhere Rate an ventrikulären Tachyarrhythmien und gleichzeitig eine höhere Wahrscheinlichkeit, am Ende der WCD-Tragezeit einen ICD zu erhalten [10]. Auch in der WEAR-IT-II-Studie zeigten Patienten mit einer Tragedauer >90 Tagen sowohl ein Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien als auch das Potenzial für eine weitere Verbesserung der LV-Funktion mit der Möglichkeit, eine ICD-Implantation zu vermeiden [27].
Die Verlängerung der WCD-Periode bei Patienten kann daher helfen, die Herzinsuffizienzmedikation weiter zu optimieren, den Patienten in dieser Zeit vor dem plötzlichen Herztod zu schützen und zu frühe ICD-Implantationen zu vermeiden.
Spezielle Indikationen
Einzelne Indikationen für den WCD gelten als besonders akzeptiert. Bei gesicherter ICD-Device-Infektion sollte eine Komplettextraktion des Systems erfolgen. Eine zu frühe Reimplantation kann das Risiko einer Reinfektion bergen, sodass meist eine Antibiotikatherapie für 6 Wochen empfohlen wird. Gerade Patienten mit sekundärprophylaktischer ICD-Indikation und Patienten, die bereits adäquate ICD-Therapien erhalten haben, sind nach Explantation jedoch kontinuierlich überwachungspflichtig. Eine telemetrische Überwachung des Patienten im stationären Rahmen ist jedoch nicht nur mit erheblichen Kosten, sondern auch mit einer Reduktion der Lebensqualität verbunden. Eine temporäre Versorgung dieser Patienten mit einem WCD für die Zeit der Infektsanierung und Rekonvaleszenz erlaubt es, die Patienten geschützt nach Hause zu entlassen [16, 49]. Dieses Konzept der temporären WCD-Versorgung nach ICD-Explantation ist kosteneffektiv [21]. Zu Bedenken ist allerdings, dass die Entlassung des Patienten mit WCD in sekundärprophylaktischer Indikation noch höhere Anforderungen an die Patienten-Compliance stellt, da nur ein konsequentes Tragen des WCD einen entsprechenden Schutz gewährleisten kann.
Auch bei Patienten mit bereits implantiertem ICD und geplanter onkologischer Bestrahlungstherapie im Bereich des Thorax kann es erforderlich sein, den ICD zu explantieren. Einerseits kann das Device unter Umständen im Bestrahlungsfeld liegen und die Effektivität der Bestrahlung reduzieren, andererseits besteht in Abhängigkeit der Strahlendosis des Aggregats ohnehin ein Risiko der Device-Fehlfunktion. Nach Device-Explantation können diese Patienten für die Zeit der Bestrahlung und bis zur Reimplantation mit einem WCD geführt werden [6].
Anzeige
Patientinnen mit einer PPCM werden meist in den letzten Wochen der Schwangerschaft oder den ersten Monaten nach Entbindung symptomatisch und zeigen bei Diagnosestellung häufig eine schwer reduzierte LV-Funktion [3]. Gleichzeitig haben diese Patientinnen ein hohes Potenzial, unter optimaler Herzinsuffizienztherapie rasch wieder eine Verbesserung der LV-Funktion zu erfahren. In der Frühphase der PPCM zeigen diese Patientinnen jedoch eine erhöhte Rate an ventrikulären Tachyarrhythmien [12, 15]. Gerade bei diesen jungen Müttern macht eine temporäre Versorgung mit einem WCD somit besonders Sinn, um plötzliche Herztode in der Frühphase zu verhindern und gleichzeitig keine unnötigen ICD zu implantieren, da die meisten Patientinnen im Verlauf nach Erholung der LV-Funktion >35 % keinen ICD-Schutz benötigen. Bei Patientinnen mit PPCM mit einer LVEF ≤35 % sollte daher eine WCD-Versorgung in den ersten 3–6 Monaten nach Diagnosestellung erwogen werden [3].
Fazit für die Praxis
Der WCD ist klinisch effektiv in der Erkennung und Terminierung ventrikulärer Tachyarrhythmien.
Patienten in der Frühphase einer Kardiomyopathie zeigen ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien.
Durch Verlängerung der Phase der Optimierung der Herzinsuffizienzmedikation unter WCD-Schutz können zu frühe ICD-Implantation vermieden werden.
Die randomisierte VEST-Studie zeigt, dass eine unreflektierte Versorgung von Postinfarktpatienten nicht signifikant die Mortalität senkt und die Trage-Compliance einen entscheidenden Faktor darstellt.
Entscheidend ist eine sorgfältige Patientenselektion.
Förderung
Die open-Access-Gebühr wurde von der Fima ZOLL übernommen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
D. Duncker und C. Veltmann erhielten Vortragshonorare und Reisekostenunterstützung von ZOLL.
Anzeige
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Mit e.Med Innere Medizin erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Innere Medizin, den Premium-Inhalten der internistischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten internistischen Zeitschrift Ihrer Wahl.
Das ESC-Leitlinien-Update 2023 bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der Herzinsuffizienz (HF), denn nun werden SGLT-2i sowohl für HFrEF, als auch für HFmrEF und HFpEF empfohlen. Somit können jetzt alle Patient:innen mit HF von SGLT-2i als zentralem Bestandteil der Therapie profitieren.
Dapagliflozin ist nun zur Behandlung aller Patient:innen mit chronischer symptomatischer Herzinsuffizienz zugelassen und bietet somit auch neue Hoffnung für die Therapie von jenen mit HFpEF. In der DELIVER-Studie zeigte der SGLT-2-Inhibitor eine signifikante Reduktion von Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und CV-Todesfällen.
Ein Konsortium führender Fachgesellschaften erarbeitete jüngst auf Basis umfangreicher Metaanalysen einen Konsens für die Therapie koronarer Herzkrankheiten. Was dabei auffiel: Die duale Plättchenhemmung (DAPT) mit Ticagrelor ist die bevorzugte Therapieoption für das akute Koronarsyndrom (ACS).